Wenn ich Abends allein im dunklen Zimmer bin und des Nachbars Lichter den Schein an die Wand werfen, zuweilen auch Streiflichter Deine Büste erleuch- ten, oder wenn es schon still in der Stadt ist, in der Nacht; hier und dort ein Hund bellt, ein Hahn schreit; -- ich weiß nicht, warum es mich oft mehr wie menschlich ergreift; ich weiß nicht, wo ich vor Schmerz hin will. -- Ich möchte anders als wie mit Worten mit Dir sprechen; ich möchte mich an Dein Herz drücken; -- ich fühl', daß meine Seele lodert. -- Wie die Luft so fürchterlich still ruht kurz vor dem Sturm, so stehen denn grad' meine Gedanken kalt und still, und das Herz wogt wie das Meer. Lieber, lieber Goethe! -- dann löst mich eine Rückerinnerung an Dich wieder auf; die Feuer- und Kriegszeichen gehen langsam an meinem Himmel unter, und Du bist wie der hereinströmende Mondstrahl. Du bist groß und herrlich und besser als alles, was ich bis heute erkannt und erlebt hab', -- Dein ganzes Leben ist so gut.
An
Wenn ich Abends allein im dunklen Zimmer bin und des Nachbars Lichter den Schein an die Wand werfen, zuweilen auch Streiflichter Deine Büſte erleuch- ten, oder wenn es ſchon ſtill in der Stadt iſt, in der Nacht; hier und dort ein Hund bellt, ein Hahn ſchreit; — ich weiß nicht, warum es mich oft mehr wie menſchlich ergreift; ich weiß nicht, wo ich vor Schmerz hin will. — Ich möchte anders als wie mit Worten mit Dir ſprechen; ich möchte mich an Dein Herz drücken; — ich fühl', daß meine Seele lodert. — Wie die Luft ſo fürchterlich ſtill ruht kurz vor dem Sturm, ſo ſtehen denn grad' meine Gedanken kalt und ſtill, und das Herz wogt wie das Meer. Lieber, lieber Goethe! — dann löſt mich eine Rückerinnerung an Dich wieder auf; die Feuer- und Kriegszeichen gehen langſam an meinem Himmel unter, und Du biſt wie der hereinſtrömende Mondſtrahl. Du biſt groß und herrlich und beſſer als alles, was ich bis heute erkannt und erlebt hab', — Dein ganzes Leben iſt ſo gut.
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Wenn ich Abends allein im dunklen Zimmer bin
und des Nachbars Lichter den Schein an die Wand
werfen, zuweilen auch Streiflichter Deine Büſte erleuch-
ten, oder wenn es ſchon ſtill in der Stadt iſt, in der
Nacht; hier und dort ein Hund bellt, ein Hahn ſchreit; —
ich weiß nicht, warum es mich oft mehr wie menſchlich
ergreift; ich weiß nicht, wo ich vor Schmerz hin will. —
Ich möchte anders als wie mit Worten mit Dir ſprechen;
ich möchte mich an Dein Herz drücken; — ich fühl', daß
meine Seele lodert. — Wie die Luft ſo fürchterlich ſtill
ruht kurz vor dem Sturm, ſo ſtehen denn grad' meine
Gedanken kalt und ſtill, und das Herz wogt wie das
Meer. Lieber, lieber Goethe! — dann löſt mich eine
Rückerinnerung an Dich wieder auf; die Feuer- und
Kriegszeichen gehen langſam an meinem Himmel unter,
und Du biſt wie der hereinſtrömende Mondſtrahl. Du
biſt groß und herrlich und beſſer als alles, was ich bis
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/176>, abgerufen am 22.11.2024.
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