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Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Gaben der Milde. Bd. 4. Berlin, 1818, S. 75-124.

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glücklichen Ausgang durch sein Fernrohr
gesehen. Francoeur übergab ihm seinen De¬
gen, er kündigte Francoeur Verzeihung an,
weil seine Wunde ihn des Verstandes be¬
raubt gehabt und befahl einem Chirurgen:
diese Wunde zu untersuchen und beßer zu ver¬
binden. Francoeur setzte sich nieder und ließ
ruhig Alles mit sich geschehen, er sah nur Frau
und Kind an. Der Chirurg wunderte sich,
daß er keinen Schmerz zeigte, er zog ihm
einen Knochensplitter aus der Wunde, der
rings umher eine Eiterung hervorgebracht
hatte; es schien als ob die gewaltige Natur
Francoeurs ununterbrochen und allmählig an
der Hinausschaffung gearbeitet habe, bis ihm
endlich äußere Gewalt, die eigne Hand seiner
Verzweiflung die äußere Rinde durchbro¬
chen. Er versicherte, daß ohne diese glückliche
Fügung ein unheilbarer Wahnsinn den un¬
glücklichen Francoeur hätte aufzehren müs¬
sen. Damit ihm keine Anstrengung schade,
wurde er auf einen Wagen gelegt und sein
Einzug in Marseille glich unter einem Volke,
das Kühnheit immer mehr als Güte zu

glücklichen Ausgang durch ſein Fernrohr
geſehen. Francoeur übergab ihm ſeinen De¬
gen, er kündigte Francoeur Verzeihung an,
weil ſeine Wunde ihn des Verſtandes be¬
raubt gehabt und befahl einem Chirurgen:
dieſe Wunde zu unterſuchen und beßer zu ver¬
binden. Francoeur ſetzte ſich nieder und ließ
ruhig Alles mit ſich geſchehen, er ſah nur Frau
und Kind an. Der Chirurg wunderte ſich,
daß er keinen Schmerz zeigte, er zog ihm
einen Knochenſplitter aus der Wunde, der
rings umher eine Eiterung hervorgebracht
hatte; es ſchien als ob die gewaltige Natur
Francoeurs ununterbrochen und allmählig an
der Hinausſchaffung gearbeitet habe, bis ihm
endlich äußere Gewalt, die eigne Hand ſeiner
Verzweiflung die äußere Rinde durchbro¬
chen. Er verſicherte, daß ohne dieſe glückliche
Fügung ein unheilbarer Wahnſinn den un¬
glücklichen Francoeur hätte aufzehren müſ¬
ſen. Damit ihm keine Anſtrengung ſchade,
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Einzug in Marſeille glich unter einem Volke,
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[122/0054] glücklichen Ausgang durch ſein Fernrohr geſehen. Francoeur übergab ihm ſeinen De¬ gen, er kündigte Francoeur Verzeihung an, weil ſeine Wunde ihn des Verſtandes be¬ raubt gehabt und befahl einem Chirurgen: dieſe Wunde zu unterſuchen und beßer zu ver¬ binden. Francoeur ſetzte ſich nieder und ließ ruhig Alles mit ſich geſchehen, er ſah nur Frau und Kind an. Der Chirurg wunderte ſich, daß er keinen Schmerz zeigte, er zog ihm einen Knochenſplitter aus der Wunde, der rings umher eine Eiterung hervorgebracht hatte; es ſchien als ob die gewaltige Natur Francoeurs ununterbrochen und allmählig an der Hinausſchaffung gearbeitet habe, bis ihm endlich äußere Gewalt, die eigne Hand ſeiner Verzweiflung die äußere Rinde durchbro¬ chen. Er verſicherte, daß ohne dieſe glückliche Fügung ein unheilbarer Wahnſinn den un¬ glücklichen Francoeur hätte aufzehren müſ¬ ſen. Damit ihm keine Anſtrengung ſchade, wurde er auf einen Wagen gelegt und ſein Einzug in Marſeille glich unter einem Volke, das Kühnheit immer mehr als Güte zu

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Gaben der Milde. Bd. 4. Berlin, 1818, S. 75-124, hier S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnima_invalide_1818/54>, abgerufen am 28.11.2024.