Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808.Da sprach der Leib: "Du seyst verklagt, "Du warst die Frau, und ich die Magd, "Du trägst mit mir die Sündenlast, "Weil du mich bös geführet hast. Die Seel wollt da noch wiedersprechen, Da thät der Morgenstern anbrechen, Sankt Petrus Vogel thät auch krähen, Da waren beid nicht mehr zu sehn. Ich aber schrieb dies Liedelein, Und steckts an Liebchens Fensterlein, "Ich war mit Leib und Seel zu Gast, "S ist mir leid, wenn du auf mich gewartet hast. Nicht Wiedersehn. Nun ade mein allerherzliebster Schaz, Jezt muß ich wohl scheiden von dir, Bis auf den andern Sommer, Dann komm ich wieder zu dir. Und als der junge Knab heimkam, Von seiner Liebsten fing er an, Wo ist meine Herzallerliebste, Die ich verlassen hab? Auf dem Kirchhof liegt sie begraben, Heut ists der dritte Tag, Das Trauren und das Weinen Hat sie zum Tod gebracht. Da ſprach der Leib: „Du ſeyſt verklagt, „Du warſt die Frau, und ich die Magd, „Du traͤgſt mit mir die Suͤndenlaſt, „Weil du mich boͤs gefuͤhret haſt. Die Seel wollt da noch wiederſprechen, Da thaͤt der Morgenſtern anbrechen, Sankt Petrus Vogel thaͤt auch kraͤhen, Da waren beid nicht mehr zu ſehn. Ich aber ſchrieb dies Liedelein, Und ſteckts an Liebchens Fenſterlein, „Ich war mit Leib und Seel zu Gaſt, „S iſt mir leid, wenn du auf mich gewartet haſt. Nicht Wiederſehn. Nun ade mein allerherzliebſter Schaz, Jezt muß ich wohl ſcheiden von dir, Bis auf den andern Sommer, Dann komm ich wieder zu dir. Und als der junge Knab heimkam, Von ſeiner Liebſten fing er an, Wo iſt meine Herzallerliebſte, Die ich verlaſſen hab? Auf dem Kirchhof liegt ſie begraben, Heut iſts der dritte Tag, Das Trauren und das Weinen Hat ſie zum Tod gebracht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0025" n="15"/> <lg n="9"> <l>Da ſprach der Leib: „Du ſeyſt verklagt,</l><lb/> <l>„Du warſt die Frau, und ich die Magd,</l><lb/> <l>„Du traͤgſt mit mir die Suͤndenlaſt,</l><lb/> <l>„Weil du mich boͤs gefuͤhret haſt.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Die Seel wollt da noch wiederſprechen,</l><lb/> <l>Da thaͤt der Morgenſtern anbrechen,</l><lb/> <l>Sankt Petrus Vogel thaͤt auch kraͤhen,</l><lb/> <l>Da waren beid nicht mehr zu ſehn.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Ich aber ſchrieb dies Liedelein,</l><lb/> <l>Und ſteckts an Liebchens Fenſterlein,</l><lb/> <l>„Ich war mit Leib und Seel zu Gaſt,</l><lb/> <l>„S iſt mir leid, wenn du auf mich gewartet haſt.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Nicht Wiederſehn</hi>.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">N</hi>un ade mein allerherzliebſter Schaz,</l><lb/> <l>Jezt muß ich wohl ſcheiden von dir,</l><lb/> <l>Bis auf den andern Sommer,</l><lb/> <l>Dann komm ich wieder zu dir.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Und als der junge Knab heimkam,</l><lb/> <l>Von ſeiner Liebſten fing er an,</l><lb/> <l>Wo iſt meine Herzallerliebſte,</l><lb/> <l>Die ich verlaſſen hab?</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Auf dem Kirchhof liegt ſie begraben,</l><lb/> <l>Heut iſts der dritte Tag,</l><lb/> <l>Das Trauren und das Weinen</l><lb/> <l>Hat ſie zum Tod gebracht.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [15/0025]
Da ſprach der Leib: „Du ſeyſt verklagt,
„Du warſt die Frau, und ich die Magd,
„Du traͤgſt mit mir die Suͤndenlaſt,
„Weil du mich boͤs gefuͤhret haſt.
Die Seel wollt da noch wiederſprechen,
Da thaͤt der Morgenſtern anbrechen,
Sankt Petrus Vogel thaͤt auch kraͤhen,
Da waren beid nicht mehr zu ſehn.
Ich aber ſchrieb dies Liedelein,
Und ſteckts an Liebchens Fenſterlein,
„Ich war mit Leib und Seel zu Gaſt,
„S iſt mir leid, wenn du auf mich gewartet haſt.
Nicht Wiederſehn.
Nun ade mein allerherzliebſter Schaz,
Jezt muß ich wohl ſcheiden von dir,
Bis auf den andern Sommer,
Dann komm ich wieder zu dir.
Und als der junge Knab heimkam,
Von ſeiner Liebſten fing er an,
Wo iſt meine Herzallerliebſte,
Die ich verlaſſen hab?
Auf dem Kirchhof liegt ſie begraben,
Heut iſts der dritte Tag,
Das Trauren und das Weinen
Hat ſie zum Tod gebracht.
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Zitationshilfe: | Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808/25>, abgerufen am 22.02.2025. |