Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808.O goldnes Meer, durchbrich doch deine Dämme, Komm wie die aufgehaltne Fluth; Und alles Fleisch, was lebet, überschwemme, Das vor dir immer Böses thut. O Gottes Lamm! dein Blut allein Macht uns von allen Sünden rein; Das Kleid, das drinn gewaschen worden, Das trägt allein dein Priesterorden. 9. Erziehung durch Langeweile. Wo flieh ich hin? wo soll ich bleiben? Wo wird die süße Stille seyn? Da ich mich könnte schliessen ein, Und mich nicht lassen mehr umtreiben In Unruh dieser äussern Dinge. Ist keine Einsamkeit bereit, Darin ich Gott ein Loblied singe, Der von Zerstreuung mich befreit? Mein Geist will in die Wüste ziehen, Und wünscht sich Taubenflügel an; Weil er vor Angst nicht bleiben kann, Da wo die Menschen sich bemühen, Von Gott noch weiter wegzugehen Und niemals bei sich selbst zu seyn; Ich kann den Jammer nicht mehr sehen, Und bleibe selbst dabei nicht rein. Drum fort o Seel! entzeuch geschwinde Dich der Gesellschaft dieser Welt! O goldnes Meer, durchbrich doch deine Daͤmme, Komm wie die aufgehaltne Fluth; Und alles Fleiſch, was lebet, uͤberſchwemme, Das vor dir immer Boͤſes thut. O Gottes Lamm! dein Blut allein Macht uns von allen Suͤnden rein; Das Kleid, das drinn gewaſchen worden, Das traͤgt allein dein Prieſterorden. 9. Erziehung durch Langeweile. Wo flieh ich hin? wo ſoll ich bleiben? Wo wird die ſuͤße Stille ſeyn? Da ich mich koͤnnte ſchlieſſen ein, Und mich nicht laſſen mehr umtreiben In Unruh dieſer aͤuſſern Dinge. Iſt keine Einſamkeit bereit, Darin ich Gott ein Loblied ſinge, Der von Zerſtreuung mich befreit? Mein Geiſt will in die Wuͤſte ziehen, Und wuͤnſcht ſich Taubenfluͤgel an; Weil er vor Angſt nicht bleiben kann, Da wo die Menſchen ſich bemuͤhen, Von Gott noch weiter wegzugehen Und niemals bei ſich ſelbſt zu ſeyn; Ich kann den Jammer nicht mehr ſehen, Und bleibe ſelbſt dabei nicht rein. Drum fort o Seel! entzeuch geſchwinde Dich der Geſellſchaft dieſer Welt! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0226" n="216"/> <lg n="3"> <l>O goldnes Meer, durchbrich doch deine Daͤmme,</l><lb/> <l>Komm wie die aufgehaltne Fluth;</l><lb/> <l>Und alles Fleiſch, was lebet, uͤberſchwemme,</l><lb/> <l>Das vor dir immer Boͤſes thut.</l><lb/> <l>O Gottes Lamm! dein Blut allein</l><lb/> <l>Macht uns von allen Suͤnden rein;</l><lb/> <l>Das Kleid, das drinn gewaſchen worden,</l><lb/> <l>Das traͤgt allein dein Prieſterorden.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <div n="2"> <head>9. <hi rendition="#g">Erziehung durch Langeweile</hi>.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">W</hi>o flieh ich hin? wo ſoll ich bleiben?</l><lb/> <l>Wo wird die ſuͤße Stille ſeyn?</l><lb/> <l>Da ich mich koͤnnte ſchlieſſen ein,</l><lb/> <l>Und mich nicht laſſen mehr umtreiben</l><lb/> <l>In Unruh dieſer aͤuſſern Dinge.</l><lb/> <l>Iſt keine Einſamkeit bereit,</l><lb/> <l>Darin ich Gott ein Loblied ſinge,</l><lb/> <l>Der von Zerſtreuung mich befreit?</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Mein Geiſt will in die Wuͤſte ziehen,</l><lb/> <l>Und wuͤnſcht ſich Taubenfluͤgel an;</l><lb/> <l>Weil er vor Angſt nicht bleiben kann,</l><lb/> <l>Da wo die Menſchen ſich bemuͤhen,</l><lb/> <l>Von Gott noch weiter wegzugehen</l><lb/> <l>Und niemals bei ſich ſelbſt zu ſeyn;</l><lb/> <l>Ich kann den Jammer nicht mehr ſehen,</l><lb/> <l>Und bleibe ſelbſt dabei nicht rein.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Drum fort o Seel! entzeuch geſchwinde</l><lb/> <l>Dich der Geſellſchaft dieſer Welt!</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [216/0226]
O goldnes Meer, durchbrich doch deine Daͤmme,
Komm wie die aufgehaltne Fluth;
Und alles Fleiſch, was lebet, uͤberſchwemme,
Das vor dir immer Boͤſes thut.
O Gottes Lamm! dein Blut allein
Macht uns von allen Suͤnden rein;
Das Kleid, das drinn gewaſchen worden,
Das traͤgt allein dein Prieſterorden.
9. Erziehung durch Langeweile.
Wo flieh ich hin? wo ſoll ich bleiben?
Wo wird die ſuͤße Stille ſeyn?
Da ich mich koͤnnte ſchlieſſen ein,
Und mich nicht laſſen mehr umtreiben
In Unruh dieſer aͤuſſern Dinge.
Iſt keine Einſamkeit bereit,
Darin ich Gott ein Loblied ſinge,
Der von Zerſtreuung mich befreit?
Mein Geiſt will in die Wuͤſte ziehen,
Und wuͤnſcht ſich Taubenfluͤgel an;
Weil er vor Angſt nicht bleiben kann,
Da wo die Menſchen ſich bemuͤhen,
Von Gott noch weiter wegzugehen
Und niemals bei ſich ſelbſt zu ſeyn;
Ich kann den Jammer nicht mehr ſehen,
Und bleibe ſelbſt dabei nicht rein.
Drum fort o Seel! entzeuch geſchwinde
Dich der Geſellſchaft dieſer Welt!
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