Anmuthiger Blumenkranz aus dem Gar- ten der Gemeinde Gottes, ans Licht gegeben im Jahre 1712.
Es mögten sich nit wenige verwundern, daß man bei der Menge alter und neuer Gesangbücher doch wieder ein neues Liederbuch vor den Tag bringt, dazu zu einer Zeit, da man in der ganzen Welt nichts als Klag, Angst und Gefahr vorsiehet, und da die rechtschaffenen Sänger so rar, und die Harmonie unter denen, so den Namen der Freunde Gottes tragen, so gar schlecht und gering ist, daß Zion mehr Ursach findet, über sich und ihre Kin- der zu weinen, als sie Lust gewinnen sollte, die Harfe vor dem Herrn zu rühren. Der Anlaß dieser neuen Samm- lung war das Verlangen vieler Freunde, die unter den vielen Drangsalen den Muth nicht sinken lassen, vielmehr die innern Seelenkräfte durch vielerlei Anfechtungen an dem Kreutze Jesu ausspannen, und also vom Geiste der Weisheit in lebendiger Wahrheit gestimmet werden. Diese allein werden wohl die allerangenehmsten Sänger und Musikanten Gottes seyn; besonders da alle die äusseren Gerichte und die inneren Anfechtungen nichts anders als
Anmuthiger Blumenkranz aus dem Gar- ten der Gemeinde Gottes, ans Licht gegeben im Jahre 1712.
Es moͤgten ſich nit wenige verwundern, daß man bei der Menge alter und neuer Geſangbuͤcher doch wieder ein neues Liederbuch vor den Tag bringt, dazu zu einer Zeit, da man in der ganzen Welt nichts als Klag, Angſt und Gefahr vorſiehet, und da die rechtſchaffenen Saͤnger ſo rar, und die Harmonie unter denen, ſo den Namen der Freunde Gottes tragen, ſo gar ſchlecht und gering iſt, daß Zion mehr Urſach findet, uͤber ſich und ihre Kin- der zu weinen, als ſie Luſt gewinnen ſollte, die Harfe vor dem Herrn zu ruͤhren. Der Anlaß dieſer neuen Samm- lung war das Verlangen vieler Freunde, die unter den vielen Drangſalen den Muth nicht ſinken laſſen, vielmehr die innern Seelenkraͤfte durch vielerlei Anfechtungen an dem Kreutze Jeſu ausſpannen, und alſo vom Geiſte der Weisheit in lebendiger Wahrheit geſtimmet werden. Dieſe allein werden wohl die allerangenehmſten Saͤnger und Muſikanten Gottes ſeyn; beſonders da alle die aͤuſſeren Gerichte und die inneren Anfechtungen nichts anders als
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0213"n="203"/><divn="2"><head><hirendition="#g">Anmuthiger Blumenkranz aus dem Gar</hi>-<lb/><hirendition="#g">ten der Gemeinde Gottes</hi>,<lb/><hirendition="#g">ans Licht gegeben im Jahre 1712</hi>.</head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#in">E</hi>s moͤgten ſich nit wenige verwundern, daß man<lb/>
bei der Menge alter und neuer Geſangbuͤcher doch wieder<lb/>
ein neues Liederbuch vor den Tag bringt, dazu zu einer<lb/>
Zeit, da man in der ganzen Welt nichts als Klag, Angſt<lb/>
und Gefahr vorſiehet, und da die rechtſchaffenen Saͤnger<lb/>ſo rar, und die Harmonie unter denen, ſo den Namen<lb/>
der Freunde Gottes tragen, ſo gar ſchlecht und gering<lb/>
iſt, daß Zion mehr Urſach findet, uͤber ſich und ihre Kin-<lb/>
der zu weinen, als ſie Luſt gewinnen ſollte, die Harfe<lb/>
vor dem Herrn zu ruͤhren. Der Anlaß dieſer neuen Samm-<lb/>
lung war das Verlangen vieler Freunde, die unter den<lb/>
vielen Drangſalen den Muth nicht ſinken laſſen, vielmehr<lb/>
die innern Seelenkraͤfte durch vielerlei Anfechtungen an<lb/>
dem Kreutze Jeſu ausſpannen, und alſo vom Geiſte der<lb/>
Weisheit in lebendiger Wahrheit geſtimmet werden. Dieſe<lb/>
allein werden wohl die allerangenehmſten Saͤnger und<lb/>
Muſikanten Gottes ſeyn; beſonders da alle die aͤuſſeren<lb/>
Gerichte und die inneren Anfechtungen nichts anders als<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[203/0213]
Anmuthiger Blumenkranz aus dem Gar-
ten der Gemeinde Gottes,
ans Licht gegeben im Jahre 1712.
Es moͤgten ſich nit wenige verwundern, daß man
bei der Menge alter und neuer Geſangbuͤcher doch wieder
ein neues Liederbuch vor den Tag bringt, dazu zu einer
Zeit, da man in der ganzen Welt nichts als Klag, Angſt
und Gefahr vorſiehet, und da die rechtſchaffenen Saͤnger
ſo rar, und die Harmonie unter denen, ſo den Namen
der Freunde Gottes tragen, ſo gar ſchlecht und gering
iſt, daß Zion mehr Urſach findet, uͤber ſich und ihre Kin-
der zu weinen, als ſie Luſt gewinnen ſollte, die Harfe
vor dem Herrn zu ruͤhren. Der Anlaß dieſer neuen Samm-
lung war das Verlangen vieler Freunde, die unter den
vielen Drangſalen den Muth nicht ſinken laſſen, vielmehr
die innern Seelenkraͤfte durch vielerlei Anfechtungen an
dem Kreutze Jeſu ausſpannen, und alſo vom Geiſte der
Weisheit in lebendiger Wahrheit geſtimmet werden. Dieſe
allein werden wohl die allerangenehmſten Saͤnger und
Muſikanten Gottes ſeyn; beſonders da alle die aͤuſſeren
Gerichte und die inneren Anfechtungen nichts anders als
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808/213>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.