Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808.Als wir sind tod, wir mögen kriegen, Ein alt Leylach, darin wir liegen; Oder ein neue Kiste bekannt, Also fahren wir in das ander Land. Wir werden alle nackend geboren, Kein eigen Gut haben wir zware; Denn unsre Seele ist ein Unterpfand, Ihr Werk findet sie in dem andern Land. O Seele, o Seele, geistliche Kreature, Gott schuf dich selber nach seiner Figure; Was du hast gesäet oder gepflanzt, Das sollst du erndten in dem andern Land. Das Beste, des ich mich kann entsinnen, Das ist Gott fürchten und allzeit minnen; Das soll seyn unsrer Seele Gewand, So fahren wir sicher in das ander Land. Wenn wir werden alt, krank und krumm, So wär es Zeit, daß wir uns sähen um; Und wenn uns entfällt der Leckerzahn, So wollen wir bald in das ander Land. Ach Gott, wer soll unser Geleitsmann seyn? Wir wissen ja nichts von unsrer Pein; Der Weg ist fern und unbekannt, Den wir hinfahren in das ander Land. Nachdem als man beschrieben findt, So ist unser Leben als der Wind; Als wir ſind tod, wir moͤgen kriegen, Ein alt Leylach, darin wir liegen; Oder ein neue Kiſte bekannt, Alſo fahren wir in das ander Land. Wir werden alle nackend geboren, Kein eigen Gut haben wir zware; Denn unſre Seele iſt ein Unterpfand, Ihr Werk findet ſie in dem andern Land. O Seele, o Seele, geiſtliche Kreature, Gott ſchuf dich ſelber nach ſeiner Figure; Was du haſt geſaͤet oder gepflanzt, Das ſollſt du erndten in dem andern Land. Das Beſte, des ich mich kann entſinnen, Das iſt Gott fuͤrchten und allzeit minnen; Das ſoll ſeyn unſrer Seele Gewand, So fahren wir ſicher in das ander Land. Wenn wir werden alt, krank und krumm, So waͤr es Zeit, daß wir uns ſaͤhen um; Und wenn uns entfaͤllt der Leckerzahn, So wollen wir bald in das ander Land. Ach Gott, wer ſoll unſer Geleitsmann ſeyn? Wir wiſſen ja nichts von unſrer Pein; Der Weg iſt fern und unbekannt, Den wir hinfahren in das ander Land. Nachdem als man beſchrieben findt, So iſt unſer Leben als der Wind; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0196" n="186"/> <lg n="16"> <l>Als wir ſind tod, wir moͤgen kriegen,</l><lb/> <l>Ein alt Leylach, darin wir liegen;</l><lb/> <l>Oder ein neue Kiſte bekannt,</l><lb/> <l>Alſo fahren wir in das ander Land.</l> </lg><lb/> <lg n="17"> <l>Wir werden alle nackend geboren,</l><lb/> <l>Kein eigen Gut haben wir zware;</l><lb/> <l>Denn unſre Seele iſt ein Unterpfand,</l><lb/> <l>Ihr Werk findet ſie in dem andern Land.</l> </lg><lb/> <lg n="18"> <l>O Seele, o Seele, geiſtliche Kreature,</l><lb/> <l>Gott ſchuf dich ſelber nach ſeiner Figure;</l><lb/> <l>Was du haſt geſaͤet oder gepflanzt,</l><lb/> <l>Das ſollſt du erndten in dem andern Land.</l> </lg><lb/> <lg n="19"> <l>Das Beſte, des ich mich kann entſinnen,</l><lb/> <l>Das iſt Gott fuͤrchten und allzeit minnen;</l><lb/> <l>Das ſoll ſeyn unſrer Seele Gewand,</l><lb/> <l>So fahren wir ſicher in das ander Land.</l> </lg><lb/> <lg n="20"> <l>Wenn wir werden alt, krank und krumm,</l><lb/> <l>So waͤr es Zeit, daß wir uns ſaͤhen um;</l><lb/> <l>Und wenn uns entfaͤllt der Leckerzahn,</l><lb/> <l>So wollen wir bald in das ander Land.</l> </lg><lb/> <lg n="21"> <l>Ach Gott, wer ſoll unſer Geleitsmann ſeyn?</l><lb/> <l>Wir wiſſen ja nichts von unſrer Pein;</l><lb/> <l>Der Weg iſt fern und unbekannt,</l><lb/> <l>Den wir hinfahren in das ander Land.</l> </lg><lb/> <lg n="22"> <l>Nachdem als man beſchrieben findt,</l><lb/> <l>So iſt unſer Leben als der Wind;</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [186/0196]
Als wir ſind tod, wir moͤgen kriegen,
Ein alt Leylach, darin wir liegen;
Oder ein neue Kiſte bekannt,
Alſo fahren wir in das ander Land.
Wir werden alle nackend geboren,
Kein eigen Gut haben wir zware;
Denn unſre Seele iſt ein Unterpfand,
Ihr Werk findet ſie in dem andern Land.
O Seele, o Seele, geiſtliche Kreature,
Gott ſchuf dich ſelber nach ſeiner Figure;
Was du haſt geſaͤet oder gepflanzt,
Das ſollſt du erndten in dem andern Land.
Das Beſte, des ich mich kann entſinnen,
Das iſt Gott fuͤrchten und allzeit minnen;
Das ſoll ſeyn unſrer Seele Gewand,
So fahren wir ſicher in das ander Land.
Wenn wir werden alt, krank und krumm,
So waͤr es Zeit, daß wir uns ſaͤhen um;
Und wenn uns entfaͤllt der Leckerzahn,
So wollen wir bald in das ander Land.
Ach Gott, wer ſoll unſer Geleitsmann ſeyn?
Wir wiſſen ja nichts von unſrer Pein;
Der Weg iſt fern und unbekannt,
Den wir hinfahren in das ander Land.
Nachdem als man beſchrieben findt,
So iſt unſer Leben als der Wind;
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Zitationshilfe: | Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808/196>, abgerufen am 27.07.2024. |