Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808.Mein Athem stöhnet wie ein Fichtenwald, Ein Unglückszeichen mein Gesang erschallt, Daß alle Nachbarn sich ergrimmen bald. Sie lärmen, nicht zu hören all mein Weh, Sie nehmen Umweg, daß mich keiner seh, Jezt fürcht ich nichts, war scheu sonst wie ein Reh. Wie von dem Ast im Traum ein Vogel fällt, So flattre ich des Nachts, so ungesellt; Ein Unglücksvogel nimmermehr gefällt! Was soll draus werden? fraget alle Welt. Was ist die Welt? Wer schuf sie unbestellt? Die schuf allein, die mich so sehr entstellt. Ich freu mich, wie mein Fleisch so schwinden thut, Mein festes Land zerreißt der Strom vom Blut, Der aus dem Herzen kommt und niemals ruht. O meine Thränen, keiner schätzet euch, Ihr seyd den Himmelsgaben darin gleich; An allem bin ich arm, in euch so reich. Abendstern. (Mündlich.) Schlaf nur ein geliebtes Leben, Schlaf, ich will ja gern zufrieden seyn, Deine lieben Augen geben Dennoch deinem Diener hellen Schein. Mein Athem ſtoͤhnet wie ein Fichtenwald, Ein Ungluͤckszeichen mein Geſang erſchallt, Daß alle Nachbarn ſich ergrimmen bald. Sie laͤrmen, nicht zu hoͤren all mein Weh, Sie nehmen Umweg, daß mich keiner ſeh, Jezt fuͤrcht ich nichts, war ſcheu ſonſt wie ein Reh. Wie von dem Aſt im Traum ein Vogel faͤllt, So flattre ich des Nachts, ſo ungeſellt; Ein Ungluͤcksvogel nimmermehr gefaͤllt! Was ſoll draus werden? fraget alle Welt. Was iſt die Welt? Wer ſchuf ſie unbeſtellt? Die ſchuf allein, die mich ſo ſehr entſtellt. Ich freu mich, wie mein Fleiſch ſo ſchwinden thut, Mein feſtes Land zerreißt der Strom vom Blut, Der aus dem Herzen kommt und niemals ruht. O meine Thraͤnen, keiner ſchaͤtzet euch, Ihr ſeyd den Himmelsgaben darin gleich; An allem bin ich arm, in euch ſo reich. Abendſtern. (Muͤndlich.) Schlaf nur ein geliebtes Leben, Schlaf, ich will ja gern zufrieden ſeyn, Deine lieben Augen geben Dennoch deinem Diener hellen Schein. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0017" n="7"/> <lg n="23"> <l>Mein Athem ſtoͤhnet wie ein Fichtenwald,</l><lb/> <l>Ein Ungluͤckszeichen mein Geſang erſchallt,</l><lb/> <l>Daß alle Nachbarn ſich ergrimmen bald.</l> </lg><lb/> <lg n="24"> <l>Sie laͤrmen, nicht zu hoͤren all mein Weh,</l><lb/> <l>Sie nehmen Umweg, daß mich keiner ſeh,</l><lb/> <l>Jezt fuͤrcht ich nichts, war ſcheu ſonſt wie ein Reh.</l> </lg><lb/> <lg n="25"> <l>Wie von dem Aſt im Traum ein Vogel faͤllt,</l><lb/> <l>So flattre ich des Nachts, ſo ungeſellt;</l><lb/> <l>Ein Ungluͤcksvogel nimmermehr gefaͤllt!</l> </lg><lb/> <lg n="26"> <l>Was ſoll draus werden? fraget alle Welt.</l><lb/> <l>Was iſt die Welt? Wer ſchuf ſie unbeſtellt?</l><lb/> <l>Die ſchuf allein, die mich ſo ſehr entſtellt.</l> </lg><lb/> <lg n="27"> <l>Ich freu mich, wie mein Fleiſch ſo ſchwinden thut,</l><lb/> <l>Mein feſtes Land zerreißt der Strom vom Blut,</l><lb/> <l>Der aus dem Herzen kommt und niemals ruht.</l> </lg><lb/> <lg n="28"> <l>O meine Thraͤnen, keiner ſchaͤtzet euch,</l><lb/> <l>Ihr ſeyd den Himmelsgaben darin gleich;</l><lb/> <l>An allem bin ich arm, in euch ſo reich.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Abendſtern</hi>.</head><lb/> <p rendition="#c">(Muͤndlich.)</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">S</hi>chlaf nur ein geliebtes Leben,</l><lb/> <l>Schlaf, ich will ja gern zufrieden ſeyn,</l><lb/> <l>Deine lieben Augen geben</l><lb/> <l>Dennoch deinem Diener hellen Schein.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [7/0017]
Mein Athem ſtoͤhnet wie ein Fichtenwald,
Ein Ungluͤckszeichen mein Geſang erſchallt,
Daß alle Nachbarn ſich ergrimmen bald.
Sie laͤrmen, nicht zu hoͤren all mein Weh,
Sie nehmen Umweg, daß mich keiner ſeh,
Jezt fuͤrcht ich nichts, war ſcheu ſonſt wie ein Reh.
Wie von dem Aſt im Traum ein Vogel faͤllt,
So flattre ich des Nachts, ſo ungeſellt;
Ein Ungluͤcksvogel nimmermehr gefaͤllt!
Was ſoll draus werden? fraget alle Welt.
Was iſt die Welt? Wer ſchuf ſie unbeſtellt?
Die ſchuf allein, die mich ſo ſehr entſtellt.
Ich freu mich, wie mein Fleiſch ſo ſchwinden thut,
Mein feſtes Land zerreißt der Strom vom Blut,
Der aus dem Herzen kommt und niemals ruht.
O meine Thraͤnen, keiner ſchaͤtzet euch,
Ihr ſeyd den Himmelsgaben darin gleich;
An allem bin ich arm, in euch ſo reich.
Abendſtern.
(Muͤndlich.)
Schlaf nur ein geliebtes Leben,
Schlaf, ich will ja gern zufrieden ſeyn,
Deine lieben Augen geben
Dennoch deinem Diener hellen Schein.
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Zitationshilfe: | Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808/17>, abgerufen am 26.02.2025. |