"O! Mutter lebet ewig wohl, "Euch seh ich nimmermehr!" Die Mutter weint entsetzlich: "Das laß ich nicht geschehen, "Du darfst mir nicht so plözlich "Aus deiner Heimath gehn."
O! Mutter, nein, ich muß von hier, Ist das nicht jämmerlich! "Mein Kind, ich weiß dir Rath dafür, "Verbergen will ich dich. "In meinem Taubenschlage, "Verberg ich dich mein Kind, "Bis deine Wandertage "Gesund vorüber sind."
Mein guter Schneider merkt sich dies, Und thut als ging er fort, Nahm kläglich Abschied und verließ Sich auf der Mutter Wort, Doch Abends nach der Glocke, Stellt er sich wieder ein, Und ritt auf einem Bocke Zum Taubenschlag hinein.
Da ging er, welch ein Wanderschaft, Im Schlage auf und ab, Und wartete bis ihm zur Kraft Die Mutter Nudeln gab, Beim Tag war er auf Reisen, Und auch in mancher Nacht,
„O! Mutter lebet ewig wohl, „Euch ſeh ich nimmermehr!“ Die Mutter weint entſetzlich: „Das laß ich nicht geſchehen, „Du darfſt mir nicht ſo ploͤzlich „Aus deiner Heimath gehn.“
O! Mutter, nein, ich muß von hier, Iſt das nicht jaͤmmerlich! „Mein Kind, ich weiß dir Rath dafuͤr, „Verbergen will ich dich. „In meinem Taubenſchlage, „Verberg ich dich mein Kind, „Bis deine Wandertage „Geſund voruͤber ſind.“
Mein guter Schneider merkt ſich dies, Und thut als ging er fort, Nahm klaͤglich Abſchied und verließ Sich auf der Mutter Wort, Doch Abends nach der Glocke, Stellt er ſich wieder ein, Und ritt auf einem Bocke Zum Taubenſchlag hinein.
Da ging er, welch ein Wanderſchaft, Im Schlage auf und ab, Und wartete bis ihm zur Kraft Die Mutter Nudeln gab, Beim Tag war er auf Reiſen, Und auch in mancher Nacht,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgtype="poem"><lgn="1"><pbfacs="#f0394"n="382"/><l>„O! Mutter lebet ewig wohl,</l><lb/><l>„Euch ſeh ich nimmermehr!“</l><lb/><l>Die Mutter weint entſetzlich:</l><lb/><l>„Das laß ich nicht geſchehen,</l><lb/><l>„Du darfſt mir nicht ſo ploͤzlich</l><lb/><l>„Aus deiner Heimath gehn.“</l></lg><lb/><lgn="2"><l>O! Mutter, nein, ich muß von hier,</l><lb/><l>Iſt das nicht jaͤmmerlich!</l><lb/><l>„Mein Kind, ich weiß dir Rath dafuͤr,</l><lb/><l>„Verbergen will ich dich.</l><lb/><l>„In meinem Taubenſchlage,</l><lb/><l>„Verberg ich dich mein Kind,</l><lb/><l>„Bis deine Wandertage</l><lb/><l>„Geſund voruͤber ſind.“</l></lg><lb/><lgn="3"><l>Mein guter Schneider merkt ſich dies,</l><lb/><l>Und thut als ging er fort,</l><lb/><l>Nahm klaͤglich Abſchied und verließ</l><lb/><l>Sich auf der Mutter Wort,</l><lb/><l>Doch Abends nach der Glocke,</l><lb/><l>Stellt er ſich wieder ein,</l><lb/><l>Und ritt auf einem Bocke</l><lb/><l>Zum Taubenſchlag hinein.</l></lg><lb/><lgn="4"><l>Da ging er, welch ein Wanderſchaft,</l><lb/><l>Im Schlage auf und ab,</l><lb/><l>Und wartete bis ihm zur Kraft</l><lb/><l>Die Mutter Nudeln gab,</l><lb/><l>Beim Tag war er auf Reiſen,</l><lb/><l>Und auch in mancher Nacht,</l><lb/></lg></lg></div></div></body></text></TEI>
[382/0394]
„O! Mutter lebet ewig wohl,
„Euch ſeh ich nimmermehr!“
Die Mutter weint entſetzlich:
„Das laß ich nicht geſchehen,
„Du darfſt mir nicht ſo ploͤzlich
„Aus deiner Heimath gehn.“
O! Mutter, nein, ich muß von hier,
Iſt das nicht jaͤmmerlich!
„Mein Kind, ich weiß dir Rath dafuͤr,
„Verbergen will ich dich.
„In meinem Taubenſchlage,
„Verberg ich dich mein Kind,
„Bis deine Wandertage
„Geſund voruͤber ſind.“
Mein guter Schneider merkt ſich dies,
Und thut als ging er fort,
Nahm klaͤglich Abſchied und verließ
Sich auf der Mutter Wort,
Doch Abends nach der Glocke,
Stellt er ſich wieder ein,
Und ritt auf einem Bocke
Zum Taubenſchlag hinein.
Da ging er, welch ein Wanderſchaft,
Im Schlage auf und ab,
Und wartete bis ihm zur Kraft
Die Mutter Nudeln gab,
Beim Tag war er auf Reiſen,
Und auch in mancher Nacht,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/394>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.