Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808.Tragödie. (Nach Joh. Georg Tibranns Narration von Wallfahrten. Constanz bey Ein Graf von frommem edlem Muth, An Sitten hochgeehrt und gut, Ging täglich in die Kirch zur Zeit, Von seiner Burg nicht sonder weit. Und einmal trug es sich da zu, Daß er sich niedersetzt in Ruh, Entschläft er betend vorm Altar Der Sankt Kathrina heilig war. Ein Jungfrau sah er vor sich stehn, Mit einer Krone blinkend schön, Wie Spinngeweb voll Himmelsthau Wenn Morgenlicht auf Rosen schaut, Von Demant schien es eine Laube, Voll Strahlen schien hindurch der Glaube. An ihrer Seite konnt er schauen Zwey schöne stehende Jungfrauen, Doch wie viel schöner die Gekrönte Aus tausend bunten Vögeln tönte. Der Jüngling fürcht sich vor dem Wunder, Er neigt sich, schlägt die Augen unter. Sie sprach: Da du doch edel bist, "Wie zeigst du dich unadelich, "Wir kommen darum, wie wir sollen, "Daß wir dich jezt ansehen wollen; "So deckst du deine Augen zu, "In dieser deiner müden Ruh, "Willt du dir ein Gemahl gern freyen, Tragoͤdie. (Nach Joh. Georg Tibranns Narration von Wallfahrten. Conſtanz bey Ein Graf von frommem edlem Muth, An Sitten hochgeehrt und gut, Ging taͤglich in die Kirch zur Zeit, Von ſeiner Burg nicht ſonder weit. Und einmal trug es ſich da zu, Daß er ſich niederſetzt in Ruh, Entſchlaͤft er betend vorm Altar Der Sankt Kathrina heilig war. Ein Jungfrau ſah er vor ſich ſtehn, Mit einer Krone blinkend ſchoͤn, Wie Spinngeweb voll Himmelsthau Wenn Morgenlicht auf Roſen ſchaut, Von Demant ſchien es eine Laube, Voll Strahlen ſchien hindurch der Glaube. An ihrer Seite konnt er ſchauen Zwey ſchoͤne ſtehende Jungfrauen, Doch wie viel ſchoͤner die Gekroͤnte Aus tauſend bunten Voͤgeln toͤnte. Der Juͤngling fuͤrcht ſich vor dem Wunder, Er neigt ſich, ſchlaͤgt die Augen unter. Sie ſprach: Da du doch edel biſt, „Wie zeigſt du dich unadelich, „Wir kommen darum, wie wir ſollen, „Daß wir dich jezt anſehen wollen; „So deckſt du deine Augen zu, „In dieſer deiner muͤden Ruh, „Willt du dir ein Gemahl gern freyen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb n="319" facs="#f0331"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Tragoͤdie</hi>.</head><lb/> <p rendition="#c">(Nach Joh. Georg Tibranns Narration von Wallfahrten. Conſtanz bey<lb/> Straub 1598.)</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">E</hi>in Graf von frommem edlem Muth,</l><lb/> <l>An Sitten hochgeehrt und gut,</l><lb/> <l>Ging taͤglich in die Kirch zur Zeit,</l><lb/> <l>Von ſeiner Burg nicht ſonder weit.</l><lb/> <l>Und einmal trug es ſich da zu,</l><lb/> <l>Daß er ſich niederſetzt in Ruh,</l><lb/> <l>Entſchlaͤft er betend vorm Altar</l><lb/> <l>Der Sankt Kathrina heilig war.</l><lb/> <l>Ein Jungfrau ſah er vor ſich ſtehn,</l><lb/> <l>Mit einer Krone blinkend ſchoͤn,</l><lb/> <l>Wie Spinngeweb voll Himmelsthau</l><lb/> <l>Wenn Morgenlicht auf Roſen ſchaut,</l><lb/> <l>Von Demant ſchien es eine Laube,</l><lb/> <l>Voll Strahlen ſchien hindurch der Glaube.</l><lb/> <l>An ihrer Seite konnt er ſchauen</l><lb/> <l>Zwey ſchoͤne ſtehende Jungfrauen,</l><lb/> <l>Doch wie viel ſchoͤner die Gekroͤnte</l><lb/> <l>Aus tauſend bunten Voͤgeln toͤnte.</l><lb/> <l>Der Juͤngling fuͤrcht ſich vor dem Wunder,</l><lb/> <l>Er neigt ſich, ſchlaͤgt die Augen unter.</l><lb/> <l>Sie ſprach: Da du doch edel biſt,</l><lb/> <l>„Wie zeigſt du dich unadelich,</l><lb/> <l>„Wir kommen darum, wie wir ſollen,</l><lb/> <l>„Daß wir dich jezt anſehen wollen;</l><lb/> <l>„So deckſt du deine Augen zu,</l><lb/> <l>„In dieſer deiner muͤden Ruh,</l><lb/> <l>„Willt du dir ein Gemahl gern freyen,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [319/0331]
Tragoͤdie.
(Nach Joh. Georg Tibranns Narration von Wallfahrten. Conſtanz bey
Straub 1598.)
Ein Graf von frommem edlem Muth,
An Sitten hochgeehrt und gut,
Ging taͤglich in die Kirch zur Zeit,
Von ſeiner Burg nicht ſonder weit.
Und einmal trug es ſich da zu,
Daß er ſich niederſetzt in Ruh,
Entſchlaͤft er betend vorm Altar
Der Sankt Kathrina heilig war.
Ein Jungfrau ſah er vor ſich ſtehn,
Mit einer Krone blinkend ſchoͤn,
Wie Spinngeweb voll Himmelsthau
Wenn Morgenlicht auf Roſen ſchaut,
Von Demant ſchien es eine Laube,
Voll Strahlen ſchien hindurch der Glaube.
An ihrer Seite konnt er ſchauen
Zwey ſchoͤne ſtehende Jungfrauen,
Doch wie viel ſchoͤner die Gekroͤnte
Aus tauſend bunten Voͤgeln toͤnte.
Der Juͤngling fuͤrcht ſich vor dem Wunder,
Er neigt ſich, ſchlaͤgt die Augen unter.
Sie ſprach: Da du doch edel biſt,
„Wie zeigſt du dich unadelich,
„Wir kommen darum, wie wir ſollen,
„Daß wir dich jezt anſehen wollen;
„So deckſt du deine Augen zu,
„In dieſer deiner muͤden Ruh,
„Willt du dir ein Gemahl gern freyen,
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Zitationshilfe: | Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/331>, abgerufen am 03.03.2025. |