Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808.Und da der Reiche begraben ward, Saß er in großer Hitze, Sah er seinen herzgeliebten Bruder, In der ewigen Freude sitzen. Ach Bruder herzliebster Bruder mein, Reich mir ein Tröpflein Wasser, Wohl auf meine Zunge, wohl auf meinen Mund, Das mich erquicken möge. Ach Bruder, herzliebster Bruder mein, Kein Tröpflein soll dir werden, Du hast den Armen das Brod versagt, Hasts Hunden und Schweinen gegeben. Hab ich den Armen das Brod versagt, Habs Hunden und Schweinen gegeben, Mein großes Gut trieb Uebermuth, Kann es nicht mit mir nehmen. Wenn Berg und Thal aufeinander ständ, Viel lieber wollt ich sie tragen, Als daß ich soll stehn vor dem jüngsten Gericht, Soll alle meine Sünden beklagen. Und käm alle Jahr ein Vögelein, Und nähm nur ein Schnäblein voll Erden, So wollt ich doch die Hoffnung haben, Daß ich könnt seelig werden. Amen, Amen, steht auch dabei, Gott helf uns allen zusammen, Wohl hier und dort aus aller Noth, Durch Jesum Christum Amen. Und da der Reiche begraben ward, Saß er in großer Hitze, Sah er ſeinen herzgeliebten Bruder, In der ewigen Freude ſitzen. Ach Bruder herzliebſter Bruder mein, Reich mir ein Troͤpflein Waſſer, Wohl auf meine Zunge, wohl auf meinen Mund, Das mich erquicken moͤge. Ach Bruder, herzliebſter Bruder mein, Kein Troͤpflein ſoll dir werden, Du haſt den Armen das Brod verſagt, Haſts Hunden und Schweinen gegeben. Hab ich den Armen das Brod verſagt, Habs Hunden und Schweinen gegeben, Mein großes Gut trieb Uebermuth, Kann es nicht mit mir nehmen. Wenn Berg und Thal aufeinander ſtaͤnd, Viel lieber wollt ich ſie tragen, Als daß ich ſoll ſtehn vor dem juͤngſten Gericht, Soll alle meine Suͤnden beklagen. Und kaͤm alle Jahr ein Voͤgelein, Und naͤhm nur ein Schnaͤblein voll Erden, So wollt ich doch die Hoffnung haben, Daß ich koͤnnt ſeelig werden. Amen, Amen, ſteht auch dabei, Gott helf uns allen zuſammen, Wohl hier und dort aus aller Noth, Durch Jeſum Chriſtum Amen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0232" n="220"/> <lg n="2"> <l>Und da der Reiche begraben ward,</l><lb/> <l>Saß er in großer Hitze,</l><lb/> <l>Sah er ſeinen herzgeliebten Bruder,</l><lb/> <l>In der ewigen Freude ſitzen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Ach Bruder herzliebſter Bruder mein,</l><lb/> <l>Reich mir ein Troͤpflein Waſſer,</l><lb/> <l>Wohl auf meine Zunge, wohl auf meinen Mund,</l><lb/> <l>Das mich erquicken moͤge.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Ach Bruder, herzliebſter Bruder mein,</l><lb/> <l>Kein Troͤpflein ſoll dir werden,</l><lb/> <l>Du haſt den Armen das Brod verſagt,</l><lb/> <l>Haſts Hunden und Schweinen gegeben.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Hab ich den Armen das Brod verſagt,</l><lb/> <l>Habs Hunden und Schweinen gegeben,</l><lb/> <l>Mein großes Gut trieb Uebermuth,</l><lb/> <l>Kann es nicht mit mir nehmen.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Wenn Berg und Thal aufeinander ſtaͤnd,</l><lb/> <l>Viel lieber wollt ich ſie tragen,</l><lb/> <l>Als daß ich ſoll ſtehn vor dem juͤngſten Gericht,</l><lb/> <l>Soll alle meine Suͤnden beklagen.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Und kaͤm alle Jahr ein Voͤgelein,</l><lb/> <l>Und naͤhm nur ein Schnaͤblein voll Erden,</l><lb/> <l>So wollt ich doch die Hoffnung haben,</l><lb/> <l>Daß ich koͤnnt ſeelig werden.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Amen, Amen, ſteht auch dabei,</l><lb/> <l>Gott helf uns allen zuſammen,</l><lb/> <l>Wohl hier und dort aus aller Noth,</l><lb/> <l>Durch Jeſum Chriſtum Amen.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [220/0232]
Und da der Reiche begraben ward,
Saß er in großer Hitze,
Sah er ſeinen herzgeliebten Bruder,
In der ewigen Freude ſitzen.
Ach Bruder herzliebſter Bruder mein,
Reich mir ein Troͤpflein Waſſer,
Wohl auf meine Zunge, wohl auf meinen Mund,
Das mich erquicken moͤge.
Ach Bruder, herzliebſter Bruder mein,
Kein Troͤpflein ſoll dir werden,
Du haſt den Armen das Brod verſagt,
Haſts Hunden und Schweinen gegeben.
Hab ich den Armen das Brod verſagt,
Habs Hunden und Schweinen gegeben,
Mein großes Gut trieb Uebermuth,
Kann es nicht mit mir nehmen.
Wenn Berg und Thal aufeinander ſtaͤnd,
Viel lieber wollt ich ſie tragen,
Als daß ich ſoll ſtehn vor dem juͤngſten Gericht,
Soll alle meine Suͤnden beklagen.
Und kaͤm alle Jahr ein Voͤgelein,
Und naͤhm nur ein Schnaͤblein voll Erden,
So wollt ich doch die Hoffnung haben,
Daß ich koͤnnt ſeelig werden.
Amen, Amen, ſteht auch dabei,
Gott helf uns allen zuſammen,
Wohl hier und dort aus aller Noth,
Durch Jeſum Chriſtum Amen.
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Zitationshilfe: | Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/232>, abgerufen am 16.07.2024. |