Dadurch schien ihr die Sonnen, Da überm kühlen Bronnen.
Wär ich die Sonn, wär ich der Mond, Ich bliebe auch, wo Liebe wohnt; Ich wär mit leisen Tritten, Wohl um Feinslieb geschritten.
Die Nonne.
Mündlich.
Stund ich auf hohen Bergen Und sah wohl über den Rhein, Ein Schifflein sah ich fahren, Der Ritter waren drey,
Der jüngste, der darunter war, Das war ein Grafensohn, Hätt' mir die Eh versprochen, So jung als er noch war.
Er that von seinem Finger herab, Ein Ringlein von Golde so roth: "Nimm hin, du Hübsche, du Feine, "Trag ihn nach meinem Tod!"
"Was soll ich mit dem Ringlein thun, "Wenn ichs nicht tragen darf?" "Ey sag, du hasts gefunden, "Draussen im grünen Gras;"
Dadurch ſchien ihr die Sonnen, Da uͤberm kuͤhlen Bronnen.
Waͤr ich die Sonn, waͤr ich der Mond, Ich bliebe auch, wo Liebe wohnt; Ich waͤr mit leiſen Tritten, Wohl um Feinslieb geſchritten.
Die Nonne.
Muͤndlich.
Stund ich auf hohen Bergen Und ſah wohl uͤber den Rhein, Ein Schifflein ſah ich fahren, Der Ritter waren drey,
Der juͤngſte, der darunter war, Das war ein Grafenſohn, Haͤtt' mir die Eh verſprochen, So jung als er noch war.
Er that von ſeinem Finger herab, Ein Ringlein von Golde ſo roth: „Nimm hin, du Huͤbſche, du Feine, „Trag ihn nach meinem Tod!“
„Was ſoll ich mit dem Ringlein thun, „Wenn ichs nicht tragen darf?“ „Ey ſag, du haſts gefunden, „Drauſſen im gruͤnen Gras;“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgtype="poem"><lgn="3"><pbfacs="#f0079"n="70"/><l>Dadurch ſchien ihr die Sonnen,</l><lb/><l>Da uͤberm kuͤhlen Bronnen.</l></lg><lb/><lgn="4"><l>Waͤr ich die Sonn, waͤr ich der Mond,</l><lb/><l>Ich bliebe auch, wo Liebe wohnt;</l><lb/><l>Ich waͤr mit leiſen Tritten,</l><lb/><l>Wohl um Feinslieb geſchritten.</l></lg></lg></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head><hirendition="#g">Die Nonne</hi>.</head><lb/><prendition="#c">Muͤndlich.</p><lb/><lgtype="poem"><lgn="1"><l><hirendition="#in">S</hi>tund ich auf hohen Bergen</l><lb/><l>Und ſah wohl uͤber den Rhein,</l><lb/><l>Ein Schifflein ſah ich fahren,</l><lb/><l>Der Ritter waren drey,</l></lg><lb/><lgn="2"><l>Der juͤngſte, der darunter war,</l><lb/><l>Das war ein Grafenſohn,</l><lb/><l>Haͤtt' mir die Eh verſprochen,</l><lb/><l>So jung als er noch war.</l></lg><lb/><lgn="3"><l>Er that von ſeinem Finger herab,</l><lb/><l>Ein Ringlein von Golde ſo roth:</l><lb/><l>„Nimm hin, du Huͤbſche, du Feine,</l><lb/><l>„Trag ihn nach meinem Tod!“</l></lg><lb/><lgn="4"><l>„Was ſoll ich mit dem Ringlein thun,</l><lb/><l>„Wenn ichs nicht tragen darf?“</l><lb/><l>„Ey ſag, du haſts gefunden,</l><lb/><l>„Drauſſen im gruͤnen Gras;“</l></lg><lb/></lg></div></div></body></text></TEI>
[70/0079]
Dadurch ſchien ihr die Sonnen,
Da uͤberm kuͤhlen Bronnen.
Waͤr ich die Sonn, waͤr ich der Mond,
Ich bliebe auch, wo Liebe wohnt;
Ich waͤr mit leiſen Tritten,
Wohl um Feinslieb geſchritten.
Die Nonne.
Muͤndlich.
Stund ich auf hohen Bergen
Und ſah wohl uͤber den Rhein,
Ein Schifflein ſah ich fahren,
Der Ritter waren drey,
Der juͤngſte, der darunter war,
Das war ein Grafenſohn,
Haͤtt' mir die Eh verſprochen,
So jung als er noch war.
Er that von ſeinem Finger herab,
Ein Ringlein von Golde ſo roth:
„Nimm hin, du Huͤbſche, du Feine,
„Trag ihn nach meinem Tod!“
„Was ſoll ich mit dem Ringlein thun,
„Wenn ichs nicht tragen darf?“
„Ey ſag, du haſts gefunden,
„Drauſſen im gruͤnen Gras;“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/79>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.