Bekränzen sie zur Zeit, All Volk sucht Freud und Blumen, Mit Reisen fern und weit.
Kennst du das Land wo die Zitronen blühen? Italien ist entdeckt, wo der Wein reift an allen Orten. Und als ich im mittelländischen Meere schiffte, der Schiffer sein Lied sang auf alles, was uns traf, Windstille und Seekrankheit, bis ihm der Sturm das Lied von der Lippe blies, da floß der Rhein. Ganz besonders ist es aber der Rhein, wenn sich die Winzer zur schönsten aller Ernten im alten Zauberschlosse der Gisella, Nachts versammeln, da flammt der Heerd, die Gesänge schallen, der Boden bebt vom Tanz:
Da droben am Hügel Wo die Nachtigal singt, Da tanzt der Einsiedel, Daß die Kutt in die Höh springt.
Viele der Singweisen deuten auf einen untergegangenen Tanz, wie die Trümmer des Schlosses auf eine Zauberformel deuten, die einmal hervortreten wird, wenn sie getroffen und gelöst. Durch die lustige Schaar der Winzer zieht dann wohl ein Frankfurter mit der Guitarre, sie sammeln sich um ihn, sie staunen dem König von Tule, der Becher stürzt in den Rhein, der Ernst ihres Lebens wird ihnen klar, wie wir klar sehen in wunderbaren Gedanken durch dunkle Nacht. -- Wo Deutschland sich wiedergebiert, wer kann es sagen, wer es in sich trägt, der fühlt es mächtig sich regen. -- Als wenn ein schweres Fieber sich löst in Durst, und wir träumen das lang- gewachsene Haar in die Erde zu pflanzen, und es schlägt grün aus und bildet über uns ein Laubdach voll Blumen, die schönen weichen den späten schöneren, so scheint in diesen Liedern die Gesundheit künftiger Zeit uns zu begrüßen. Es giebt oft Bil-
Bekraͤnzen ſie zur Zeit, All Volk ſucht Freud und Blumen, Mit Reiſen fern und weit.
Kennſt du das Land wo die Zitronen bluͤhen? Italien iſt entdeckt, wo der Wein reift an allen Orten. Und als ich im mittellaͤndiſchen Meere ſchiffte, der Schiffer ſein Lied ſang auf alles, was uns traf, Windſtille und Seekrankheit, bis ihm der Sturm das Lied von der Lippe blies, da floß der Rhein. Ganz beſonders iſt es aber der Rhein, wenn ſich die Winzer zur ſchoͤnſten aller Ernten im alten Zauberſchloſſe der Giſella, Nachts verſammeln, da flammt der Heerd, die Geſaͤnge ſchallen, der Boden bebt vom Tanz:
Da droben am Huͤgel Wo die Nachtigal ſingt, Da tanzt der Einſiedel, Daß die Kutt in die Hoͤh ſpringt.
Viele der Singweiſen deuten auf einen untergegangenen Tanz, wie die Truͤmmer des Schloſſes auf eine Zauberformel deuten, die einmal hervortreten wird, wenn ſie getroffen und geloͤſt. Durch die luſtige Schaar der Winzer zieht dann wohl ein Frankfurter mit der Guitarre, ſie ſammeln ſich um ihn, ſie ſtaunen dem Koͤnig von Tule, der Becher ſtuͤrzt in den Rhein, der Ernſt ihres Lebens wird ihnen klar, wie wir klar ſehen in wunderbaren Gedanken durch dunkle Nacht. — Wo Deutſchland ſich wiedergebiert, wer kann es ſagen, wer es in ſich traͤgt, der fuͤhlt es maͤchtig ſich regen. — Als wenn ein ſchweres Fieber ſich loͤſt in Durſt, und wir traͤumen das lang- gewachſene Haar in die Erde zu pflanzen, und es ſchlaͤgt gruͤn aus und bildet uͤber uns ein Laubdach voll Blumen, die ſchoͤnen weichen den ſpaͤten ſchoͤneren, ſo ſcheint in dieſen Liedern die Geſundheit kuͤnftiger Zeit uns zu begruͤßen. Es giebt oft Bil-
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[458[468]/0477]
Bekraͤnzen ſie zur Zeit,
All Volk ſucht Freud und Blumen,
Mit Reiſen fern und weit.
Kennſt du das Land wo die Zitronen bluͤhen? Italien iſt
entdeckt, wo der Wein reift an allen Orten. Und als ich im
mittellaͤndiſchen Meere ſchiffte, der Schiffer ſein Lied ſang auf
alles, was uns traf, Windſtille und Seekrankheit, bis ihm der
Sturm das Lied von der Lippe blies, da floß der Rhein. Ganz
beſonders iſt es aber der Rhein, wenn ſich die Winzer zur
ſchoͤnſten aller Ernten im alten Zauberſchloſſe der Giſella, Nachts
verſammeln, da flammt der Heerd, die Geſaͤnge ſchallen, der
Boden bebt vom Tanz:
Da droben am Huͤgel
Wo die Nachtigal ſingt,
Da tanzt der Einſiedel,
Daß die Kutt in die Hoͤh ſpringt.
Viele der Singweiſen deuten auf einen untergegangenen
Tanz, wie die Truͤmmer des Schloſſes auf eine Zauberformel
deuten, die einmal hervortreten wird, wenn ſie getroffen und
geloͤſt. Durch die luſtige Schaar der Winzer zieht dann wohl
ein Frankfurter mit der Guitarre, ſie ſammeln ſich um ihn,
ſie ſtaunen dem Koͤnig von Tule, der Becher ſtuͤrzt in den
Rhein, der Ernſt ihres Lebens wird ihnen klar, wie wir klar
ſehen in wunderbaren Gedanken durch dunkle Nacht. — Wo
Deutſchland ſich wiedergebiert, wer kann es ſagen, wer es in
ſich traͤgt, der fuͤhlt es maͤchtig ſich regen. — Als wenn ein
ſchweres Fieber ſich loͤſt in Durſt, und wir traͤumen das lang-
gewachſene Haar in die Erde zu pflanzen, und es ſchlaͤgt gruͤn
aus und bildet uͤber uns ein Laubdach voll Blumen, die ſchoͤnen
weichen den ſpaͤten ſchoͤneren, ſo ſcheint in dieſen Liedern die
Geſundheit kuͤnftiger Zeit uns zu begruͤßen. Es giebt oft Bil-
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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 458[468]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/477>, abgerufen am 22.11.2024.
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