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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806.

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die wir verstoßen und verfolgt haben: Durch so viel Liebe konn-
ten sie keine Heimath erwerben! --

Auch die hellen Triangel der Böhmischen Bergleute klingen
den Kindern nicht mehr, am Leitbande darnach zu treten: die
treuen heilgen Drey Könige begrüßen sie nicht mehr! -- Aber
was rede ich von Kindern, während die Politiker zehnmal in
einer Viertelstunde zwischen Aufklärung und Verfinsterung die
Welt wenden lassen, weil es in ihre Köpfe aus allen Ecken
hineinbläst, den alten Staub zu heben und wegzutreiben, viel-
leicht ist in der Zeit anders geschehen, was nicht bemerkt wurde,
eben weil es geschah? -- Das Wandern der Handwerker wird
beschränkt, wenigstens verkümmert, der Kriegsdienst in fremdem
Lande hört ganz auf, den Studenten sucht man ihre Weisheit allent-
halben im Vaterlande auszumitteln und zwingt sie voraus darin zu
bleiben, während es gerade das höchste Verdienst freyer Jahre, das
Fremde in ganzer Kraft zu empfangen, das Einheimische damit aus
zugleichen. Dafür wird dem Landmann gelehrt, was er nicht
braucht, Schreiben, Lesen, Rechnen, da er wenig Gutes mehr
zu lesen, nichts aufzuschreiben, noch weniger zu berechnen hat.
In der Stadt macht die körperliche Uebung drückender geisti-
ger Anstrengung Platz, um Kinder in die Plätze der Männer
einzuschieben. Es mag verkehrt seyn *), wie zuweilen die Alten

*) Wenn ich es verkehrt kenne, wie die Alten in vielen Schulen betrieben,
so ist es meine Erfahrung. An allem Orten des Altdeutschen war nichts,
des Lateins zu viel, des Griechischen zu wenig. Verkehrt nenne ich der
Annäherung Schulen nationale Geschichte, das Eigenste des Volks den
Alten nachzubilden, da doch diese nur wegen dieser erschöpfenden Natio-
nalität vortrefflich sind. Bis jetzt sind unsre Chroniken unsre einzigen Hi-
storiker, alle andern in conventioneller Ziererey und Ansicht versunken, und
diese werden in Schulen ebenso wenig zugelassen, als die nationalen epi-
schen Gedichte, ja es möchte den meisten Schulmännern sehr wunderlich
noch vorkommen, wenn ich ihnen die Volkslieder als lehrreicher zur Dekla-

die wir verſtoßen und verfolgt haben: Durch ſo viel Liebe konn-
ten ſie keine Heimath erwerben! —

Auch die hellen Triangel der Boͤhmiſchen Bergleute klingen
den Kindern nicht mehr, am Leitbande darnach zu treten: die
treuen heilgen Drey Koͤnige begruͤßen ſie nicht mehr! — Aber
was rede ich von Kindern, waͤhrend die Politiker zehnmal in
einer Viertelſtunde zwiſchen Aufklaͤrung und Verfinſterung die
Welt wenden laſſen, weil es in ihre Koͤpfe aus allen Ecken
hineinblaͤſt, den alten Staub zu heben und wegzutreiben, viel-
leicht iſt in der Zeit anders geſchehen, was nicht bemerkt wurde,
eben weil es geſchah? — Das Wandern der Handwerker wird
beſchraͤnkt, wenigſtens verkuͤmmert, der Kriegsdienſt in fremdem
Lande hoͤrt ganz auf, den Studenten ſucht man ihre Weisheit allent-
halben im Vaterlande auszumitteln und zwingt ſie voraus darin zu
bleiben, waͤhrend es gerade das hoͤchſte Verdienſt freyer Jahre, das
Fremde in ganzer Kraft zu empfangen, das Einheimiſche damit aus
zugleichen. Dafuͤr wird dem Landmann gelehrt, was er nicht
braucht, Schreiben, Leſen, Rechnen, da er wenig Gutes mehr
zu leſen, nichts aufzuſchreiben, noch weniger zu berechnen hat.
In der Stadt macht die koͤrperliche Uebung druͤckender geiſti-
ger Anſtrengung Platz, um Kinder in die Plaͤtze der Maͤnner
einzuſchieben. Es mag verkehrt ſeyn *), wie zuweilen die Alten

*) Wenn ich es verkehrt kenne, wie die Alten in vielen Schulen betrieben,
ſo iſt es meine Erfahrung. An allem Orten des Altdeutſchen war nichts,
des Lateins zu viel, des Griechiſchen zu wenig. Verkehrt nenne ich der
Annaͤherung Schulen nationale Geſchichte, das Eigenſte des Volks den
Alten nachzubilden, da doch dieſe nur wegen dieſer erſchoͤpfenden Natio-
nalitaͤt vortrefflich ſind. Bis jetzt ſind unſre Chroniken unſre einzigen Hi-
ſtoriker, alle andern in conventioneller Ziererey und Anſicht verſunken, und
dieſe werden in Schulen ebenſo wenig zugelaſſen, als die nationalen epi-
ſchen Gedichte, ja es moͤchte den meiſten Schulmaͤnnern ſehr wunderlich
noch vorkommen, wenn ich ihnen die Volkslieder als lehrreicher zur Dekla-
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[442[452]/0461] die wir verſtoßen und verfolgt haben: Durch ſo viel Liebe konn- ten ſie keine Heimath erwerben! — Auch die hellen Triangel der Boͤhmiſchen Bergleute klingen den Kindern nicht mehr, am Leitbande darnach zu treten: die treuen heilgen Drey Koͤnige begruͤßen ſie nicht mehr! — Aber was rede ich von Kindern, waͤhrend die Politiker zehnmal in einer Viertelſtunde zwiſchen Aufklaͤrung und Verfinſterung die Welt wenden laſſen, weil es in ihre Koͤpfe aus allen Ecken hineinblaͤſt, den alten Staub zu heben und wegzutreiben, viel- leicht iſt in der Zeit anders geſchehen, was nicht bemerkt wurde, eben weil es geſchah? — Das Wandern der Handwerker wird beſchraͤnkt, wenigſtens verkuͤmmert, der Kriegsdienſt in fremdem Lande hoͤrt ganz auf, den Studenten ſucht man ihre Weisheit allent- halben im Vaterlande auszumitteln und zwingt ſie voraus darin zu bleiben, waͤhrend es gerade das hoͤchſte Verdienſt freyer Jahre, das Fremde in ganzer Kraft zu empfangen, das Einheimiſche damit aus zugleichen. Dafuͤr wird dem Landmann gelehrt, was er nicht braucht, Schreiben, Leſen, Rechnen, da er wenig Gutes mehr zu leſen, nichts aufzuſchreiben, noch weniger zu berechnen hat. In der Stadt macht die koͤrperliche Uebung druͤckender geiſti- ger Anſtrengung Platz, um Kinder in die Plaͤtze der Maͤnner einzuſchieben. Es mag verkehrt ſeyn *), wie zuweilen die Alten *) Wenn ich es verkehrt kenne, wie die Alten in vielen Schulen betrieben, ſo iſt es meine Erfahrung. An allem Orten des Altdeutſchen war nichts, des Lateins zu viel, des Griechiſchen zu wenig. Verkehrt nenne ich der Annaͤherung Schulen nationale Geſchichte, das Eigenſte des Volks den Alten nachzubilden, da doch dieſe nur wegen dieſer erſchoͤpfenden Natio- nalitaͤt vortrefflich ſind. Bis jetzt ſind unſre Chroniken unſre einzigen Hi- ſtoriker, alle andern in conventioneller Ziererey und Anſicht verſunken, und dieſe werden in Schulen ebenſo wenig zugelaſſen, als die nationalen epi- ſchen Gedichte, ja es moͤchte den meiſten Schulmaͤnnern ſehr wunderlich noch vorkommen, wenn ich ihnen die Volkslieder als lehrreicher zur Dekla-

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 442[452]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/461>, abgerufen am 22.11.2024.