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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806.

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wäre solche Lust etwas für sich, ohne die, welche sie hören, als
wären sie Meistergilden wie jene Alten *). Neue Feste konnten
unter den Umständen so wenig als neue Sprüchwörter allgemein
werden, die Roheit äußerte ihr überflüßiges Leben in privilegir-
ter Unzucht. Freude und Geist blieben in einzelnen Kreisen ver-
schlossen, ein Spott gegen die andern und selbst verspottet; die
bestehenden öffentlichen Vergnügen, Maskenbälle, Vogelschießen,
Einzüge wurden meistens antheillosere Formen, wie alte heili-
ge Christbäume armer Familien, immer wieder beleuchtet,
immer dürrer in Blättern. Die Volkslehrer, statt in der Reli-
gion zu erheben, was Lust des Lebens war und werden konnte,
erhoben schon früh gegen Tanz und Sang ihre Stimme: wo sie
durchdrangen zur Verodung des Lebens und zu dessen heimlicher
Versündigung, wo sie überschrieen, zum Schimpf der Religion.
Der Nährstand, der einzig lebende, wollte thätige Hände, wollte
Fabriken, wollte Menschen die Fabrikate zu tragen, ihm waren
die Feste zu lange Ausrufungszeichen, und Gedankenstriche, ein
Komma meinte der, hätte es auch wohl gethan. Noch mehr,
seine Bedürftigkeit wurde den andern Ständen Gesetz (sie musten
alle zur Gesellschaft mediziniren), weil der Nährstand eines
festen Hauses bedarf, so wurde jeder als Taugenichts verbannt,
der umherschwärmte in unbestimmtem Geschäfte, als wenn dem
Staate und der Welt nicht gerade diese schwärmenden Lands-
knechte und irrenden Ritter, diese ewige Völkerwanderung ohne
Grenzverrückung, diese wandernde Universität und Kunstverbrü-
derung zu seinen besten schwierigsten Unternehmungen allein

*) Sie tragen viele vortreffliche Instrumente bey sich, warum verachten sie
Landesinstrumente, wie den Dudelsack: den Hochländern nahm man
das Schwerdt, weil sie gewöhnlich das Gewehr w[e]gwarfen und damit
fochten, auf den Schiffen weiß man es jezt wieder zu gebrauchen.

waͤre ſolche Luſt etwas fuͤr ſich, ohne die, welche ſie hoͤren, als
waͤren ſie Meiſtergilden wie jene Alten *). Neue Feſte konnten
unter den Umſtaͤnden ſo wenig als neue Spruͤchwoͤrter allgemein
werden, die Roheit aͤußerte ihr uͤberfluͤßiges Leben in privilegir-
ter Unzucht. Freude und Geiſt blieben in einzelnen Kreiſen ver-
ſchloſſen, ein Spott gegen die andern und ſelbſt verſpottet; die
beſtehenden oͤffentlichen Vergnuͤgen, Maskenbaͤlle, Vogelſchießen,
Einzuͤge wurden meiſtens antheilloſere Formen, wie alte heili-
ge Chriſtbaͤume armer Familien, immer wieder beleuchtet,
immer duͤrrer in Blaͤttern. Die Volkslehrer, ſtatt in der Reli-
gion zu erheben, was Luſt des Lebens war und werden konnte,
erhoben ſchon fruͤh gegen Tanz und Sang ihre Stimme: wo ſie
durchdrangen zur Verodung des Lebens und zu deſſen heimlicher
Verſuͤndigung, wo ſie uͤberſchrieen, zum Schimpf der Religion.
Der Naͤhrſtand, der einzig lebende, wollte thaͤtige Haͤnde, wollte
Fabriken, wollte Menſchen die Fabrikate zu tragen, ihm waren
die Feſte zu lange Ausrufungszeichen, und Gedankenſtriche, ein
Komma meinte der, haͤtte es auch wohl gethan. Noch mehr,
ſeine Beduͤrftigkeit wurde den andern Staͤnden Geſetz (ſie muſten
alle zur Geſellſchaft mediziniren), weil der Naͤhrſtand eines
feſten Hauſes bedarf, ſo wurde jeder als Taugenichts verbannt,
der umherſchwaͤrmte in unbeſtimmtem Geſchaͤfte, als wenn dem
Staate und der Welt nicht gerade dieſe ſchwaͤrmenden Lands-
knechte und irrenden Ritter, dieſe ewige Voͤlkerwanderung ohne
Grenzverruͤckung, dieſe wandernde Univerſitaͤt und Kunſtverbruͤ-
derung zu ſeinen beſten ſchwierigſten Unternehmungen allein

*) Sie tragen viele vortreffliche Inſtrumente bey ſich, warum verachten ſie
Landesinſtrumente, wie den Dudelſack: den Hochlaͤndern nahm man
das Schwerdt, weil ſie gewoͤhnlich das Gewehr w[e]gwarfen und damit
fochten, auf den Schiffen weiß man es jezt wieder zu gebrauchen.
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[440[450]/0459] waͤre ſolche Luſt etwas fuͤr ſich, ohne die, welche ſie hoͤren, als waͤren ſie Meiſtergilden wie jene Alten *). Neue Feſte konnten unter den Umſtaͤnden ſo wenig als neue Spruͤchwoͤrter allgemein werden, die Roheit aͤußerte ihr uͤberfluͤßiges Leben in privilegir- ter Unzucht. Freude und Geiſt blieben in einzelnen Kreiſen ver- ſchloſſen, ein Spott gegen die andern und ſelbſt verſpottet; die beſtehenden oͤffentlichen Vergnuͤgen, Maskenbaͤlle, Vogelſchießen, Einzuͤge wurden meiſtens antheilloſere Formen, wie alte heili- ge Chriſtbaͤume armer Familien, immer wieder beleuchtet, immer duͤrrer in Blaͤttern. Die Volkslehrer, ſtatt in der Reli- gion zu erheben, was Luſt des Lebens war und werden konnte, erhoben ſchon fruͤh gegen Tanz und Sang ihre Stimme: wo ſie durchdrangen zur Verodung des Lebens und zu deſſen heimlicher Verſuͤndigung, wo ſie uͤberſchrieen, zum Schimpf der Religion. Der Naͤhrſtand, der einzig lebende, wollte thaͤtige Haͤnde, wollte Fabriken, wollte Menſchen die Fabrikate zu tragen, ihm waren die Feſte zu lange Ausrufungszeichen, und Gedankenſtriche, ein Komma meinte der, haͤtte es auch wohl gethan. Noch mehr, ſeine Beduͤrftigkeit wurde den andern Staͤnden Geſetz (ſie muſten alle zur Geſellſchaft mediziniren), weil der Naͤhrſtand eines feſten Hauſes bedarf, ſo wurde jeder als Taugenichts verbannt, der umherſchwaͤrmte in unbeſtimmtem Geſchaͤfte, als wenn dem Staate und der Welt nicht gerade dieſe ſchwaͤrmenden Lands- knechte und irrenden Ritter, dieſe ewige Voͤlkerwanderung ohne Grenzverruͤckung, dieſe wandernde Univerſitaͤt und Kunſtverbruͤ- derung zu ſeinen beſten ſchwierigſten Unternehmungen allein *) Sie tragen viele vortreffliche Inſtrumente bey ſich, warum verachten ſie Landesinſtrumente, wie den Dudelſack: den Hochlaͤndern nahm man das Schwerdt, weil ſie gewoͤhnlich das Gewehr wegwarfen und damit fochten, auf den Schiffen weiß man es jezt wieder zu gebrauchen.

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 440[450]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/459>, abgerufen am 24.11.2024.