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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806.

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wahrer Ton, wie im derben Lachen aus Herzensgrund. Nach-
her scheint mir die Kraft wunderlich zerrissen, vieles geht glän-
zend vorüber, da steht die Menge mit offnem Munde, dann
sinkt es unter im Hexenkessel überschätzter Wissenschaft, worin
sie damals überkocht wurde. Was mir im Worte lieb, das
hörte ich nie allgemein singen, und die schönen Melodieen
pfiff ich lieber nach, die falschen Kukuk-Eyer zu verdrängen,
welche dem edlen Singevogel ins Nest gelegt. Hörte ich von
Gebildeten nach Ihrer Eingebung zum Flügel singen: Kennst
du das Land, wo die Zitronen blühen, da sah ich die vier
Wände umher wie herkulische Seulen, die nun für lange Zeit
den thätigen lebhaften Theil des Volkes von dem feurigen Bette
der Sonne trennen. Sah ich dann still vor sich jemand den
wunderbaren Fischer (Göthe's) lesen, es war mir, als sähe ich
den herrlichen Gedanken halb ziehen halb sinken ins Wasser,
keine Luft wollte sich ihm gestatten. -- So ging es dem Herr-
lichen, während die schlechten Worte zum Theater sich erhoben,
das damals mit Redensarten national werden wollte, in der
That aber immer fremder wurde der Nation, zulezt sich sogar
einbildete über die Nation erhaben zu seyn (wohl einiger Fuß
hoher Bretter willen, wie das Hochgericht über die Stadt.) Ja
wie ein Wiederhall führte der edle Klang diese schlechten Worte
durch die Gassen, und die ernsten blauen Chorschüler, wenn sie
vor dem Hause sich zusammenstellten, waren von dem Streit
des Doktors und Apothekers, des Poeten und Musikers befan-
gen. Ein schönes Lied in schlechter Melodie behält sich nicht,
und ein schlechtes Lied in schöner Melodie verhält sich und ver-

sind ewige Nilmesser einer entwichenen Gottesfluth und Erhebung, ihre
Schüler wollen aber das Unmögliche leisten, zu messen was nicht mehr
vorhanden ist.

wahrer Ton, wie im derben Lachen aus Herzensgrund. Nach-
her ſcheint mir die Kraft wunderlich zerriſſen, vieles geht glaͤn-
zend voruͤber, da ſteht die Menge mit offnem Munde, dann
ſinkt es unter im Hexenkeſſel uͤberſchaͤtzter Wiſſenſchaft, worin
ſie damals uͤberkocht wurde. Was mir im Worte lieb, das
hoͤrte ich nie allgemein ſingen, und die ſchoͤnen Melodieen
pfiff ich lieber nach, die falſchen Kukuk-Eyer zu verdraͤngen,
welche dem edlen Singevogel ins Neſt gelegt. Hoͤrte ich von
Gebildeten nach Ihrer Eingebung zum Fluͤgel ſingen: Kennſt
du das Land, wo die Zitronen bluͤhen, da ſah ich die vier
Waͤnde umher wie herkuliſche Seulen, die nun fuͤr lange Zeit
den thaͤtigen lebhaften Theil des Volkes von dem feurigen Bette
der Sonne trennen. Sah ich dann ſtill vor ſich jemand den
wunderbaren Fiſcher (Goͤthe's) leſen, es war mir, als ſaͤhe ich
den herrlichen Gedanken halb ziehen halb ſinken ins Waſſer,
keine Luft wollte ſich ihm geſtatten. — So ging es dem Herr-
lichen, waͤhrend die ſchlechten Worte zum Theater ſich erhoben,
das damals mit Redensarten national werden wollte, in der
That aber immer fremder wurde der Nation, zulezt ſich ſogar
einbildete uͤber die Nation erhaben zu ſeyn (wohl einiger Fuß
hoher Bretter willen, wie das Hochgericht uͤber die Stadt.) Ja
wie ein Wiederhall fuͤhrte der edle Klang dieſe ſchlechten Worte
durch die Gaſſen, und die ernſten blauen Chorſchuͤler, wenn ſie
vor dem Hauſe ſich zuſammenſtellten, waren von dem Streit
des Doktors und Apothekers, des Poeten und Muſikers befan-
gen. Ein ſchoͤnes Lied in ſchlechter Melodie behaͤlt ſich nicht,
und ein ſchlechtes Lied in ſchoͤner Melodie verhaͤlt ſich und ver-

ſind ewige Nilmeſſer einer entwichenen Gottesfluth und Erhebung, ihre
Schuͤler wollen aber das Unmoͤgliche leiſten, zu meſſen was nicht mehr
vorhanden iſt.
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[427[437]/0446] wahrer Ton, wie im derben Lachen aus Herzensgrund. Nach- her ſcheint mir die Kraft wunderlich zerriſſen, vieles geht glaͤn- zend voruͤber, da ſteht die Menge mit offnem Munde, dann ſinkt es unter im Hexenkeſſel uͤberſchaͤtzter Wiſſenſchaft, worin ſie damals uͤberkocht wurde. Was mir im Worte lieb, das hoͤrte ich nie allgemein ſingen, und die ſchoͤnen Melodieen pfiff ich lieber nach, die falſchen Kukuk-Eyer zu verdraͤngen, welche dem edlen Singevogel ins Neſt gelegt. Hoͤrte ich von Gebildeten nach Ihrer Eingebung zum Fluͤgel ſingen: Kennſt du das Land, wo die Zitronen bluͤhen, da ſah ich die vier Waͤnde umher wie herkuliſche Seulen, die nun fuͤr lange Zeit den thaͤtigen lebhaften Theil des Volkes von dem feurigen Bette der Sonne trennen. Sah ich dann ſtill vor ſich jemand den wunderbaren Fiſcher (Goͤthe's) leſen, es war mir, als ſaͤhe ich den herrlichen Gedanken halb ziehen halb ſinken ins Waſſer, keine Luft wollte ſich ihm geſtatten. — So ging es dem Herr- lichen, waͤhrend die ſchlechten Worte zum Theater ſich erhoben, das damals mit Redensarten national werden wollte, in der That aber immer fremder wurde der Nation, zulezt ſich ſogar einbildete uͤber die Nation erhaben zu ſeyn (wohl einiger Fuß hoher Bretter willen, wie das Hochgericht uͤber die Stadt.) Ja wie ein Wiederhall fuͤhrte der edle Klang dieſe ſchlechten Worte durch die Gaſſen, und die ernſten blauen Chorſchuͤler, wenn ſie vor dem Hauſe ſich zuſammenſtellten, waren von dem Streit des Doktors und Apothekers, des Poeten und Muſikers befan- gen. Ein ſchoͤnes Lied in ſchlechter Melodie behaͤlt ſich nicht, und ein ſchlechtes Lied in ſchoͤner Melodie verhaͤlt ſich und ver- *) *) ſind ewige Nilmeſſer einer entwichenen Gottesfluth und Erhebung, ihre Schuͤler wollen aber das Unmoͤgliche leiſten, zu meſſen was nicht mehr vorhanden iſt.

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 427[437]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/446>, abgerufen am 23.11.2024.