Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Knab trat gar verborgen,
Vor ihr Schlafkämmerlein,
Er sprach zu ihr mit Sorgen:
"Zart schönes Jungfräulein,
"Neu Mehr will ich euch sagen,
"Da ist kein Zweifel an,
"Es lieget einer im Hage,
"Der führt ein schwere Klage,
"Es mag euer Buhle seyn."
Die Jungfrau sprach mit Sinnen:
"Es hat dich sonst gedeucht,
"Der Mond hat mir geschienen,
"Die Stern han mir geleucht."
"Der Mond der hat geschienen,
"O zartes Jungfräulein,
"Er liegt in grüner Aue,
"Sein Leib ist ihm zerhauen,
"In großen Treuen zwar."
Die Jungfrau schrack gar sehre,
Ihr Herz war Leides voll,
Sie wollt kein Freud mehr hören,
Die Botschaft schmerzt ihr wohl,
Ein Hemd thät sie umscheuren,
Ein Hemdlein, das war weiß,
Den Knaben sie erblicket,
Ihr Herz vor Freud erquicket,
Gehrt ihn mit ganzem Fleiß.

Der Knab trat gar verborgen,
Vor ihr Schlafkaͤmmerlein,
Er ſprach zu ihr mit Sorgen:
„Zart ſchoͤnes Jungfraͤulein,
„Neu Mehr will ich euch ſagen,
„Da iſt kein Zweifel an,
„Es lieget einer im Hage,
„Der fuͤhrt ein ſchwere Klage,
„Es mag euer Buhle ſeyn.“
Die Jungfrau ſprach mit Sinnen:
„Es hat dich ſonſt gedeucht,
„Der Mond hat mir geſchienen,
„Die Stern han mir geleucht.“
„Der Mond der hat geſchienen,
„O zartes Jungfraͤulein,
„Er liegt in gruͤner Aue,
„Sein Leib iſt ihm zerhauen,
„In großen Treuen zwar.“
Die Jungfrau ſchrack gar ſehre,
Ihr Herz war Leides voll,
Sie wollt kein Freud mehr hoͤren,
Die Botſchaft ſchmerzt ihr wohl,
Ein Hemd thaͤt ſie umſcheuren,
Ein Hemdlein, das war weiß,
Den Knaben ſie erblicket,
Ihr Herz vor Freud erquicket,
Gehrt ihn mit ganzem Fleiß.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0409" n="390[400]"/>
              <lg n="3">
                <l>Der Knab trat gar verborgen,</l><lb/>
                <l>Vor ihr Schlafka&#x0364;mmerlein,</l><lb/>
                <l>Er &#x017F;prach zu ihr mit Sorgen:</l><lb/>
                <l>&#x201E;Zart &#x017F;cho&#x0364;nes Jungfra&#x0364;ulein,</l><lb/>
                <l>&#x201E;Neu Mehr will ich euch &#x017F;agen,</l><lb/>
                <l>&#x201E;Da i&#x017F;t kein Zweifel an,</l><lb/>
                <l>&#x201E;Es lieget einer im Hage,</l><lb/>
                <l>&#x201E;Der fu&#x0364;hrt ein &#x017F;chwere Klage,</l><lb/>
                <l>&#x201E;Es mag euer Buhle &#x017F;eyn.&#x201C;</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="4">
                <l>Die Jungfrau &#x017F;prach mit Sinnen:</l><lb/>
                <l>&#x201E;Es hat dich &#x017F;on&#x017F;t gedeucht,</l><lb/>
                <l>&#x201E;Der Mond hat mir ge&#x017F;chienen,</l><lb/>
                <l>&#x201E;Die Stern han mir geleucht.&#x201C;</l><lb/>
                <l>&#x201E;Der Mond der hat ge&#x017F;chienen,</l><lb/>
                <l>&#x201E;O zartes Jungfra&#x0364;ulein,</l><lb/>
                <l>&#x201E;Er liegt in gru&#x0364;ner Aue,</l><lb/>
                <l>&#x201E;Sein Leib i&#x017F;t ihm zerhauen,</l><lb/>
                <l>&#x201E;In großen Treuen zwar.&#x201C;</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="5">
                <l>Die Jungfrau &#x017F;chrack gar &#x017F;ehre,</l><lb/>
                <l>Ihr Herz war Leides voll,</l><lb/>
                <l>Sie wollt kein Freud mehr ho&#x0364;ren,</l><lb/>
                <l>Die Bot&#x017F;chaft &#x017F;chmerzt ihr wohl,</l><lb/>
                <l>Ein Hemd tha&#x0364;t &#x017F;ie um&#x017F;cheuren,</l><lb/>
                <l>Ein Hemdlein, das war weiß,</l><lb/>
                <l>Den Knaben &#x017F;ie erblicket,</l><lb/>
                <l>Ihr Herz vor Freud erquicket,</l><lb/>
                <l>Gehrt ihn mit ganzem Fleiß.</l>
              </lg><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[390[400]/0409] Der Knab trat gar verborgen, Vor ihr Schlafkaͤmmerlein, Er ſprach zu ihr mit Sorgen: „Zart ſchoͤnes Jungfraͤulein, „Neu Mehr will ich euch ſagen, „Da iſt kein Zweifel an, „Es lieget einer im Hage, „Der fuͤhrt ein ſchwere Klage, „Es mag euer Buhle ſeyn.“ Die Jungfrau ſprach mit Sinnen: „Es hat dich ſonſt gedeucht, „Der Mond hat mir geſchienen, „Die Stern han mir geleucht.“ „Der Mond der hat geſchienen, „O zartes Jungfraͤulein, „Er liegt in gruͤner Aue, „Sein Leib iſt ihm zerhauen, „In großen Treuen zwar.“ Die Jungfrau ſchrack gar ſehre, Ihr Herz war Leides voll, Sie wollt kein Freud mehr hoͤren, Die Botſchaft ſchmerzt ihr wohl, Ein Hemd thaͤt ſie umſcheuren, Ein Hemdlein, das war weiß, Den Knaben ſie erblicket, Ihr Herz vor Freud erquicket, Gehrt ihn mit ganzem Fleiß.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/409
Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 390[400]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/409>, abgerufen am 23.11.2024.