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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806.

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"Soll ich denn nun die zwölfte seyn?
"Ich bitt, ihr wollt mir drei Schrei verleihn."
Den ersten Schrei und den sie that,
Sie rufte ihren Vater an,
Den andern Schrei und den sie that,
Sie ruft ihren lieben Herr Gott an,
Den dritten Schrei und den sie that,
Sie ruft ihren jüngsten Bruder an.
Ihr Bruder saß beim rothen kühlen Wein,
Der Schall der fuhr zum Fenster hinein:
"Höret ihr Brüder alle,
"Meine Schwester schreit aus dem Walde."
"Ach Ulrich, lieber Ulrich mein,
"Wo hast du die jüngste Schwester mein?"
"Dort oben auf jener Linde,
"Schwarzbraune Seide thut sie spinnen."
"Warum sind deine Schuh so blutroth?
"Warum sind deine Augen so todt?"
"Warum sollten sie nicht blutroth seyn?
"Ich schoß ein Turteltäubelein."
"Das Turteltäublein, das du erschoßt,
"Das trug meine Mutter unter ihrer Brust,
"Das trug meine Mutter in ihrem Schooß,
"Und zog es mit ihrem Blute groß."
Lieb Aennchen kam ins tiefe Grab,
Schwager Ulrich auf das hohe Rad,
„Soll ich denn nun die zwoͤlfte ſeyn?
„Ich bitt, ihr wollt mir drei Schrei verleihn.“
Den erſten Schrei und den ſie that,
Sie rufte ihren Vater an,
Den andern Schrei und den ſie that,
Sie ruft ihren lieben Herr Gott an,
Den dritten Schrei und den ſie that,
Sie ruft ihren juͤngſten Bruder an.
Ihr Bruder ſaß beim rothen kuͤhlen Wein,
Der Schall der fuhr zum Fenſter hinein:
„Hoͤret ihr Bruͤder alle,
„Meine Schweſter ſchreit aus dem Walde.“
„Ach Ulrich, lieber Ulrich mein,
„Wo haſt du die juͤngſte Schweſter mein?“
„Dort oben auf jener Linde,
„Schwarzbraune Seide thut ſie ſpinnen.“
„Warum ſind deine Schuh ſo blutroth?
„Warum ſind deine Augen ſo todt?“
„Warum ſollten ſie nicht blutroth ſeyn?
„Ich ſchoß ein Turteltaͤubelein.“
„Das Turteltaͤublein, das du erſchoßt,
„Das trug meine Mutter unter ihrer Bruſt,
„Das trug meine Mutter in ihrem Schooß,
„Und zog es mit ihrem Blute groß.“
Lieb Aennchen kam ins tiefe Grab,
Schwager Ulrich auf das hohe Rad,
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[275[285]/0294] „Soll ich denn nun die zwoͤlfte ſeyn? „Ich bitt, ihr wollt mir drei Schrei verleihn.“ Den erſten Schrei und den ſie that, Sie rufte ihren Vater an, Den andern Schrei und den ſie that, Sie ruft ihren lieben Herr Gott an, Den dritten Schrei und den ſie that, Sie ruft ihren juͤngſten Bruder an. Ihr Bruder ſaß beim rothen kuͤhlen Wein, Der Schall der fuhr zum Fenſter hinein: „Hoͤret ihr Bruͤder alle, „Meine Schweſter ſchreit aus dem Walde.“ „Ach Ulrich, lieber Ulrich mein, „Wo haſt du die juͤngſte Schweſter mein?“ „Dort oben auf jener Linde, „Schwarzbraune Seide thut ſie ſpinnen.“ „Warum ſind deine Schuh ſo blutroth? „Warum ſind deine Augen ſo todt?“ „Warum ſollten ſie nicht blutroth ſeyn? „Ich ſchoß ein Turteltaͤubelein.“ „Das Turteltaͤublein, das du erſchoßt, „Das trug meine Mutter unter ihrer Bruſt, „Das trug meine Mutter in ihrem Schooß, „Und zog es mit ihrem Blute groß.“ Lieb Aennchen kam ins tiefe Grab, Schwager Ulrich auf das hohe Rad,

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 275[285]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/294>, abgerufen am 27.11.2024.