"So must du viel ausgeben, "Eh dein Gewinn steht bloß.
"Doch wirst du weiter gehen, "Ins innerste Gemach, "Wirst du sehn andre stehen, "Die füllen Dach und Fach: "Bewältigest du sie, "So kannst du fröhlich leben, "Und deinem Nächsten geben, "Was er darf spät und früh!"
Der Fremde fuhr bald weiter, Und lief den Strecken nach, Kein Mensch war sein Begleiter, Er fand ein neues Dach; Da stand ein glänzend Mann, Mit Kleidung wohl versehen, Den sprach der Gast mit Flehen, Gleich wie den ersten an.
Der Knappe gab ihm wieder, Mit Nein! Nein! nur Bescheid: "Sollt ich und meine Brüder, "Uns tödten vor der Zeit, "Das ist zu viel begehrt: "Der König selbst muß sterben, "Die Königin verderben, "Wird dir dein Wunsch gewährt."
„So muſt du viel ausgeben, „Eh dein Gewinn ſteht bloß.
„Doch wirſt du weiter gehen, „Ins innerſte Gemach, „Wirſt du ſehn andre ſtehen, „Die fuͤllen Dach und Fach: „Bewaͤltigeſt du ſie, „So kannſt du froͤhlich leben, „Und deinem Naͤchſten geben, „Was er darf ſpaͤt und fruͤh!“
Der Fremde fuhr bald weiter, Und lief den Strecken nach, Kein Menſch war ſein Begleiter, Er fand ein neues Dach; Da ſtand ein glaͤnzend Mann, Mit Kleidung wohl verſehen, Den ſprach der Gaſt mit Flehen, Gleich wie den erſten an.
Der Knappe gab ihm wieder, Mit Nein! Nein! nur Beſcheid: „Sollt ich und meine Bruͤder, „Uns toͤdten vor der Zeit, „Das iſt zu viel begehrt: „Der Koͤnig ſelbſt muß ſterben, „Die Koͤnigin verderben, „Wird dir dein Wunſch gewaͤhrt.“
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„So muſt du viel ausgeben,
„Eh dein Gewinn ſteht bloß.
„Doch wirſt du weiter gehen,
„Ins innerſte Gemach,
„Wirſt du ſehn andre ſtehen,
„Die fuͤllen Dach und Fach:
„Bewaͤltigeſt du ſie,
„So kannſt du froͤhlich leben,
„Und deinem Naͤchſten geben,
„Was er darf ſpaͤt und fruͤh!“
Der Fremde fuhr bald weiter,
Und lief den Strecken nach,
Kein Menſch war ſein Begleiter,
Er fand ein neues Dach;
Da ſtand ein glaͤnzend Mann,
Mit Kleidung wohl verſehen,
Den ſprach der Gaſt mit Flehen,
Gleich wie den erſten an.
Der Knappe gab ihm wieder,
Mit Nein! Nein! nur Beſcheid:
„Sollt ich und meine Bruͤder,
„Uns toͤdten vor der Zeit,
„Das iſt zu viel begehrt:
„Der Koͤnig ſelbſt muß ſterben,
„Die Koͤnigin verderben,
„Wird dir dein Wunſch gewaͤhrt.“
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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/275>, abgerufen am 25.11.2024.
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