"erdenken mocht, aber alles umsonst war. Der Wirth "wollt aber keineswegs schweigen, und sagt: ich mach "nicht viel Umständ, glattgeschliffen ist bald gewetzt, du "hast Tag und Nacht wollen voll sein, den besten Wein, "so ich in meinem Keller gehabt, hab ich dir müssen "auftragen, drum such nur nicht viel Mäus, hast du "nicht Geld, so gib mir deinen Mantel, dann so will ich "dir wohl eine Zeitlang borgen. Wo du aber in bestimm- "ter Zeit nicht kommst, werd ich deinen Mantel auf der "Gant verkaufen lassen, dieß ist der Bescheid mit einander. "Wohlan sagte Grünenwald, ich will der Sache bald Rath "finden. Er saß nieder, nahm sein Schreibzeug, Papier, "Feder und Dinten, und dichtet nachfolgends Liedlein:
"Ich stund auf an eim Morgen, "Und wollt gen München gehn, "Und war in großen Sorgen, "Ach Gott wär ich davon, "Mein Wirth, dem war ich schuldig viel, "Ich wollt ihn gern bezahlen, "Doch auf ein ander Ziel.
„erdenken mocht, aber alles umſonſt war. Der Wirth „wollt aber keineswegs ſchweigen, und ſagt: ich mach „nicht viel Umſtaͤnd, glattgeſchliffen iſt bald gewetzt, du „haſt Tag und Nacht wollen voll ſein, den beſten Wein, „ſo ich in meinem Keller gehabt, hab ich dir muͤſſen „auftragen, drum ſuch nur nicht viel Maͤus, haſt du „nicht Geld, ſo gib mir deinen Mantel, dann ſo will ich „dir wohl eine Zeitlang borgen. Wo du aber in beſtimm- „ter Zeit nicht kommſt, werd ich deinen Mantel auf der „Gant verkaufen laſſen, dieß iſt der Beſcheid mit einander. „Wohlan ſagte Gruͤnenwald, ich will der Sache bald Rath „finden. Er ſaß nieder, nahm ſein Schreibzeug, Papier, „Feder und Dinten, und dichtet nachfolgends Liedlein:
„Ich ſtund auf an eim Morgen, „Und wollt gen Muͤnchen gehn, „Und war in großen Sorgen, „Ach Gott waͤr ich davon, „Mein Wirth, dem war ich ſchuldig viel, „Ich wollt ihn gern bezahlen, „Doch auf ein ander Ziel.
<TEI><text><front><divn="1"><p><pbfacs="#f0014"n="[5]"/>„erdenken mocht, aber alles umſonſt war. Der Wirth<lb/>„wollt aber keineswegs ſchweigen, und ſagt: ich mach<lb/>„nicht viel Umſtaͤnd, glattgeſchliffen iſt bald gewetzt, du<lb/>„haſt Tag und Nacht wollen voll ſein, den beſten Wein,<lb/>„ſo ich in meinem Keller gehabt, hab ich dir muͤſſen<lb/>„auftragen, drum ſuch nur nicht viel Maͤus, haſt du<lb/>„nicht Geld, ſo gib mir deinen Mantel, dann ſo will ich<lb/>„dir wohl eine Zeitlang borgen. Wo du aber in beſtimm-<lb/>„ter Zeit nicht kommſt, werd ich deinen Mantel auf der<lb/>„Gant verkaufen laſſen, dieß iſt der Beſcheid mit einander.<lb/>„Wohlan ſagte Gruͤnenwald, ich will der Sache bald Rath<lb/>„finden. Er ſaß nieder, nahm ſein Schreibzeug, Papier,<lb/>„Feder und Dinten, und dichtet nachfolgends Liedlein:</p><lb/><lgtype="poem"><lgn="1"><l>„Ich ſtund auf an eim Morgen,</l><lb/><l>„Und wollt gen Muͤnchen gehn,</l><lb/><l>„Und war in großen Sorgen,</l><lb/><l>„Ach Gott waͤr ich davon,</l><lb/><l>„Mein Wirth, dem war ich ſchuldig viel,</l><lb/><l>„Ich wollt ihn gern bezahlen,</l><lb/><l>„Doch auf ein ander Ziel.</l></lg><lb/></lg></div></front></text></TEI>
[[5]/0014]
„erdenken mocht, aber alles umſonſt war. Der Wirth
„wollt aber keineswegs ſchweigen, und ſagt: ich mach
„nicht viel Umſtaͤnd, glattgeſchliffen iſt bald gewetzt, du
„haſt Tag und Nacht wollen voll ſein, den beſten Wein,
„ſo ich in meinem Keller gehabt, hab ich dir muͤſſen
„auftragen, drum ſuch nur nicht viel Maͤus, haſt du
„nicht Geld, ſo gib mir deinen Mantel, dann ſo will ich
„dir wohl eine Zeitlang borgen. Wo du aber in beſtimm-
„ter Zeit nicht kommſt, werd ich deinen Mantel auf der
„Gant verkaufen laſſen, dieß iſt der Beſcheid mit einander.
„Wohlan ſagte Gruͤnenwald, ich will der Sache bald Rath
„finden. Er ſaß nieder, nahm ſein Schreibzeug, Papier,
„Feder und Dinten, und dichtet nachfolgends Liedlein:
„Ich ſtund auf an eim Morgen,
„Und wollt gen Muͤnchen gehn,
„Und war in großen Sorgen,
„Ach Gott waͤr ich davon,
„Mein Wirth, dem war ich ſchuldig viel,
„Ich wollt ihn gern bezahlen,
„Doch auf ein ander Ziel.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. [5]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/14>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.