Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [163]–201. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.mit Kartätschen geladene Kanonen mit boshaftem Geize die Masse des verderblichen Schusses gegen die Andringenden zusammenzuhalten bestimmt war. -- Was siehst du, Weib! brüllte Francoeur, sieh nicht in die Luft, deine Engel kommen nicht, hier steht dein Teufel und dein Tod. -- Nicht Tod, nicht Teufel trennen mich mehr von dir, sagte sie getrost und schritt weiter hinauf die groben Stufen. Weib, schrie er, du hast mehr Muth als der Teufel, aber es soll dir doch Nichts helfen. -- Er blies die Lunte an, die eben verlöschen wollte, der Schweiß stand ihm hellglänzend über Stirn und Wangen, es war, als ob zwei Naturen in ihm rangen. Und Rosalie wollte nicht diesen Kampf hemmen und der Zeit vorgreifen, auf die sie zu vertrauen begann; sie ging nicht vor, sie kniete auf die Stufe nieder, als sie drei Stufen von den Kanonen entfernt war, wo sich das Feuer kreuzte. Er riß Rock und Weste an der Brust auf, um sich Luft zu machen, er griff in sein schwarzes Haar, das verwildert in Locken starrte, und riß es sich wüthend aus. Da öffnete sich die Wunde am Kopfe in dem wilden Erschüttern durch Schläge, die er an seine Stirne führte, Thränen und Blut löschten den brennenden Zundstrick, ein Wirbelwind warf das Pulver von den Zündlöchern der Kanonen und die Teufelsflagge vom Thurm. Der Schornsteinfeger macht sich Platz, er schreit zum Schornstein hinaus! rief er und deckte seine Augen. Dann besann er sich, öffnete die Gitterthüre, schwankte zu seiner Frau, hob sie auf, küßte sie, endlich sagte er: Der mit Kartätschen geladene Kanonen mit boshaftem Geize die Masse des verderblichen Schusses gegen die Andringenden zusammenzuhalten bestimmt war. — Was siehst du, Weib! brüllte Francoeur, sieh nicht in die Luft, deine Engel kommen nicht, hier steht dein Teufel und dein Tod. — Nicht Tod, nicht Teufel trennen mich mehr von dir, sagte sie getrost und schritt weiter hinauf die groben Stufen. Weib, schrie er, du hast mehr Muth als der Teufel, aber es soll dir doch Nichts helfen. — Er blies die Lunte an, die eben verlöschen wollte, der Schweiß stand ihm hellglänzend über Stirn und Wangen, es war, als ob zwei Naturen in ihm rangen. Und Rosalie wollte nicht diesen Kampf hemmen und der Zeit vorgreifen, auf die sie zu vertrauen begann; sie ging nicht vor, sie kniete auf die Stufe nieder, als sie drei Stufen von den Kanonen entfernt war, wo sich das Feuer kreuzte. Er riß Rock und Weste an der Brust auf, um sich Luft zu machen, er griff in sein schwarzes Haar, das verwildert in Locken starrte, und riß es sich wüthend aus. Da öffnete sich die Wunde am Kopfe in dem wilden Erschüttern durch Schläge, die er an seine Stirne führte, Thränen und Blut löschten den brennenden Zundstrick, ein Wirbelwind warf das Pulver von den Zündlöchern der Kanonen und die Teufelsflagge vom Thurm. Der Schornsteinfeger macht sich Platz, er schreit zum Schornstein hinaus! rief er und deckte seine Augen. Dann besann er sich, öffnete die Gitterthüre, schwankte zu seiner Frau, hob sie auf, küßte sie, endlich sagte er: Der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0040"/> mit Kartätschen geladene Kanonen mit boshaftem Geize die Masse des verderblichen Schusses gegen die Andringenden zusammenzuhalten bestimmt war. — Was siehst du, Weib! brüllte Francoeur, sieh nicht in die Luft, deine Engel kommen nicht, hier steht dein Teufel und dein Tod. — Nicht Tod, nicht Teufel trennen mich mehr von dir, sagte sie getrost und schritt weiter hinauf die groben Stufen. Weib, schrie er, du hast mehr Muth als der Teufel, aber es soll dir doch Nichts helfen. — Er blies die Lunte an, die eben verlöschen wollte, der Schweiß stand ihm hellglänzend über Stirn und Wangen, es war, als ob zwei Naturen in ihm rangen. Und Rosalie wollte nicht diesen Kampf hemmen und der Zeit vorgreifen, auf die sie zu vertrauen begann; sie ging nicht vor, sie kniete auf die Stufe nieder, als sie drei Stufen von den Kanonen entfernt war, wo sich das Feuer kreuzte. Er riß Rock und Weste an der Brust auf, um sich Luft zu machen, er griff in sein schwarzes Haar, das verwildert in Locken starrte, und riß es sich wüthend aus. Da öffnete sich die Wunde am Kopfe in dem wilden Erschüttern durch Schläge, die er an seine Stirne führte, Thränen und Blut löschten den brennenden Zundstrick, ein Wirbelwind warf das Pulver von den Zündlöchern der Kanonen und die Teufelsflagge vom Thurm. Der Schornsteinfeger macht sich Platz, er schreit zum Schornstein hinaus! rief er und deckte seine Augen. Dann besann er sich, öffnete die Gitterthüre, schwankte zu seiner Frau, hob sie auf, küßte sie, endlich sagte er: Der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0040]
mit Kartätschen geladene Kanonen mit boshaftem Geize die Masse des verderblichen Schusses gegen die Andringenden zusammenzuhalten bestimmt war. — Was siehst du, Weib! brüllte Francoeur, sieh nicht in die Luft, deine Engel kommen nicht, hier steht dein Teufel und dein Tod. — Nicht Tod, nicht Teufel trennen mich mehr von dir, sagte sie getrost und schritt weiter hinauf die groben Stufen. Weib, schrie er, du hast mehr Muth als der Teufel, aber es soll dir doch Nichts helfen. — Er blies die Lunte an, die eben verlöschen wollte, der Schweiß stand ihm hellglänzend über Stirn und Wangen, es war, als ob zwei Naturen in ihm rangen. Und Rosalie wollte nicht diesen Kampf hemmen und der Zeit vorgreifen, auf die sie zu vertrauen begann; sie ging nicht vor, sie kniete auf die Stufe nieder, als sie drei Stufen von den Kanonen entfernt war, wo sich das Feuer kreuzte. Er riß Rock und Weste an der Brust auf, um sich Luft zu machen, er griff in sein schwarzes Haar, das verwildert in Locken starrte, und riß es sich wüthend aus. Da öffnete sich die Wunde am Kopfe in dem wilden Erschüttern durch Schläge, die er an seine Stirne führte, Thränen und Blut löschten den brennenden Zundstrick, ein Wirbelwind warf das Pulver von den Zündlöchern der Kanonen und die Teufelsflagge vom Thurm. Der Schornsteinfeger macht sich Platz, er schreit zum Schornstein hinaus! rief er und deckte seine Augen. Dann besann er sich, öffnete die Gitterthüre, schwankte zu seiner Frau, hob sie auf, küßte sie, endlich sagte er: Der
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Zitationshilfe: | Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [163]–201. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_invalide_1910/40>, abgerufen am 27.07.2024. |