Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [163]–201. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Leuchtkugeln im höchsten Glanze, hörte neben sich einen Schiffer rufen: Steuert links, wir fahren sonst ein Boot in den Grund, worin ein Weib mit einem Kinde sitzt. Und schon rauscht die vordere Spitze eines großen Flußschiffes wie ein geöffneter Wallfischrachen hinter ihr, da wandte er sich links, aber ihr Nachen wurde doch seitwärts nachgerissen. Helft meinem armen Kinde! rief sie, und der Haken eines Stangenruders verband sie mit dem großen Schiffe, das bald darauf Anker warf. Wäre das Feuerwerk auf dem Fort Ratonneau nicht aufgegangen, rief der eine Schiffer, ich hätte Euch nicht gesehen, und wir hätten Euch ohne bösen Willen in den Grund gesegelt; wie kommt Ihr so spät und allein aufs Wasser, warum habt Ihr uns nicht angeschrieen? Rosalie beantwortete schnell die Fragen und bat nur dringend, sie nach dem Hause des Commandanten zu bringen. Der Schiffer gab ihr aus Mitleid seinen Jungen zum Führer. Sie fand Alles in Bewegung beim Commandanten; sie bat ihn, seines Versprechens eingedenk zu sein, daß er ihrem Manne drei Versehen verzeihen wolle. Er leugnete, daß von solchen Versehen die Rede gewesen, es sei über Scherz und Grillen geklagt worden, das sei aber teuflischer Ernst. -- So ist das Unrecht auf Eurer Seite, sagte die Frau gefaßt, denn sie fühlte sich nicht mehr schicksallos: Euch habe ich den Zustand des armen Mannes angezeigt, und doch habt Ihr ihm einen so gefährlichen Posten vertraut. Ihr habt mir Geheimniß ange- Leuchtkugeln im höchsten Glanze, hörte neben sich einen Schiffer rufen: Steuert links, wir fahren sonst ein Boot in den Grund, worin ein Weib mit einem Kinde sitzt. Und schon rauscht die vordere Spitze eines großen Flußschiffes wie ein geöffneter Wallfischrachen hinter ihr, da wandte er sich links, aber ihr Nachen wurde doch seitwärts nachgerissen. Helft meinem armen Kinde! rief sie, und der Haken eines Stangenruders verband sie mit dem großen Schiffe, das bald darauf Anker warf. Wäre das Feuerwerk auf dem Fort Ratonneau nicht aufgegangen, rief der eine Schiffer, ich hätte Euch nicht gesehen, und wir hätten Euch ohne bösen Willen in den Grund gesegelt; wie kommt Ihr so spät und allein aufs Wasser, warum habt Ihr uns nicht angeschrieen? Rosalie beantwortete schnell die Fragen und bat nur dringend, sie nach dem Hause des Commandanten zu bringen. Der Schiffer gab ihr aus Mitleid seinen Jungen zum Führer. Sie fand Alles in Bewegung beim Commandanten; sie bat ihn, seines Versprechens eingedenk zu sein, daß er ihrem Manne drei Versehen verzeihen wolle. Er leugnete, daß von solchen Versehen die Rede gewesen, es sei über Scherz und Grillen geklagt worden, das sei aber teuflischer Ernst. — So ist das Unrecht auf Eurer Seite, sagte die Frau gefaßt, denn sie fühlte sich nicht mehr schicksallos: Euch habe ich den Zustand des armen Mannes angezeigt, und doch habt Ihr ihm einen so gefährlichen Posten vertraut. Ihr habt mir Geheimniß ange- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0034"/> Leuchtkugeln im höchsten Glanze, hörte neben sich einen Schiffer rufen: Steuert links, wir fahren sonst ein Boot in den Grund, worin ein Weib mit einem Kinde sitzt. Und schon rauscht die vordere Spitze eines großen Flußschiffes wie ein geöffneter Wallfischrachen hinter ihr, da wandte er sich links, aber ihr Nachen wurde doch seitwärts nachgerissen. Helft meinem armen Kinde! rief sie, und der Haken eines Stangenruders verband sie mit dem großen Schiffe, das bald darauf Anker warf. Wäre das Feuerwerk auf dem Fort Ratonneau nicht aufgegangen, rief der eine Schiffer, ich hätte Euch nicht gesehen, und wir hätten Euch ohne bösen Willen in den Grund gesegelt; wie kommt Ihr so spät und allein aufs Wasser, warum habt Ihr uns nicht angeschrieen? Rosalie beantwortete schnell die Fragen und bat nur dringend, sie nach dem Hause des Commandanten zu bringen. Der Schiffer gab ihr aus Mitleid seinen Jungen zum Führer.</p><lb/> <p>Sie fand Alles in Bewegung beim Commandanten; sie bat ihn, seines Versprechens eingedenk zu sein, daß er ihrem Manne drei Versehen verzeihen wolle. Er leugnete, daß von solchen Versehen die Rede gewesen, es sei über Scherz und Grillen geklagt worden, das sei aber teuflischer Ernst. — So ist das Unrecht auf Eurer Seite, sagte die Frau gefaßt, denn sie fühlte sich nicht mehr schicksallos: Euch habe ich den Zustand des armen Mannes angezeigt, und doch habt Ihr ihm einen so gefährlichen Posten vertraut. Ihr habt mir Geheimniß ange-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0034]
Leuchtkugeln im höchsten Glanze, hörte neben sich einen Schiffer rufen: Steuert links, wir fahren sonst ein Boot in den Grund, worin ein Weib mit einem Kinde sitzt. Und schon rauscht die vordere Spitze eines großen Flußschiffes wie ein geöffneter Wallfischrachen hinter ihr, da wandte er sich links, aber ihr Nachen wurde doch seitwärts nachgerissen. Helft meinem armen Kinde! rief sie, und der Haken eines Stangenruders verband sie mit dem großen Schiffe, das bald darauf Anker warf. Wäre das Feuerwerk auf dem Fort Ratonneau nicht aufgegangen, rief der eine Schiffer, ich hätte Euch nicht gesehen, und wir hätten Euch ohne bösen Willen in den Grund gesegelt; wie kommt Ihr so spät und allein aufs Wasser, warum habt Ihr uns nicht angeschrieen? Rosalie beantwortete schnell die Fragen und bat nur dringend, sie nach dem Hause des Commandanten zu bringen. Der Schiffer gab ihr aus Mitleid seinen Jungen zum Führer.
Sie fand Alles in Bewegung beim Commandanten; sie bat ihn, seines Versprechens eingedenk zu sein, daß er ihrem Manne drei Versehen verzeihen wolle. Er leugnete, daß von solchen Versehen die Rede gewesen, es sei über Scherz und Grillen geklagt worden, das sei aber teuflischer Ernst. — So ist das Unrecht auf Eurer Seite, sagte die Frau gefaßt, denn sie fühlte sich nicht mehr schicksallos: Euch habe ich den Zustand des armen Mannes angezeigt, und doch habt Ihr ihm einen so gefährlichen Posten vertraut. Ihr habt mir Geheimniß ange-
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Zitationshilfe: | Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [163]–201. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_invalide_1910/34>, abgerufen am 27.07.2024. |