Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875.werfen sollte, das war ihm aber klar, daß ihm der Michel der 20. Die Himmelsnacht. Die Resl fühlte recht gut, welche Veränderung mit ihr *) Die letzte Nacht vor dem Abzug von der Hochalpe.
werfen ſollte, das war ihm aber klar, daß ihm der Michel der 20. Die Himmelsnacht. Die Resl fühlte recht gut, welche Veränderung mit ihr *) Die letzte Nacht vor dem Abzug von der Hochalpe.
<TEI> <text> <body> <div type="chapter"> <p><pb facs="#f0058"/> werfen ſollte, <hi rendition="#g">das</hi> war ihm aber klar, daß ihm der Michel der<lb/> Verächtlichſte war, und deshalb fuhr er ihn wie wüthend an:<lb/> „Jch kenn’ mein Kind beſſer als du, und dir, Lügenbeutel, glaub’<lb/> ich kein Wort. Drum geh’ mir aus den Augen, ſonſt laß’ ich<lb/> dich hinausprügeln.“ „Jſt das der Dank dafür, daß ich euch aus<lb/> gutem Herzen warnen wollte?“ ſagte der Michel. Um noch mehr<lb/> zu wagen, war aber doch ſein Gewiſſen zu ſchlecht, und ſo zog<lb/> er denn vor, zu gehen, indem er, für den Alten noch hörbar,<lb/> vor ſich hin brummelte: „Was wahr iſt, bleibt doch wahr;“ und<lb/> wie er ſeinen Rücken ſalvirt wußte, dachte er: „Den Alten wurmt’s<lb/> doch, das weiß ich gewiß, und das iſt mir genug.“</p><lb/> </div> <div type="chapter"> <head>20. Die Himmelsnacht.</head><lb/> <p>Die Resl fühlte recht gut, welche Veränderung mit ihr<lb/> ſeit jenem Juhſchrei vorgegangen war. <hi rendition="#g">Jetzt</hi> war es ihr ganz<lb/> klar, daß ſie entweder dem Franz oder Keinem zum Altar folgen<lb/> werde. Wie ſollte ſie aber den Vater dafür gewinnen? und wie<lb/> erſt ſollte ſie ihm den Beſuch vom Franz beibringen? Jn dieſem<lb/> Punkt, das wußte ſie, dachte er ſo ſtreng, daß er unverſöhnlich<lb/> bös werden konnte. Dies alles machte ihr aber ſo viel zu denken,<lb/> daß ſie kaum merkte, daß ſeitdem wieder zwei Wochen verfloſſen<lb/> waren und die Himmelsnacht<note place="foot" n="*)">Die letzte Nacht vor dem Abzug von der Hochalpe.<lb/></note> heran kam. — Sie freute ſich,<lb/> wieder in’s Dorf zu kommen, und doch war es ihr auch weh-<lb/> müthig um’s Herz, daß ſie von ihrer Sennhütte ſcheiden ſollte,<lb/> wo ſie ſo ungeſtört an ihren braven Franz denken konnte. — Sie<lb/> ſehnte ſich, den Vater wieder zu ſehen, und doch hatte ſie nun<lb/> auch wieder Angſt davor. — Am Vorabend der Himmelsnacht<lb/> gibt es noch vielerlei Geſchäfte für die Sennerin. Sie füllt für’s<lb/> nächſte Jahr voraus ihren Bettkreiſter mit friſchem, weichem<lb/> Alpenheu, dann hat ſie alles noch fein ſauber zu putzen und ihr<lb/> Reiſegepäck wieder zu ordnen. — Jn der Himmelsnacht ſelber<lb/><choice><sic>ſtat</sic><corr>hat</corr></choice> die Resl aber mehr gewacht als geſchlafen, und mehrmals<lb/><choice><sic>hand</sic><corr>ſtand</corr></choice> ſie auf, betrachtete den klaren Sternhimmel und dachte,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0058]
werfen ſollte, das war ihm aber klar, daß ihm der Michel der
Verächtlichſte war, und deshalb fuhr er ihn wie wüthend an:
„Jch kenn’ mein Kind beſſer als du, und dir, Lügenbeutel, glaub’
ich kein Wort. Drum geh’ mir aus den Augen, ſonſt laß’ ich
dich hinausprügeln.“ „Jſt das der Dank dafür, daß ich euch aus
gutem Herzen warnen wollte?“ ſagte der Michel. Um noch mehr
zu wagen, war aber doch ſein Gewiſſen zu ſchlecht, und ſo zog
er denn vor, zu gehen, indem er, für den Alten noch hörbar,
vor ſich hin brummelte: „Was wahr iſt, bleibt doch wahr;“ und
wie er ſeinen Rücken ſalvirt wußte, dachte er: „Den Alten wurmt’s
doch, das weiß ich gewiß, und das iſt mir genug.“
20. Die Himmelsnacht.
Die Resl fühlte recht gut, welche Veränderung mit ihr
ſeit jenem Juhſchrei vorgegangen war. Jetzt war es ihr ganz
klar, daß ſie entweder dem Franz oder Keinem zum Altar folgen
werde. Wie ſollte ſie aber den Vater dafür gewinnen? und wie
erſt ſollte ſie ihm den Beſuch vom Franz beibringen? Jn dieſem
Punkt, das wußte ſie, dachte er ſo ſtreng, daß er unverſöhnlich
bös werden konnte. Dies alles machte ihr aber ſo viel zu denken,
daß ſie kaum merkte, daß ſeitdem wieder zwei Wochen verfloſſen
waren und die Himmelsnacht *) heran kam. — Sie freute ſich,
wieder in’s Dorf zu kommen, und doch war es ihr auch weh-
müthig um’s Herz, daß ſie von ihrer Sennhütte ſcheiden ſollte,
wo ſie ſo ungeſtört an ihren braven Franz denken konnte. — Sie
ſehnte ſich, den Vater wieder zu ſehen, und doch hatte ſie nun
auch wieder Angſt davor. — Am Vorabend der Himmelsnacht
gibt es noch vielerlei Geſchäfte für die Sennerin. Sie füllt für’s
nächſte Jahr voraus ihren Bettkreiſter mit friſchem, weichem
Alpenheu, dann hat ſie alles noch fein ſauber zu putzen und ihr
Reiſegepäck wieder zu ordnen. — Jn der Himmelsnacht ſelber
hat die Resl aber mehr gewacht als geſchlafen, und mehrmals
ſtand ſie auf, betrachtete den klaren Sternhimmel und dachte,
*) Die letzte Nacht vor dem Abzug von der Hochalpe.
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Zitationshilfe: | Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875/58>, abgerufen am 03.03.2025. |