Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

auf den Ausgang. Auf einmal rannte die eine aufs Neue der
andern zwischen die Hörner, so daß sie sich fest in einander ver-
wickelten. Jmmer toller wurden sie, als sollten sie beide drauf-
gehen, nochmals stießen und drückten sie sich hin und wieder,
dann endlich warf die des Wirths die andere derart nieder, daß
sie nicht mehr auf konnte und schwer blutete. Jetzt war's Zeit,
daß einige muthige Kerle beisprangen, denn man weiß ja, daß
die Kühe, wenn sie Blut sehen, gar wie besessen werden, und
ohne diese menschliche Hilfe wäre des Huber's Haagmaierin sicher
nimmer lebendig vom Platze gekommen. -- "Der Wirth aber
strich vergnügt seine 50 fl. ein", schloß der Wastl seinen Be-
richt. -- Nachdem die begierigen Lauscher bald diese, bald jene
Meinung darüber ausgesprochen hatten, entstand eine kleine Pause
am Tisch. Während dieser hörte Franz zwischen all den ver-
schiedenen Stimmen, wie Michel eben mit prahlerischem Ton er-
zählte, daß er in der vorigen Woche die schöne Resl auf der
Halserspitz besucht hat und daß sie gar keine solche Heilige sei, wie
man immer meint, denn er habe ganz leicht einen Kuß von
ihr bekommen können, wenn er ihn nur gewollt hätte. "Das
ist gelogen!" rief Franz, indem er aufsprang. "Was, du willst
mich Lügen strafen?" schrie Michel mit wildem Ton und hob
seinen steinernen Maßkrug auf, um ihn auf Franz zu schleudern.
Dieser fuhr aber dem Michel in den Arm und drückte ihn der-
art, daß er den Krug fallen ließ. "Zieh' dein Messer," flüsterte
ein anderer Bursch dem Franz zu. Dieser erwiderte aber:
"nein, den Lumpen zwing' ich schon so noch", und nach einem
kurzen Ringkampf lag der Michel unter dem Tisch. Alle nahmen
nun Partei für den gewandten Franz, riefen ihm Beifall zu,
und schon nach wenigen Minuten war der Michel vor der Thür.

Diese ritterliche That nun und noch so manches andere
Gute, was hernach von dem Franz gesagt wurde, wollte der
Wastl heute noch dem Leonhard erzählen, und dabei hatte er
nichts Geringeres im Sinn, als daß er den Franz als den
rechten Mann für die Resl empfehlen wollte. Der Seppl wollte
ihm nie recht passend scheinen. Der Resl aber glaubte er schon
beim Hochzeitsspiel allerlei aus den Augen gelesen zu haben,

auf den Ausgang. Auf einmal rannte die eine aufs Neue der
andern zwiſchen die Hörner, ſo daß ſie ſich feſt in einander ver-
wickelten. Jmmer toller wurden ſie, als ſollten ſie beide drauf-
gehen, nochmals ſtießen und drückten ſie ſich hin und wieder,
dann endlich warf die des Wirths die andere derart nieder, daß
ſie nicht mehr auf konnte und ſchwer blutete. Jetzt war’s Zeit,
daß einige muthige Kerle beiſprangen, denn man weiß ja, daß
die Kühe, wenn ſie Blut ſehen, gar wie beſeſſen werden, und
ohne dieſe menſchliche Hilfe wäre des Huber’s Haagmaierin ſicher
nimmer lebendig vom Platze gekommen. — „Der Wirth aber
ſtrich vergnügt ſeine 50 fl. ein“, ſchloß der Waſtl ſeinen Be-
richt. — Nachdem die begierigen Lauſcher bald dieſe, bald jene
Meinung darüber ausgeſprochen hatten, entſtand eine kleine Pauſe
am Tiſch. Während dieſer hörte Franz zwiſchen all den ver-
ſchiedenen Stimmen, wie Michel eben mit prahleriſchem Ton er-
zählte, daß er in der vorigen Woche die ſchöne Resl auf der
Halſerſpitz beſucht hat und daß ſie gar keine ſolche Heilige ſei, wie
man immer meint, denn er habe ganz leicht einen Kuß von
ihr bekommen können, wenn er ihn nur gewollt hätte. „Das
iſt gelogen!“ rief Franz, indem er aufſprang. „Was, du willſt
mich Lügen ſtrafen?“ ſchrie Michel mit wildem Ton und hob
ſeinen ſteinernen Maßkrug auf, um ihn auf Franz zu ſchleudern.
Dieſer fuhr aber dem Michel in den Arm und drückte ihn der-
art, daß er den Krug fallen ließ. „Zieh’ dein Meſſer,“ flüſterte
ein anderer Burſch dem Franz zu. Dieſer erwiderte aber:
„nein, den Lumpen zwing’ ich ſchon ſo noch“, und nach einem
kurzen Ringkampf lag der Michel unter dem Tiſch. Alle nahmen
nun Partei für den gewandten Franz, riefen ihm Beifall zu,
und ſchon nach wenigen Minuten war der Michel vor der Thür.

Dieſe ritterliche That nun und noch ſo manches andere
Gute, was hernach von dem Franz geſagt wurde, wollte der
Waſtl heute noch dem Leonhard erzählen, und dabei hatte er
nichts Geringeres im Sinn, als daß er den Franz als den
rechten Mann für die Resl empfehlen wollte. Der Seppl wollte
ihm nie recht paſſend ſcheinen. Der Resl aber glaubte er ſchon
beim Hochzeitsſpiel allerlei aus den Augen geleſen zu haben,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter">
        <p><pb facs="#f0055"/>
auf den Ausgang. Auf einmal rannte die eine aufs Neue der<lb/>
andern zwi&#x017F;chen die Hörner, &#x017F;o daß &#x017F;ie &#x017F;ich fe&#x017F;t in einander ver-<lb/>
wickelten. Jmmer toller wurden &#x017F;ie, als &#x017F;ollten &#x017F;ie beide drauf-<lb/>
gehen, nochmals &#x017F;tießen und drückten &#x017F;ie &#x017F;ich hin und wieder,<lb/>
dann endlich warf die des Wirths die andere derart nieder, daß<lb/>
&#x017F;ie nicht mehr auf konnte und &#x017F;chwer blutete. Jetzt war&#x2019;s Zeit,<lb/>
daß einige muthige Kerle bei&#x017F;prangen, denn man weiß ja, daß<lb/>
die Kühe, wenn &#x017F;ie Blut &#x017F;ehen, gar wie be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en werden, und<lb/>
ohne die&#x017F;e men&#x017F;chliche Hilfe wäre des Huber&#x2019;s Haagmaierin &#x017F;icher<lb/>
nimmer lebendig vom Platze gekommen. &#x2014; &#x201E;Der Wirth aber<lb/>
&#x017F;trich vergnügt &#x017F;eine 50 fl. ein&#x201C;, &#x017F;chloß der Wa&#x017F;tl &#x017F;einen Be-<lb/>
richt. &#x2014; Nachdem die begierigen Lau&#x017F;cher bald die&#x017F;e, bald jene<lb/>
Meinung darüber ausge&#x017F;prochen hatten, ent&#x017F;tand eine kleine Pau&#x017F;e<lb/>
am Ti&#x017F;ch. Während die&#x017F;er hörte Franz zwi&#x017F;chen all den ver-<lb/>
&#x017F;chiedenen Stimmen, wie Michel eben mit prahleri&#x017F;chem Ton er-<lb/>
zählte, daß er in der vorigen Woche die &#x017F;chöne Resl auf der<lb/>
Hal&#x017F;er&#x017F;pitz be&#x017F;ucht hat und daß &#x017F;ie gar keine &#x017F;olche Heilige &#x017F;ei, wie<lb/>
man immer meint, denn er habe ganz leicht einen Kuß von<lb/>
ihr bekommen können, wenn er ihn nur gewollt hätte. &#x201E;Das<lb/>
i&#x017F;t gelogen!&#x201C; rief Franz, indem er auf&#x017F;prang. &#x201E;Was, du will&#x017F;t<lb/>
mich Lügen &#x017F;trafen?&#x201C; &#x017F;chrie Michel mit wildem Ton und hob<lb/>
&#x017F;einen &#x017F;teinernen Maßkrug auf, um ihn auf Franz zu &#x017F;chleudern.<lb/>
Die&#x017F;er fuhr aber dem Michel in den Arm und drückte ihn der-<lb/>
art, daß er den Krug fallen ließ. &#x201E;Zieh&#x2019; dein Me&#x017F;&#x017F;er,&#x201C; flü&#x017F;terte<lb/>
ein anderer Bur&#x017F;ch dem Franz zu. Die&#x017F;er erwiderte aber:<lb/>
&#x201E;nein, den Lumpen zwing&#x2019; ich &#x017F;chon &#x017F;o noch&#x201C;, und nach einem<lb/>
kurzen Ringkampf lag der Michel unter dem Ti&#x017F;ch. Alle nahmen<lb/>
nun Partei für den gewandten Franz, riefen ihm Beifall zu,<lb/>
und &#x017F;chon nach wenigen Minuten war der Michel vor der Thür.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e ritterliche That nun und noch &#x017F;o manches andere<lb/>
Gute, was hernach von dem Franz ge&#x017F;agt wurde, wollte der<lb/>
Wa&#x017F;tl heute noch dem Leonhard erzählen, und dabei hatte er<lb/>
nichts Geringeres im Sinn, als daß er den <hi rendition="#g">Franz</hi> als den<lb/>
rechten Mann für die Resl empfehlen wollte. Der Seppl wollte<lb/>
ihm nie recht pa&#x017F;&#x017F;end &#x017F;cheinen. Der Resl aber glaubte er &#x017F;chon<lb/>
beim Hochzeits&#x017F;piel allerlei aus den Augen gele&#x017F;en zu haben,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0055] auf den Ausgang. Auf einmal rannte die eine aufs Neue der andern zwiſchen die Hörner, ſo daß ſie ſich feſt in einander ver- wickelten. Jmmer toller wurden ſie, als ſollten ſie beide drauf- gehen, nochmals ſtießen und drückten ſie ſich hin und wieder, dann endlich warf die des Wirths die andere derart nieder, daß ſie nicht mehr auf konnte und ſchwer blutete. Jetzt war’s Zeit, daß einige muthige Kerle beiſprangen, denn man weiß ja, daß die Kühe, wenn ſie Blut ſehen, gar wie beſeſſen werden, und ohne dieſe menſchliche Hilfe wäre des Huber’s Haagmaierin ſicher nimmer lebendig vom Platze gekommen. — „Der Wirth aber ſtrich vergnügt ſeine 50 fl. ein“, ſchloß der Waſtl ſeinen Be- richt. — Nachdem die begierigen Lauſcher bald dieſe, bald jene Meinung darüber ausgeſprochen hatten, entſtand eine kleine Pauſe am Tiſch. Während dieſer hörte Franz zwiſchen all den ver- ſchiedenen Stimmen, wie Michel eben mit prahleriſchem Ton er- zählte, daß er in der vorigen Woche die ſchöne Resl auf der Halſerſpitz beſucht hat und daß ſie gar keine ſolche Heilige ſei, wie man immer meint, denn er habe ganz leicht einen Kuß von ihr bekommen können, wenn er ihn nur gewollt hätte. „Das iſt gelogen!“ rief Franz, indem er aufſprang. „Was, du willſt mich Lügen ſtrafen?“ ſchrie Michel mit wildem Ton und hob ſeinen ſteinernen Maßkrug auf, um ihn auf Franz zu ſchleudern. Dieſer fuhr aber dem Michel in den Arm und drückte ihn der- art, daß er den Krug fallen ließ. „Zieh’ dein Meſſer,“ flüſterte ein anderer Burſch dem Franz zu. Dieſer erwiderte aber: „nein, den Lumpen zwing’ ich ſchon ſo noch“, und nach einem kurzen Ringkampf lag der Michel unter dem Tiſch. Alle nahmen nun Partei für den gewandten Franz, riefen ihm Beifall zu, und ſchon nach wenigen Minuten war der Michel vor der Thür. Dieſe ritterliche That nun und noch ſo manches andere Gute, was hernach von dem Franz geſagt wurde, wollte der Waſtl heute noch dem Leonhard erzählen, und dabei hatte er nichts Geringeres im Sinn, als daß er den Franz als den rechten Mann für die Resl empfehlen wollte. Der Seppl wollte ihm nie recht paſſend ſcheinen. Der Resl aber glaubte er ſchon beim Hochzeitsſpiel allerlei aus den Augen geleſen zu haben,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Andreas Hungeling / https://www.stimm-los.de/: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-06-17T10:39:18Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-06-17T10:39:18Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; I/J in Fraktur: wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875/55
Zitationshilfe: Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875/55>, abgerufen am 22.11.2024.