Die Festtagssonne vergoldete mit ihren Frühstrahlen Berge und Fluren, und verkündete hiemit einen herrlichen Tag, wie das gewöhnlich der Fall war, wenn König Max etwas unter- nahm. Schon am Abend vorher waren vornehme Gäste am Schloß abgestiegen, und auch sonst waren viele Herren und Damen aus der Residenz zum Fest gekommen, welche man theils im Gasthaus, theils in Bauernhäusern untergebracht hatte. Noch größere Schaaren aber zogen seit der ersten Morgenstunde aus allen umliegenden Ortschaften in ihrem schönsten Festtags- gewand herbei, und schon wogte eine bunte Menge von Städtern und Landleuten durch die mit Fahnen und Laubgewinden ge- schmückte Straße, durch welche der Hochzeitszug zum Schloß ziehen sollte. Dort aber waren die Hoflakeien beschäftigt, nach Angabe eines Tegernseer Bürgers den zu Mahl und Tanz be- stimmten Saal bestmöglichst zu ordnen und herauszuputzen. Die üblichen Fest- und Segenssprüche in Frakturschrift prangten in Blumenrahmen an der Wand, abwechselnd mit großen Krän- zen, um welche verschiedenfarbige Bänder geschlungen waren, und eben überlegte man, wie die Guirlanden aus Feldblumen, Alpenrosen und duftenden Blüthen aus dem Schloßgarten ge- schmackvoll anzubringen seien. Die Tische waren, je nach der Rangordnung der Hochzeitsgäste, gedeckt und geschmückt, und den Brauttisch zierte natürlich der größte der Blumensträuße. Jm Wirthshaus dagegen entwickelte sich der praktische Prunk des Festes. Nachdem eine kolossale Menge von Bratwürsten fertig war, bemühte man sich mit Beihilfe einiger königlichen Küchen- jungen die verschiedenen Braten zu salzen und zu spicken, um sie im gegebenen Moment an den Bratspieß zu stecken, und ein mit Bierfässern voll beladener Wagen wurde eben zum Schloß gefahren. Einzig nur der sonntägliche Gottesdienst brachte einige Ruhe in die allgemeine Aufregung, die heute allerwärts herrschte; kaum war aber dieser beendet, so stellten sich auch schon in ver- mehrter Menge die Zuschauer zu beiden Seiten der Hauptstraße
10. Ein Hochzeitsſpiel.
Die Feſttagsſonne vergoldete mit ihren Frühſtrahlen Berge und Fluren, und verkündete hiemit einen herrlichen Tag, wie das gewöhnlich der Fall war, wenn König Max etwas unter- nahm. Schon am Abend vorher waren vornehme Gäſte am Schloß abgeſtiegen, und auch ſonſt waren viele Herren und Damen aus der Reſidenz zum Feſt gekommen, welche man theils im Gaſthaus, theils in Bauernhäuſern untergebracht hatte. Noch größere Schaaren aber zogen ſeit der erſten Morgenſtunde aus allen umliegenden Ortſchaften in ihrem ſchönſten Feſttags- gewand herbei, und ſchon wogte eine bunte Menge von Städtern und Landleuten durch die mit Fahnen und Laubgewinden ge- ſchmückte Straße, durch welche der Hochzeitszug zum Schloß ziehen ſollte. Dort aber waren die Hoflakeien beſchäftigt, nach Angabe eines Tegernſeer Bürgers den zu Mahl und Tanz be- ſtimmten Saal beſtmöglichſt zu ordnen und herauszuputzen. Die üblichen Feſt- und Segensſprüche in Frakturſchrift prangten in Blumenrahmen an der Wand, abwechſelnd mit großen Krän- zen, um welche verſchiedenfarbige Bänder geſchlungen waren, und eben überlegte man, wie die Guirlanden aus Feldblumen, Alpenroſen und duftenden Blüthen aus dem Schloßgarten ge- ſchmackvoll anzubringen ſeien. Die Tiſche waren, je nach der Rangordnung der Hochzeitsgäſte, gedeckt und geſchmückt, und den Brauttiſch zierte natürlich der größte der Blumenſträuße. Jm Wirthshaus dagegen entwickelte ſich der praktiſche Prunk des Feſtes. Nachdem eine koloſſale Menge von Bratwürſten fertig war, bemühte man ſich mit Beihilfe einiger königlichen Küchen- jungen die verſchiedenen Braten zu ſalzen und zu ſpicken, um ſie im gegebenen Moment an den Bratſpieß zu ſtecken, und ein mit Bierfäſſern voll beladener Wagen wurde eben zum Schloß gefahren. Einzig nur der ſonntägliche Gottesdienſt brachte einige Ruhe in die allgemeine Aufregung, die heute allerwärts herrſchte; kaum war aber dieſer beendet, ſo ſtellten ſich auch ſchon in ver- mehrter Menge die Zuſchauer zu beiden Seiten der Hauptſtraße
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10. Ein Hochzeitsſpiel.
Die Feſttagsſonne vergoldete mit ihren Frühſtrahlen Berge
und Fluren, und verkündete hiemit einen herrlichen Tag, wie
das gewöhnlich der Fall war, wenn König Max etwas unter-
nahm. Schon am Abend vorher waren vornehme Gäſte am
Schloß abgeſtiegen, und auch ſonſt waren viele Herren und
Damen aus der Reſidenz zum Feſt gekommen, welche man
theils im Gaſthaus, theils in Bauernhäuſern untergebracht hatte.
Noch größere Schaaren aber zogen ſeit der erſten Morgenſtunde
aus allen umliegenden Ortſchaften in ihrem ſchönſten Feſttags-
gewand herbei, und ſchon wogte eine bunte Menge von Städtern
und Landleuten durch die mit Fahnen und Laubgewinden ge-
ſchmückte Straße, durch welche der Hochzeitszug zum Schloß
ziehen ſollte. Dort aber waren die Hoflakeien beſchäftigt, nach
Angabe eines Tegernſeer Bürgers den zu Mahl und Tanz be-
ſtimmten Saal beſtmöglichſt zu ordnen und herauszuputzen.
Die üblichen Feſt- und Segensſprüche in Frakturſchrift prangten
in Blumenrahmen an der Wand, abwechſelnd mit großen Krän-
zen, um welche verſchiedenfarbige Bänder geſchlungen waren,
und eben überlegte man, wie die Guirlanden aus Feldblumen,
Alpenroſen und duftenden Blüthen aus dem Schloßgarten ge-
ſchmackvoll anzubringen ſeien. Die Tiſche waren, je nach der
Rangordnung der Hochzeitsgäſte, gedeckt und geſchmückt, und den
Brauttiſch zierte natürlich der größte der Blumenſträuße. Jm
Wirthshaus dagegen entwickelte ſich der praktiſche Prunk des
Feſtes. Nachdem eine koloſſale Menge von Bratwürſten fertig
war, bemühte man ſich mit Beihilfe einiger königlichen Küchen-
jungen die verſchiedenen Braten zu ſalzen und zu ſpicken, um
ſie im gegebenen Moment an den Bratſpieß zu ſtecken, und ein
mit Bierfäſſern voll beladener Wagen wurde eben zum Schloß
gefahren. Einzig nur der ſonntägliche Gottesdienſt brachte einige
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kaum war aber dieſer beendet, ſo ſtellten ſich auch ſchon in ver-
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Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875/31>, abgerufen am 03.03.2025.
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