Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Oscar Linke. "Schau'st du dort oben jenes höchste Licht" -- O frommes Kind, ich seh es nicht, noch nicht; Ich seh' nur, wie versinkt das Blau der Nacht In immer düst'rer glänzend schwarze Pracht. "Geduld! wir sind von ihm nicht mehr so weit" -- O du mein Stern, umhüllt von Seligkeit, Wag' ich zu ahnen kaum das höchste Licht, Von dem dein blasser Mund verheißend spricht. "O weiter, weiter nur zum Flug hinan" -- Mein heilig Kind, ich bin ein kranker Mann, Bin müde, grenzenlos, schon sink' ich, weh ... Von unten winkt ein nachtschwarz stummer See. O du mein Stern, o weiße Blume du, Mein Himmel, ach, ich sehne mich nach Ruh -- "Geliebter, siehst du nicht den ros'gen Schein?" ... Mein Muth zerbricht, weh' mir, flieg du allein! Umathmet schon vom Hauch des ew'gen Lichts, Sank ich hinab ins bodenlose Nichts; Und während aus den Tiefen ich so nah Des ries'gen Dämons höhnisch' Grinsen sah, Da scholl es wild wie ein Verzweiflungsschrei Von oben her in grauser Melodei: "Getrennt auf immerdar! Du glaubtest nicht An der Verheißung ewig leuchtend Licht!" Schweiß stand auf meiner Stirn. Ich war erwacht Aus meinem Traum; und in die blaue Nacht Sah ich hinaus; verstummt war Sang und Tanz -- Und nur zu fühlen noch des Mondes Glanz. Oscar Linke. „Schau’ſt du dort oben jenes höchſte Licht“ — O frommes Kind, ich ſeh es nicht, noch nicht; Ich ſeh’ nur, wie verſinkt das Blau der Nacht In immer düſt’rer glänzend ſchwarze Pracht. „Geduld! wir ſind von ihm nicht mehr ſo weit“ — O du mein Stern, umhüllt von Seligkeit, Wag’ ich zu ahnen kaum das höchſte Licht, Von dem dein blaſſer Mund verheißend ſpricht. „O weiter, weiter nur zum Flug hinan“ — Mein heilig Kind, ich bin ein kranker Mann, Bin müde, grenzenlos, ſchon ſink’ ich, weh … Von unten winkt ein nachtſchwarz ſtummer See. O du mein Stern, o weiße Blume du, Mein Himmel, ach, ich ſehne mich nach Ruh — „Geliebter, ſiehſt du nicht den roſ’gen Schein?“ … Mein Muth zerbricht, weh’ mir, flieg du allein! Umathmet ſchon vom Hauch des ew’gen Lichts, Sank ich hinab ins bodenloſe Nichts; Und während aus den Tiefen ich ſo nah Des rieſ’gen Dämons höhniſch’ Grinſen ſah, Da ſcholl es wild wie ein Verzweiflungsſchrei Von oben her in grauſer Melodei: „Getrennt auf immerdar! Du glaubteſt nicht An der Verheißung ewig leuchtend Licht!“ Schweiß ſtand auf meiner Stirn. Ich war erwacht Aus meinem Traum; und in die blaue Nacht Sah ich hinaus; verſtummt war Sang und Tanz — Und nur zu fühlen noch des Mondes Glanz. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0054" n="36"/> <fw place="top" type="header">Oscar Linke.</fw><lb/> <lg n="7"> <l>„Schau’ſt du dort oben jenes höchſte Licht“ —</l><lb/> <l>O frommes Kind, ich ſeh es nicht, <hi rendition="#g">noch</hi> nicht;</l><lb/> <l>Ich ſeh’ nur, wie verſinkt das Blau der Nacht</l><lb/> <l>In immer düſt’rer glänzend ſchwarze Pracht.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>„Geduld! wir ſind von ihm nicht mehr ſo weit“ —</l><lb/> <l>O du mein Stern, umhüllt von Seligkeit,</l><lb/> <l>Wag’ ich zu ahnen kaum das höchſte Licht,</l><lb/> <l>Von dem dein blaſſer Mund verheißend ſpricht.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>„O weiter, weiter nur zum Flug hinan“ —</l><lb/> <l>Mein heilig Kind, ich bin ein kranker Mann,</l><lb/> <l>Bin müde, grenzenlos, ſchon ſink’ ich, weh …</l><lb/> <l>Von unten winkt ein nachtſchwarz ſtummer See.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>O du mein Stern, o weiße Blume du,</l><lb/> <l>Mein Himmel, ach, ich ſehne mich nach Ruh —</l><lb/> <l>„Geliebter, ſiehſt du nicht den roſ’gen Schein?“ …</l><lb/> <l>Mein Muth zerbricht, weh’ mir, flieg du allein!</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Umathmet ſchon vom Hauch des ew’gen Lichts,</l><lb/> <l>Sank ich hinab ins bodenloſe Nichts;</l><lb/> <l>Und während aus den Tiefen ich ſo nah</l><lb/> <l>Des rieſ’gen Dämons höhniſch’ Grinſen ſah,</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>Da ſcholl es wild wie ein Verzweiflungsſchrei</l><lb/> <l>Von oben her in grauſer Melodei:</l><lb/> <l>„Getrennt auf immerdar! Du <hi rendition="#g">glaubteſt</hi> nicht</l><lb/> <l>An der Verheißung ewig leuchtend Licht!“</l> </lg><lb/> <lg n="13"> <l>Schweiß ſtand auf meiner Stirn. Ich war erwacht</l><lb/> <l>Aus meinem Traum; und in die blaue Nacht</l><lb/> <l>Sah ich hinaus; verſtummt war Sang und Tanz —</l><lb/> <l>Und nur zu fühlen noch des Mondes Glanz.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [36/0054]
Oscar Linke.
„Schau’ſt du dort oben jenes höchſte Licht“ —
O frommes Kind, ich ſeh es nicht, noch nicht;
Ich ſeh’ nur, wie verſinkt das Blau der Nacht
In immer düſt’rer glänzend ſchwarze Pracht.
„Geduld! wir ſind von ihm nicht mehr ſo weit“ —
O du mein Stern, umhüllt von Seligkeit,
Wag’ ich zu ahnen kaum das höchſte Licht,
Von dem dein blaſſer Mund verheißend ſpricht.
„O weiter, weiter nur zum Flug hinan“ —
Mein heilig Kind, ich bin ein kranker Mann,
Bin müde, grenzenlos, ſchon ſink’ ich, weh …
Von unten winkt ein nachtſchwarz ſtummer See.
O du mein Stern, o weiße Blume du,
Mein Himmel, ach, ich ſehne mich nach Ruh —
„Geliebter, ſiehſt du nicht den roſ’gen Schein?“ …
Mein Muth zerbricht, weh’ mir, flieg du allein!
Umathmet ſchon vom Hauch des ew’gen Lichts,
Sank ich hinab ins bodenloſe Nichts;
Und während aus den Tiefen ich ſo nah
Des rieſ’gen Dämons höhniſch’ Grinſen ſah,
Da ſcholl es wild wie ein Verzweiflungsſchrei
Von oben her in grauſer Melodei:
„Getrennt auf immerdar! Du glaubteſt nicht
An der Verheißung ewig leuchtend Licht!“
Schweiß ſtand auf meiner Stirn. Ich war erwacht
Aus meinem Traum; und in die blaue Nacht
Sah ich hinaus; verſtummt war Sang und Tanz —
Und nur zu fühlen noch des Mondes Glanz.
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