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Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].

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Carl Bleibtreu.
Nie wird aus gleichem Marmor zugeschnitten
Ein zweiter Dichter, wie die Hand der Zeit
Ihn einmal formt. Der Schleier fällt inmitten
Der Welt von dem lebend'gen Monument --
Da ist's kein Antlitz, das die Mitwelt kennt
Aus den Annalen der Vergangenheit.


Die Glorie der wahren Dichtung stammt
Vom Dornenstrauch, der auf dem Horeb flammt,
Unnahbar-lodernd -- aber sichtbar sein
Darf er dem Aug' des Moses nur allein.


Was braucht der Denker prächt'ge Ehrendegen?
Ihm ist ja schon die Ehrenpalme worden:
Denn seine Wunden sind des Kämpfers Orden.
Fliegt unser Banner nicht dem Wind entgegen?
Die Donnerwolke bahnt sich ihren Pfad.
Das Wort
Entladet sich und blitzt gewaltig fort,
Schlägt ein als That.


Nur das ist Glück, wenn alle Fähigkeiten
Nach hohem Ziel bis auf das Letzte streiten.
Nur so in äußerm Sturm ist innrer Frieden
Der räthselvollen Menschenbrust beschieden.


Der Dämon des Gedankens steht einsam neben mir,
Vom Diesseits wie vom Jenseits hab' ich mich losgerissen.
Ich finde nimmer Frieden als Mensch auf Erden hier
Und überird'sche Dinge kann ich getrost vermissen.
Das Ueberirdsche brauchst du? Erkennst du denn nicht, Tropf,
Die Beatrice Dante's und Byron-Miltons Satan?
Im Innern steckt's! Das Heil'ge such' du im eignen Kopf,
Als religiös-prophetisch nimm nur die Dichterthat an!
Ich bin mein eigner Richter, furchtlos und hoffnungslos;
Mich kümmert nicht der Tod, mich kümmert nicht das Leben.
Ich stehe und vertraue auf meinen Dämon blos.
Nicht Gott noch Teufel kann mich stürzen oder heben.

Carl Bleibtreu.
Nie wird aus gleichem Marmor zugeſchnitten
Ein zweiter Dichter, wie die Hand der Zeit
Ihn einmal formt. Der Schleier fällt inmitten
Der Welt von dem lebend’gen Monument —
Da iſt’s kein Antlitz, das die Mitwelt kennt
Aus den Annalen der Vergangenheit.


Die Glorie der wahren Dichtung ſtammt
Vom Dornenſtrauch, der auf dem Horeb flammt,
Unnahbar-lodernd — aber ſichtbar ſein
Darf er dem Aug’ des Moſes nur allein.


Was braucht der Denker prächt’ge Ehrendegen?
Ihm iſt ja ſchon die Ehrenpalme worden:
Denn ſeine Wunden ſind des Kämpfers Orden.
Fliegt unſer Banner nicht dem Wind entgegen?
Die Donnerwolke bahnt ſich ihren Pfad.
Das Wort
Entladet ſich und blitzt gewaltig fort,
Schlägt ein als That.


Nur das iſt Glück, wenn alle Fähigkeiten
Nach hohem Ziel bis auf das Letzte ſtreiten.
Nur ſo in äußerm Sturm iſt innrer Frieden
Der räthſelvollen Menſchenbruſt beſchieden.


Der Dämon des Gedankens ſteht einſam neben mir,
Vom Dieſſeits wie vom Jenſeits hab’ ich mich losgeriſſen.
Ich finde nimmer Frieden als Menſch auf Erden hier
Und überird’ſche Dinge kann ich getroſt vermiſſen.
Das Ueberirdſche brauchſt du? Erkennſt du denn nicht, Tropf,
Die Beatrice Dante’s und Byron-Miltons Satan?
Im Innern ſteckt’s! Das Heil’ge ſuch’ du im eignen Kopf,
Als religiös-prophetiſch nimm nur die Dichterthat an!
Ich bin mein eigner Richter, furchtlos und hoffnungslos;
Mich kümmert nicht der Tod, mich kümmert nicht das Leben.
Ich ſtehe und vertraue auf meinen Dämon blos.
Nicht Gott noch Teufel kann mich ſtürzen oder heben.

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[12/0334] Carl Bleibtreu. Nie wird aus gleichem Marmor zugeſchnitten Ein zweiter Dichter, wie die Hand der Zeit Ihn einmal formt. Der Schleier fällt inmitten Der Welt von dem lebend’gen Monument — Da iſt’s kein Antlitz, das die Mitwelt kennt Aus den Annalen der Vergangenheit. Die Glorie der wahren Dichtung ſtammt Vom Dornenſtrauch, der auf dem Horeb flammt, Unnahbar-lodernd — aber ſichtbar ſein Darf er dem Aug’ des Moſes nur allein. Was braucht der Denker prächt’ge Ehrendegen? Ihm iſt ja ſchon die Ehrenpalme worden: Denn ſeine Wunden ſind des Kämpfers Orden. Fliegt unſer Banner nicht dem Wind entgegen? Die Donnerwolke bahnt ſich ihren Pfad. Das Wort Entladet ſich und blitzt gewaltig fort, Schlägt ein als That. Nur das iſt Glück, wenn alle Fähigkeiten Nach hohem Ziel bis auf das Letzte ſtreiten. Nur ſo in äußerm Sturm iſt innrer Frieden Der räthſelvollen Menſchenbruſt beſchieden. Der Dämon des Gedankens ſteht einſam neben mir, Vom Dieſſeits wie vom Jenſeits hab’ ich mich losgeriſſen. Ich finde nimmer Frieden als Menſch auf Erden hier Und überird’ſche Dinge kann ich getroſt vermiſſen. Das Ueberirdſche brauchſt du? Erkennſt du denn nicht, Tropf, Die Beatrice Dante’s und Byron-Miltons Satan? Im Innern ſteckt’s! Das Heil’ge ſuch’ du im eignen Kopf, Als religiös-prophetiſch nimm nur die Dichterthat an! Ich bin mein eigner Richter, furchtlos und hoffnungslos; Mich kümmert nicht der Tod, mich kümmert nicht das Leben. Ich ſtehe und vertraue auf meinen Dämon blos. Nicht Gott noch Teufel kann mich ſtürzen oder heben.

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Zitationshilfe: Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/334>, abgerufen am 24.11.2024.