Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Ernst von Wildenbruch. Und sie mischte ihm die Tropfen -- Wo am schattigsten die Bäume, Wo am duftigsten die Blumen, Dort im stillen Gartenhause, Fern der Welt und fern den Menschen, Pflegte sie den wunden Herrn. Mählich schlossen sich die Wunden -- Zweimal ging der lichte Frühling Durch das Thal von Barcelona; Als er kam zum drittenmale, Fand er, unter Blumen wandelnd, Friedlich lächelnd einen Greis. Und das war der kühne Emir -- Jene Hand, die einst am Ebro Wie den Blitz das Schwert regierte, Spielte jetzt mit Frühlingsblumen, Und das Schlacht-gewalt'ge Auge Blickte träumend in das Grün. -- Gülnahar an seiner Seite, "Bist Du ganz mir nun gesundet?" Sprach sie liebend. -- "Ganz gesundet." -- "Fühlst Du Schmerzen?" -- "Keine Schmerzen." "Doch Dein Auge blickt so trübe?" "Etwas," sprach er, fehlet mir." "Und dies etwas -- sprich, was ist es?" "Nimmer weiß ich es zu sagen; Wie ich sinne, wie ich denke, Nimmer weiß ich es zu finden, Doch es war in meinem Herzen Und im Herzen ist's nicht mehr." Also saß er eines Tages Unter'm Schattendach der Bäume, Gülnahar an seiner Seite -- Da vom Traume fuhr empor er, Da vom Sitze sprang empor er -- Was war das, was dort erklang? Ernſt von Wildenbruch. Und ſie miſchte ihm die Tropfen — Wo am ſchattigſten die Bäume, Wo am duftigſten die Blumen, Dort im ſtillen Gartenhauſe, Fern der Welt und fern den Menſchen, Pflegte ſie den wunden Herrn. Mählich ſchloſſen ſich die Wunden — Zweimal ging der lichte Frühling Durch das Thal von Barcelona; Als er kam zum drittenmale, Fand er, unter Blumen wandelnd, Friedlich lächelnd einen Greis. Und das war der kühne Emir — Jene Hand, die einſt am Ebro Wie den Blitz das Schwert regierte, Spielte jetzt mit Frühlingsblumen, Und das Schlacht-gewalt’ge Auge Blickte träumend in das Grün. — Gülnahar an ſeiner Seite, „Biſt Du ganz mir nun geſundet?“ Sprach ſie liebend. — „Ganz geſundet.“ — „Fühlſt Du Schmerzen?“ — „Keine Schmerzen.“ „Doch Dein Auge blickt ſo trübe?“ „Etwas,“ ſprach er, fehlet mir.“ „Und dies etwas — ſprich, was iſt es?“ „Nimmer weiß ich es zu ſagen; Wie ich ſinne, wie ich denke, Nimmer weiß ich es zu finden, Doch es war in meinem Herzen Und im Herzen iſt’s nicht mehr.“ Alſo ſaß er eines Tages Unter’m Schattendach der Bäume, Gülnahar an ſeiner Seite — Da vom Traume fuhr empor er, Da vom Sitze ſprang empor er — Was war das, was dort erklang? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0273" n="255"/> <fw place="top" type="header">Ernſt von Wildenbruch.</fw><lb/> <lg n="8"> <l>Und ſie miſchte ihm die Tropfen —</l><lb/> <l>Wo am ſchattigſten die Bäume,</l><lb/> <l>Wo am duftigſten die Blumen,</l><lb/> <l>Dort im ſtillen Gartenhauſe,</l><lb/> <l>Fern der Welt und fern den Menſchen,</l><lb/> <l>Pflegte ſie den wunden Herrn.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Mählich ſchloſſen ſich die Wunden —</l><lb/> <l>Zweimal ging der lichte Frühling</l><lb/> <l>Durch das Thal von Barcelona;</l><lb/> <l>Als er kam zum drittenmale,</l><lb/> <l>Fand er, unter Blumen wandelnd,</l><lb/> <l>Friedlich lächelnd einen Greis.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Und das war der kühne Emir —</l><lb/> <l>Jene Hand, die einſt am Ebro</l><lb/> <l>Wie den Blitz das Schwert regierte,</l><lb/> <l>Spielte jetzt mit Frühlingsblumen,</l><lb/> <l>Und das Schlacht-gewalt’ge Auge</l><lb/> <l>Blickte träumend in das Grün. —</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Gülnahar an ſeiner Seite,</l><lb/> <l>„Biſt Du ganz mir nun geſundet?“</l><lb/> <l>Sprach ſie liebend. — „Ganz geſundet.“ —</l><lb/> <l>„Fühlſt Du Schmerzen?“ — „Keine Schmerzen.“</l><lb/> <l>„Doch Dein Auge blickt ſo trübe?“</l><lb/> <l>„Etwas,“ ſprach er, fehlet mir.“</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>„Und dies etwas — ſprich, was iſt es?“</l><lb/> <l>„Nimmer weiß ich es zu ſagen;</l><lb/> <l>Wie ich ſinne, wie ich denke,</l><lb/> <l>Nimmer weiß ich es zu finden,</l><lb/> <l>Doch es war in meinem Herzen</l><lb/> <l>Und im Herzen iſt’s nicht mehr.“</l> </lg><lb/> <lg n="13"> <l>Alſo ſaß er eines Tages</l><lb/> <l>Unter’m Schattendach der Bäume,</l><lb/> <l>Gülnahar an ſeiner Seite —</l><lb/> <l>Da vom Traume fuhr empor er,</l><lb/> <l>Da vom Sitze ſprang empor er —</l><lb/> <l>Was war das, was dort erklang?</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [255/0273]
Ernſt von Wildenbruch.
Und ſie miſchte ihm die Tropfen —
Wo am ſchattigſten die Bäume,
Wo am duftigſten die Blumen,
Dort im ſtillen Gartenhauſe,
Fern der Welt und fern den Menſchen,
Pflegte ſie den wunden Herrn.
Mählich ſchloſſen ſich die Wunden —
Zweimal ging der lichte Frühling
Durch das Thal von Barcelona;
Als er kam zum drittenmale,
Fand er, unter Blumen wandelnd,
Friedlich lächelnd einen Greis.
Und das war der kühne Emir —
Jene Hand, die einſt am Ebro
Wie den Blitz das Schwert regierte,
Spielte jetzt mit Frühlingsblumen,
Und das Schlacht-gewalt’ge Auge
Blickte träumend in das Grün. —
Gülnahar an ſeiner Seite,
„Biſt Du ganz mir nun geſundet?“
Sprach ſie liebend. — „Ganz geſundet.“ —
„Fühlſt Du Schmerzen?“ — „Keine Schmerzen.“
„Doch Dein Auge blickt ſo trübe?“
„Etwas,“ ſprach er, fehlet mir.“
„Und dies etwas — ſprich, was iſt es?“
„Nimmer weiß ich es zu ſagen;
Wie ich ſinne, wie ich denke,
Nimmer weiß ich es zu finden,
Doch es war in meinem Herzen
Und im Herzen iſt’s nicht mehr.“
Alſo ſaß er eines Tages
Unter’m Schattendach der Bäume,
Gülnahar an ſeiner Seite —
Da vom Traume fuhr empor er,
Da vom Sitze ſprang empor er —
Was war das, was dort erklang?
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