Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Ernst von Wildenbruch. Im fernen Lande, Du nur mit mir, Ewig und ewig ich nur mit Dir! Du hast kein Weib an das Herz noch gedrückt, Du weißt nicht, wie Weibes Liebe beglückt, Reicher an Liebe sollst Du werden, Als jemals Menschen waren auf Erden -- Die Sterne wandeln, die Stunden zieh'n, Es ist Zeit, es ist Zeit, komm, laß uns entflieh'n!' Ihr heißer Odem wie Sturmwind ging, Ihr weißer Arm meinen Nacken umfing, Ihr dunkles Haar, wie Fittig der Nacht, Umfloß des Leibes herrliche Pracht -- In meinem Haupte, in meiner Brust War schwindelnde Wonne, tödtliche Lust, Ich beugte mich nieder, ich wollte sie küssen, -- Da fühlt' ich mich schaudernd rückwärts gerissen: ,Du küssest die Hexe, Du segnest die Schuld, Du hast keinen Theil mehr an göttlicher Huld!' Auf meinen Lippen starb das Wort, Von meinem Herzen stieß ich sie fort, Entsetzen jagte mich aus der Kammer -- Da schrie sie mir nach in Verzweiflung und Jammer, Sie brach zur Erde, sie lag auf den Steinen, Dumpf hinter mir hört' ich sie schluchzen und weinen.' -- Medardus schwieg -- seine Wange erblich -- Mein Bruder, sagt' ich, was ängstet Dich? Du hast dem Versucher widerstanden Und machtest des Teufels Künste zu schanden. Doch als ich tröstend ihm solches sprach, Gelächter von seinen Lippen brach, Ein Lachen, so wild und ungestüm, Als lachte der Teufel selber aus ihm. Mit rollenden Augen blickt' er mich an, Er schwieg. -- Dann sprach er: ,Der Tag begann -- Der Himmel brannte in Morgen-Flammen, Die Menschen rotteten sich zusammen, Im Felde draußen, von Scheitern geschichtet, Stand dunkel und düster der Holzstoß gerichtet, Und aller Augen hingen am Pfahl -- Da stand sie und harrte ihrer Qual. -- Ernſt von Wildenbruch. Im fernen Lande, Du nur mit mir, Ewig und ewig ich nur mit Dir! Du haſt kein Weib an das Herz noch gedrückt, Du weißt nicht, wie Weibes Liebe beglückt, Reicher an Liebe ſollſt Du werden, Als jemals Menſchen waren auf Erden — Die Sterne wandeln, die Stunden zieh’n, Es iſt Zeit, es iſt Zeit, komm, laß uns entflieh’n!‘ Ihr heißer Odem wie Sturmwind ging, Ihr weißer Arm meinen Nacken umfing, Ihr dunkles Haar, wie Fittig der Nacht, Umfloß des Leibes herrliche Pracht — In meinem Haupte, in meiner Bruſt War ſchwindelnde Wonne, tödtliche Luſt, Ich beugte mich nieder, ich wollte ſie küſſen, — Da fühlt’ ich mich ſchaudernd rückwärts geriſſen: ‚Du küſſeſt die Hexe, Du ſegneſt die Schuld, Du haſt keinen Theil mehr an göttlicher Huld!‘ Auf meinen Lippen ſtarb das Wort, Von meinem Herzen ſtieß ich ſie fort, Entſetzen jagte mich aus der Kammer — Da ſchrie ſie mir nach in Verzweiflung und Jammer, Sie brach zur Erde, ſie lag auf den Steinen, Dumpf hinter mir hört’ ich ſie ſchluchzen und weinen.‘ — Medardus ſchwieg — ſeine Wange erblich — Mein Bruder, ſagt’ ich, was ängſtet Dich? Du haſt dem Verſucher widerſtanden Und machteſt des Teufels Künſte zu ſchanden. Doch als ich tröſtend ihm ſolches ſprach, Gelächter von ſeinen Lippen brach, Ein Lachen, ſo wild und ungeſtüm, Als lachte der Teufel ſelber aus ihm. Mit rollenden Augen blickt’ er mich an, Er ſchwieg. — Dann ſprach er: ‚Der Tag begann — Der Himmel brannte in Morgen-Flammen, Die Menſchen rotteten ſich zuſammen, Im Felde draußen, von Scheitern geſchichtet, Stand dunkel und düſter der Holzſtoß gerichtet, Und aller Augen hingen am Pfahl — Da ſtand ſie und harrte ihrer Qual. — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="1"> <pb facs="#f0269" n="251"/> <fw place="top" type="header">Ernſt von Wildenbruch.</fw><lb/> <l>Im fernen Lande, Du nur mit mir,</l><lb/> <l>Ewig und ewig ich nur mit Dir!</l><lb/> <l>Du haſt kein Weib an das Herz noch gedrückt,</l><lb/> <l>Du weißt nicht, wie Weibes Liebe beglückt,</l><lb/> <l>Reicher an Liebe ſollſt Du werden,</l><lb/> <l>Als jemals Menſchen waren auf Erden —</l><lb/> <l>Die Sterne wandeln, die Stunden zieh’n,</l><lb/> <l>Es iſt Zeit, es iſt Zeit, komm, laß uns entflieh’n!‘</l><lb/> <l>Ihr heißer Odem wie Sturmwind ging,</l><lb/> <l>Ihr weißer Arm meinen Nacken umfing,</l><lb/> <l>Ihr dunkles Haar, wie Fittig der Nacht,</l><lb/> <l>Umfloß des Leibes herrliche Pracht —</l><lb/> <l>In meinem Haupte, in meiner Bruſt</l><lb/> <l>War ſchwindelnde Wonne, tödtliche Luſt,</l><lb/> <l>Ich beugte mich nieder, ich wollte ſie küſſen, —</l><lb/> <l>Da fühlt’ ich mich ſchaudernd rückwärts geriſſen:</l><lb/> <l>‚Du küſſeſt die Hexe, Du ſegneſt die Schuld,</l><lb/> <l>Du haſt keinen Theil mehr an göttlicher Huld!‘</l><lb/> <l>Auf meinen Lippen ſtarb das Wort,</l><lb/> <l>Von meinem Herzen ſtieß ich ſie fort,</l><lb/> <l>Entſetzen jagte mich aus der Kammer —</l><lb/> <l>Da ſchrie ſie mir nach in Verzweiflung und Jammer,</l><lb/> <l>Sie brach zur Erde, ſie lag auf den Steinen,</l><lb/> <l>Dumpf hinter mir hört’ ich ſie ſchluchzen und weinen.‘ —</l><lb/> <l>Medardus ſchwieg — ſeine Wange erblich —</l><lb/> <l>Mein Bruder, ſagt’ ich, was ängſtet Dich?</l><lb/> <l>Du haſt dem Verſucher widerſtanden</l><lb/> <l>Und machteſt des Teufels Künſte zu ſchanden.</l><lb/> <l>Doch als ich tröſtend ihm ſolches ſprach,</l><lb/> <l>Gelächter von ſeinen Lippen brach,</l><lb/> <l>Ein Lachen, ſo wild und ungeſtüm,</l><lb/> <l>Als lachte der Teufel ſelber aus ihm.</l><lb/> <l>Mit rollenden Augen blickt’ er mich an,</l><lb/> <l>Er ſchwieg. — Dann ſprach er: ‚Der Tag begann —</l><lb/> <l>Der Himmel brannte in Morgen-Flammen,</l><lb/> <l>Die Menſchen rotteten ſich zuſammen,</l><lb/> <l>Im Felde draußen, von Scheitern geſchichtet,</l><lb/> <l>Stand dunkel und düſter der Holzſtoß gerichtet,</l><lb/> <l>Und aller Augen hingen am Pfahl —</l><lb/> <l>Da ſtand ſie und harrte ihrer Qual. —</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [251/0269]
Ernſt von Wildenbruch.
Im fernen Lande, Du nur mit mir,
Ewig und ewig ich nur mit Dir!
Du haſt kein Weib an das Herz noch gedrückt,
Du weißt nicht, wie Weibes Liebe beglückt,
Reicher an Liebe ſollſt Du werden,
Als jemals Menſchen waren auf Erden —
Die Sterne wandeln, die Stunden zieh’n,
Es iſt Zeit, es iſt Zeit, komm, laß uns entflieh’n!‘
Ihr heißer Odem wie Sturmwind ging,
Ihr weißer Arm meinen Nacken umfing,
Ihr dunkles Haar, wie Fittig der Nacht,
Umfloß des Leibes herrliche Pracht —
In meinem Haupte, in meiner Bruſt
War ſchwindelnde Wonne, tödtliche Luſt,
Ich beugte mich nieder, ich wollte ſie küſſen, —
Da fühlt’ ich mich ſchaudernd rückwärts geriſſen:
‚Du küſſeſt die Hexe, Du ſegneſt die Schuld,
Du haſt keinen Theil mehr an göttlicher Huld!‘
Auf meinen Lippen ſtarb das Wort,
Von meinem Herzen ſtieß ich ſie fort,
Entſetzen jagte mich aus der Kammer —
Da ſchrie ſie mir nach in Verzweiflung und Jammer,
Sie brach zur Erde, ſie lag auf den Steinen,
Dumpf hinter mir hört’ ich ſie ſchluchzen und weinen.‘ —
Medardus ſchwieg — ſeine Wange erblich —
Mein Bruder, ſagt’ ich, was ängſtet Dich?
Du haſt dem Verſucher widerſtanden
Und machteſt des Teufels Künſte zu ſchanden.
Doch als ich tröſtend ihm ſolches ſprach,
Gelächter von ſeinen Lippen brach,
Ein Lachen, ſo wild und ungeſtüm,
Als lachte der Teufel ſelber aus ihm.
Mit rollenden Augen blickt’ er mich an,
Er ſchwieg. — Dann ſprach er: ‚Der Tag begann —
Der Himmel brannte in Morgen-Flammen,
Die Menſchen rotteten ſich zuſammen,
Im Felde draußen, von Scheitern geſchichtet,
Stand dunkel und düſter der Holzſtoß gerichtet,
Und aller Augen hingen am Pfahl —
Da ſtand ſie und harrte ihrer Qual. —
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