Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Ernst von Wildenbruch. Schaudernde Aengste, ein eisiger Strom, Wälzen sich über den sterblichen Leib! Recke die Hand, o Herr und rühre an meine Seele! Daß sie auf himmlischen Schwingen sich hebe Aus des Entsetzens erstarrender Fluth. Haß und Verhöhnung umtoben mein Ohr -- Zagend verstummet die Stimme der Hoffnung -- Oeffne den Mund, o Herr und rede zu meiner Seele, Daß sie erwache aus todtem Verstummen! Gedenk' o meine Seele Daß Du entstammst von Gott, Sei muthig drum im Unheil Und trage stolz den Spott! Streb' auf, o meine Seele, Sei würdig deines Herrn, Er harret, daß du kommest Und er empfängt dich gern! Soll er herab sich neigen So ringe du empor, Dann kommt er dir entgegen Und neiget dir sein Ohr; Dann sei bereit, o Seele, Dein Gott zieht in dich ein, Groß wird und schwer dein Leiden Doch du wirst größer sein! Ich halt' es in Händen und lasse es nicht Das Band, das, o Herr, mit Dir mich verbindet: Glauben und brünstig Vertrau'n! Ich wandle in Nacht, doch am Ziele ist Licht, Da lodert die Leuchte, die Du mir entzündet, Dahin denn, zum Ziel will ich schau'n! Nicht gehört meine Seele der Erde Keine Erdengewalt zerreißt dieses Band! Dir, o Herr, gehört meine Seele, Nichts entreißt sie aus Deinem Schooß! Ihr Wüstenlöwen mit rollendem Schweif, Die die Flanken ihr peitscht, die Tatzen spannt, Ist's seine Kraft nicht, die in euch tost? Ihr, deren Rachen wider mich schäumt, Deren Auge mir glüht, deren Stimme mir schallt, Ernſt von Wildenbruch. Schaudernde Aengſte, ein eiſiger Strom, Wälzen ſich über den ſterblichen Leib! Recke die Hand, o Herr und rühre an meine Seele! Daß ſie auf himmliſchen Schwingen ſich hebe Aus des Entſetzens erſtarrender Fluth. Haß und Verhöhnung umtoben mein Ohr — Zagend verſtummet die Stimme der Hoffnung — Oeffne den Mund, o Herr und rede zu meiner Seele, Daß ſie erwache aus todtem Verſtummen! Gedenk’ o meine Seele Daß Du entſtammſt von Gott, Sei muthig drum im Unheil Und trage ſtolz den Spott! Streb’ auf, o meine Seele, Sei würdig deines Herrn, Er harret, daß du kommeſt Und er empfängt dich gern! Soll er herab ſich neigen So ringe du empor, Dann kommt er dir entgegen Und neiget dir ſein Ohr; Dann ſei bereit, o Seele, Dein Gott zieht in dich ein, Groß wird und ſchwer dein Leiden Doch du wirſt größer ſein! Ich halt’ es in Händen und laſſe es nicht Das Band, das, o Herr, mit Dir mich verbindet: Glauben und brünſtig Vertrau’n! Ich wandle in Nacht, doch am Ziele iſt Licht, Da lodert die Leuchte, die Du mir entzündet, Dahin denn, zum Ziel will ich ſchau’n! Nicht gehört meine Seele der Erde Keine Erdengewalt zerreißt dieſes Band! Dir, o Herr, gehört meine Seele, Nichts entreißt ſie aus Deinem Schooß! Ihr Wüſtenlöwen mit rollendem Schweif, Die die Flanken ihr peitſcht, die Tatzen ſpannt, Iſt’s ſeine Kraft nicht, die in euch toſt? Ihr, deren Rachen wider mich ſchäumt, Deren Auge mir glüht, deren Stimme mir ſchallt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="1"> <pb facs="#f0260" n="242"/> <fw place="top" type="header">Ernſt von Wildenbruch.</fw><lb/> <l>Schaudernde Aengſte, ein eiſiger Strom,</l><lb/> <l>Wälzen ſich über den ſterblichen Leib!</l><lb/> <l>Recke die Hand, o Herr und rühre an meine Seele!</l><lb/> <l>Daß ſie auf himmliſchen Schwingen ſich hebe</l><lb/> <l>Aus des Entſetzens erſtarrender Fluth.</l><lb/> <l>Haß und Verhöhnung umtoben mein Ohr —</l><lb/> <l>Zagend verſtummet die Stimme der Hoffnung —</l><lb/> <l>Oeffne den Mund, o Herr und rede zu meiner Seele,</l><lb/> <l>Daß ſie erwache aus todtem Verſtummen!</l><lb/> <l>Gedenk’ o meine Seele</l><lb/> <l>Daß Du entſtammſt von Gott,</l><lb/> <l>Sei muthig drum im Unheil</l><lb/> <l>Und trage ſtolz den Spott!</l><lb/> <l>Streb’ auf, o meine Seele,</l><lb/> <l>Sei würdig deines Herrn,</l><lb/> <l>Er harret, daß du kommeſt</l><lb/> <l>Und er empfängt dich gern!</l><lb/> <l>Soll er herab ſich neigen</l><lb/> <l>So ringe du empor,</l><lb/> <l>Dann kommt er dir entgegen</l><lb/> <l>Und neiget dir ſein Ohr;</l><lb/> <l>Dann ſei bereit, o Seele,</l><lb/> <l>Dein Gott zieht in dich ein,</l><lb/> <l>Groß wird und ſchwer dein Leiden</l><lb/> <l>Doch du wirſt größer ſein!</l><lb/> <l>Ich halt’ es in Händen und laſſe es nicht</l><lb/> <l>Das Band, das, o Herr, mit Dir mich verbindet:</l><lb/> <l>Glauben und brünſtig Vertrau’n!</l><lb/> <l>Ich wandle in Nacht, doch am Ziele iſt Licht,</l><lb/> <l>Da lodert die Leuchte, die Du mir entzündet,</l><lb/> <l>Dahin denn, zum Ziel will ich ſchau’n!</l><lb/> <l>Nicht gehört meine Seele der Erde</l><lb/> <l>Keine Erdengewalt zerreißt dieſes Band!</l><lb/> <l>Dir, o Herr, gehört meine Seele,</l><lb/> <l>Nichts entreißt ſie aus Deinem Schooß!</l><lb/> <l>Ihr Wüſtenlöwen mit rollendem Schweif,</l><lb/> <l>Die die Flanken ihr peitſcht, die Tatzen ſpannt,</l><lb/> <l>Iſt’s ſeine Kraft nicht, die in euch toſt?</l><lb/> <l>Ihr, deren Rachen wider mich ſchäumt,</l><lb/> <l>Deren Auge mir glüht, deren Stimme mir ſchallt,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [242/0260]
Ernſt von Wildenbruch.
Schaudernde Aengſte, ein eiſiger Strom,
Wälzen ſich über den ſterblichen Leib!
Recke die Hand, o Herr und rühre an meine Seele!
Daß ſie auf himmliſchen Schwingen ſich hebe
Aus des Entſetzens erſtarrender Fluth.
Haß und Verhöhnung umtoben mein Ohr —
Zagend verſtummet die Stimme der Hoffnung —
Oeffne den Mund, o Herr und rede zu meiner Seele,
Daß ſie erwache aus todtem Verſtummen!
Gedenk’ o meine Seele
Daß Du entſtammſt von Gott,
Sei muthig drum im Unheil
Und trage ſtolz den Spott!
Streb’ auf, o meine Seele,
Sei würdig deines Herrn,
Er harret, daß du kommeſt
Und er empfängt dich gern!
Soll er herab ſich neigen
So ringe du empor,
Dann kommt er dir entgegen
Und neiget dir ſein Ohr;
Dann ſei bereit, o Seele,
Dein Gott zieht in dich ein,
Groß wird und ſchwer dein Leiden
Doch du wirſt größer ſein!
Ich halt’ es in Händen und laſſe es nicht
Das Band, das, o Herr, mit Dir mich verbindet:
Glauben und brünſtig Vertrau’n!
Ich wandle in Nacht, doch am Ziele iſt Licht,
Da lodert die Leuchte, die Du mir entzündet,
Dahin denn, zum Ziel will ich ſchau’n!
Nicht gehört meine Seele der Erde
Keine Erdengewalt zerreißt dieſes Band!
Dir, o Herr, gehört meine Seele,
Nichts entreißt ſie aus Deinem Schooß!
Ihr Wüſtenlöwen mit rollendem Schweif,
Die die Flanken ihr peitſcht, die Tatzen ſpannt,
Iſt’s ſeine Kraft nicht, die in euch toſt?
Ihr, deren Rachen wider mich ſchäumt,
Deren Auge mir glüht, deren Stimme mir ſchallt,
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