Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].

Bild:
<< vorherige Seite

Hermann Eduard Jahn.

Mit Stumpfheit durft' er nur verkehren,
An Rohheit war er festgebannt,
Er stank nach Schnaps und kaute Tabak --
Roh wie sein Kittel der Verstand.
Und seine Lippen lernten Fluchen,
Stets blieb er stumpf, stets blieb er dumm --
Die langen Jahre hast'ger Arbeit,
Die drückten seinen Rücken krumm;
Und kraftlos wurden seine Hände
Und betteln mußt' der arme Mann -- --
Daß selbst ein ganzes ems'ges Leben
Kein ruhiges Sterben geben kann!



Die welke Rose.

"Verwehte Blätter".

Gewiß, du wirst auch sie vergessen,
Wie ihn, der dir die Rose gab --
Die arme kleine Leiche ruhet
Dann still in dieses Buches Grab.
Doch lockt es dich durch diese Blätter,
Durch deinen Friedhof hinzugehn,
Gewiß, dann wird die Blumenleiche
In Duft und Jugend auferstehn;
Dann wirst du weinend ihn erblicken
Der sie dir einst beim Scheiden gab,
Und leise, leise wirst du beten
Als knietest du an seinem Grab.


Sphinx.

"Verwehte Blätter".

Du schönes Kind schau' mir in's Angesicht
Und sprich von Liebe mir ein kleines Wort --
"Ich liebe dich -- (ich hasse dich ja nicht --
Der Narr, geht er denn immer noch nicht fort?!)"

Hermann Eduard Jahn.

Mit Stumpfheit durft’ er nur verkehren,
An Rohheit war er feſtgebannt,
Er ſtank nach Schnaps und kaute Tabak —
Roh wie ſein Kittel der Verſtand.
Und ſeine Lippen lernten Fluchen,
Stets blieb er ſtumpf, ſtets blieb er dumm —
Die langen Jahre haſt’ger Arbeit,
Die drückten ſeinen Rücken krumm;
Und kraftlos wurden ſeine Hände
Und betteln mußt’ der arme Mann — —
Daß ſelbſt ein ganzes emſ’ges Leben
Kein ruhiges Sterben geben kann!



Die welke Roſe.

„Verwehte Blätter“.

Gewiß, du wirſt auch ſie vergeſſen,
Wie ihn, der dir die Roſe gab —
Die arme kleine Leiche ruhet
Dann ſtill in dieſes Buches Grab.
Doch lockt es dich durch dieſe Blätter,
Durch deinen Friedhof hinzugehn,
Gewiß, dann wird die Blumenleiche
In Duft und Jugend auferſtehn;
Dann wirſt du weinend ihn erblicken
Der ſie dir einſt beim Scheiden gab,
Und leiſe, leiſe wirſt du beten
Als knieteſt du an ſeinem Grab.


Sphinx.

„Verwehte Blätter“.

Du ſchönes Kind ſchau’ mir in’s Angeſicht
Und ſprich von Liebe mir ein kleines Wort —
„Ich liebe dich — (ich haſſe dich ja nicht —
Der Narr, geht er denn immer noch nicht fort?!)“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <pb facs="#f0255" n="237"/>
              <fw place="top" type="header">Hermann Eduard Jahn.</fw><lb/>
              <l>Mit Stumpfheit durft&#x2019; er nur verkehren,</l><lb/>
              <l>An Rohheit war er fe&#x017F;tgebannt,</l><lb/>
              <l>Er &#x017F;tank nach Schnaps und kaute Tabak &#x2014;</l><lb/>
              <l>Roh wie &#x017F;ein Kittel der Ver&#x017F;tand.</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;eine Lippen lernten Fluchen,</l><lb/>
              <l>Stets blieb er &#x017F;tumpf, &#x017F;tets blieb er dumm &#x2014;</l><lb/>
              <l>Die langen Jahre ha&#x017F;t&#x2019;ger Arbeit,</l><lb/>
              <l>Die drückten &#x017F;einen Rücken krumm;</l><lb/>
              <l>Und kraftlos wurden &#x017F;eine Hände</l><lb/>
              <l>Und betteln mußt&#x2019; der arme Mann &#x2014; &#x2014;</l><lb/>
              <l>Daß &#x017F;elb&#x017F;t ein ganzes em&#x017F;&#x2019;ges Leben</l><lb/>
              <l>Kein ruhiges Sterben geben kann!</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Die welke Ro&#x017F;e.</hi> </head><lb/>
          <p> <hi rendition="#c">&#x201E;Verwehte Blätter&#x201C;.</hi> </p><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Gewiß, du wir&#x017F;t auch &#x017F;ie verge&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Wie ihn, der dir die Ro&#x017F;e gab &#x2014;</l><lb/>
              <l>Die arme kleine Leiche ruhet</l><lb/>
              <l>Dann &#x017F;till in die&#x017F;es Buches Grab.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Doch lockt es dich durch die&#x017F;e Blätter,</l><lb/>
              <l>Durch deinen Friedhof hinzugehn,</l><lb/>
              <l>Gewiß, dann wird die Blumenleiche</l><lb/>
              <l>In Duft und Jugend aufer&#x017F;tehn;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Dann wir&#x017F;t du weinend ihn erblicken</l><lb/>
              <l>Der &#x017F;ie dir ein&#x017F;t beim Scheiden gab,</l><lb/>
              <l>Und lei&#x017F;e, lei&#x017F;e wir&#x017F;t du beten</l><lb/>
              <l>Als kniete&#x017F;t du an &#x017F;einem Grab.</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Sphinx.</hi> </head><lb/>
          <p> <hi rendition="#c">&#x201E;Verwehte Blätter&#x201C;.</hi> </p><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Du &#x017F;chönes Kind &#x017F;chau&#x2019; mir in&#x2019;s Ange&#x017F;icht</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;prich von Liebe mir ein kleines Wort &#x2014;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ich liebe dich &#x2014; (ich ha&#x017F;&#x017F;e dich ja nicht &#x2014;</l><lb/>
              <l>Der Narr, geht er denn immer noch nicht fort?!)&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[237/0255] Hermann Eduard Jahn. Mit Stumpfheit durft’ er nur verkehren, An Rohheit war er feſtgebannt, Er ſtank nach Schnaps und kaute Tabak — Roh wie ſein Kittel der Verſtand. Und ſeine Lippen lernten Fluchen, Stets blieb er ſtumpf, ſtets blieb er dumm — Die langen Jahre haſt’ger Arbeit, Die drückten ſeinen Rücken krumm; Und kraftlos wurden ſeine Hände Und betteln mußt’ der arme Mann — — Daß ſelbſt ein ganzes emſ’ges Leben Kein ruhiges Sterben geben kann! Die welke Roſe. „Verwehte Blätter“. Gewiß, du wirſt auch ſie vergeſſen, Wie ihn, der dir die Roſe gab — Die arme kleine Leiche ruhet Dann ſtill in dieſes Buches Grab. Doch lockt es dich durch dieſe Blätter, Durch deinen Friedhof hinzugehn, Gewiß, dann wird die Blumenleiche In Duft und Jugend auferſtehn; Dann wirſt du weinend ihn erblicken Der ſie dir einſt beim Scheiden gab, Und leiſe, leiſe wirſt du beten Als knieteſt du an ſeinem Grab. Sphinx. „Verwehte Blätter“. Du ſchönes Kind ſchau’ mir in’s Angeſicht Und ſprich von Liebe mir ein kleines Wort — „Ich liebe dich — (ich haſſe dich ja nicht — Der Narr, geht er denn immer noch nicht fort?!)“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/255
Zitationshilfe: Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/255>, abgerufen am 21.11.2024.