Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].

Bild:
<< vorherige Seite
Joseph Winter.
Leise Liebesworte werben
Jeden Tropfen Blutes Dir.
Laß mich ringen, laß mich sterben,
Aber schaue nicht nach mir.
Ob Dein Herz an meinem zittert,
Ach, schon bist Du mir entrückt,
Und vergiftet und verbittert
Ist der Trank, der uns entzückt.
Ewig schied ein Wort uns Beide,
Nur der Fluch getreu mir blieb;
Und ihm schärft die Schwertesschneide
Deine Schönheit, bleiches Lieb. --


Kein Ende.

Originalbeitrag.

Jene Hand, die im verworrnen
Traume dunkler Schmerzensnächte
Mir den Kranz gereicht von Dornen,
Hält ein blühendes Geflechte
Junger Rosen;
Und die zarten Lippen, welche
Einst gedroht als Todeskelche,
Lächeln, kosen.
Was ich ringend nie erstritten,
Schwebt nun sanften Flugs herbei,
Und der Liebsten Augen bitten:
Ach, verzeih!
Also laß ich steuerlos
Traumwärts treiben meinen Nachen;
Denn der Tag ist nackt und bloß,
Und ich will nicht wachen. --


Joſeph Winter.
Leiſe Liebesworte werben
Jeden Tropfen Blutes Dir.
Laß mich ringen, laß mich ſterben,
Aber ſchaue nicht nach mir.
Ob Dein Herz an meinem zittert,
Ach, ſchon biſt Du mir entrückt,
Und vergiftet und verbittert
Iſt der Trank, der uns entzückt.
Ewig ſchied ein Wort uns Beide,
Nur der Fluch getreu mir blieb;
Und ihm ſchärft die Schwertesſchneide
Deine Schönheit, bleiches Lieb. —


Kein Ende.

Originalbeitrag.

Jene Hand, die im verworrnen
Traume dunkler Schmerzensnächte
Mir den Kranz gereicht von Dornen,
Hält ein blühendes Geflechte
Junger Roſen;
Und die zarten Lippen, welche
Einſt gedroht als Todeskelche,
Lächeln, koſen.
Was ich ringend nie erſtritten,
Schwebt nun ſanften Flugs herbei,
Und der Liebſten Augen bitten:
Ach, verzeih!
Alſo laß ich ſteuerlos
Traumwärts treiben meinen Nachen;
Denn der Tag iſt nackt und bloß,
Und ich will nicht wachen. —


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0252" n="234"/>
            <fw place="top" type="header">Jo&#x017F;eph Winter.</fw><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Lei&#x017F;e Liebesworte werben</l><lb/>
              <l>Jeden Tropfen Blutes Dir.</l><lb/>
              <l>Laß mich ringen, laß mich &#x017F;terben,</l><lb/>
              <l>Aber &#x017F;chaue nicht nach mir.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Ob Dein Herz an meinem zittert,</l><lb/>
              <l>Ach, &#x017F;chon bi&#x017F;t Du mir entrückt,</l><lb/>
              <l>Und vergiftet und verbittert</l><lb/>
              <l>I&#x017F;t der Trank, der uns entzückt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Ewig &#x017F;chied ein Wort uns Beide,</l><lb/>
              <l>Nur der Fluch getreu mir blieb;</l><lb/>
              <l>Und ihm &#x017F;chärft die Schwertes&#x017F;chneide</l><lb/>
              <l>Deine Schönheit, bleiches Lieb. &#x2014;</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Kein Ende</hi>.</hi> </head><lb/>
          <p> <hi rendition="#c">Originalbeitrag.</hi> </p><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Jene Hand, die im verworrnen</l><lb/>
              <l>Traume dunkler Schmerzensnächte</l><lb/>
              <l>Mir den Kranz gereicht von Dornen,</l><lb/>
              <l>Hält ein blühendes Geflechte</l><lb/>
              <l>Junger Ro&#x017F;en;</l><lb/>
              <l>Und die zarten Lippen, welche</l><lb/>
              <l>Ein&#x017F;t gedroht als Todeskelche,</l><lb/>
              <l>Lächeln, ko&#x017F;en.</l><lb/>
              <l>Was ich ringend nie er&#x017F;tritten,</l><lb/>
              <l>Schwebt nun &#x017F;anften Flugs herbei,</l><lb/>
              <l>Und der Lieb&#x017F;ten Augen bitten:</l><lb/>
              <l>Ach, verzeih!</l><lb/>
              <l>Al&#x017F;o laß ich &#x017F;teuerlos</l><lb/>
              <l>Traumwärts treiben meinen Nachen;</l><lb/>
              <l>Denn der Tag i&#x017F;t nackt und bloß,</l><lb/>
              <l>Und ich will nicht wachen. &#x2014;</l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[234/0252] Joſeph Winter. Leiſe Liebesworte werben Jeden Tropfen Blutes Dir. Laß mich ringen, laß mich ſterben, Aber ſchaue nicht nach mir. Ob Dein Herz an meinem zittert, Ach, ſchon biſt Du mir entrückt, Und vergiftet und verbittert Iſt der Trank, der uns entzückt. Ewig ſchied ein Wort uns Beide, Nur der Fluch getreu mir blieb; Und ihm ſchärft die Schwertesſchneide Deine Schönheit, bleiches Lieb. — Kein Ende. Originalbeitrag. Jene Hand, die im verworrnen Traume dunkler Schmerzensnächte Mir den Kranz gereicht von Dornen, Hält ein blühendes Geflechte Junger Roſen; Und die zarten Lippen, welche Einſt gedroht als Todeskelche, Lächeln, koſen. Was ich ringend nie erſtritten, Schwebt nun ſanften Flugs herbei, Und der Liebſten Augen bitten: Ach, verzeih! Alſo laß ich ſteuerlos Traumwärts treiben meinen Nachen; Denn der Tag iſt nackt und bloß, Und ich will nicht wachen. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/252
Zitationshilfe: Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/252>, abgerufen am 18.12.2024.