Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Joseph Winter. Und ein Blutstein in der Brust, Daß ich endlich merken mußt', Wie ein solches Bild von Steinen Nicht kann weinen. Also wirklich? Kann es sein? Küssen kann ein Bild von Stein? Lachen, wie am Maientag Rosen lachen in dem Hag, Lauschen, wie da Sterne lauschen, Wenn im Mond die Wasser rauschen; Lieblich kosen, schmälen, greinen -- Und nicht weinen? Wenn ich oben wär geblieben, Statt den Traum der Nacht zu lieben, All den Ekel, all das Wissen Hätt ich leichtlich mögen missen. Und nun könnt ich mit den Andern, Statt im dumpfen Haus zu stocken, Auf den hellen Straßen wandern; Trüg' ein Kränzlein in den Locken Statt der spitzen Dornenreiser, Hätt ich wollen sein ein Weiser. -- Flucht. Originalbeitrag. Lieber will ich ohne Zagen Schreiten durch der Hölle Thor, Als wie Deine Nähe tragen, Nun ich ewig Dich verlor. Deine sanften Augen rufen In die Sonnenbahn mein Herz, Und ich muß die schwarzen Stufen Schauernd schreiten niederwärts. Joſeph Winter. Und ein Blutſtein in der Bruſt, Daß ich endlich merken mußt’, Wie ein ſolches Bild von Steinen Nicht kann weinen. Alſo wirklich? Kann es ſein? Küſſen kann ein Bild von Stein? Lachen, wie am Maientag Roſen lachen in dem Hag, Lauſchen, wie da Sterne lauſchen, Wenn im Mond die Waſſer rauſchen; Lieblich koſen, ſchmälen, greinen — Und nicht weinen? Wenn ich oben wär geblieben, Statt den Traum der Nacht zu lieben, All den Ekel, all das Wiſſen Hätt ich leichtlich mögen miſſen. Und nun könnt ich mit den Andern, Statt im dumpfen Haus zu ſtocken, Auf den hellen Straßen wandern; Trüg’ ein Kränzlein in den Locken Statt der ſpitzen Dornenreiſer, Hätt ich wollen ſein ein Weiſer. — Flucht. Originalbeitrag. Lieber will ich ohne Zagen Schreiten durch der Hölle Thor, Als wie Deine Nähe tragen, Nun ich ewig Dich verlor. Deine ſanften Augen rufen In die Sonnenbahn mein Herz, Und ich muß die ſchwarzen Stufen Schauernd ſchreiten niederwärts. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="5"> <pb n="233" facs="#f0251"/> <fw type="header" place="top">Joſeph Winter.</fw><lb/> <l>Und ein Blutſtein in der Bruſt,</l><lb/> <l>Daß ich endlich merken mußt’,</l><lb/> <l>Wie ein ſolches Bild von Steinen</l><lb/> <l>Nicht kann weinen.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Alſo wirklich? Kann es ſein?</l><lb/> <l>Küſſen kann ein Bild von Stein?</l><lb/> <l>Lachen, wie am Maientag</l><lb/> <l>Roſen lachen in dem Hag,</l><lb/> <l>Lauſchen, wie da Sterne lauſchen,</l><lb/> <l>Wenn im Mond die Waſſer rauſchen;</l><lb/> <l>Lieblich koſen, ſchmälen, greinen —</l><lb/> <l>Und nicht weinen?</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Wenn ich oben wär geblieben,</l><lb/> <l>Statt den Traum der Nacht zu lieben,</l><lb/> <l>All den Ekel, all das Wiſſen</l><lb/> <l>Hätt ich leichtlich mögen miſſen.</l><lb/> <l>Und nun könnt ich mit den Andern,</l><lb/> <l>Statt im dumpfen Haus zu ſtocken,</l><lb/> <l>Auf den hellen Straßen wandern;</l><lb/> <l>Trüg’ ein Kränzlein in den Locken</l><lb/> <l>Statt der ſpitzen Dornenreiſer,</l><lb/> <l>Hätt ich wollen ſein ein Weiſer. —</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Flucht.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c">Originalbeitrag.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Lieber will ich ohne Zagen</l><lb/> <l>Schreiten durch der Hölle Thor,</l><lb/> <l>Als wie Deine Nähe tragen,</l><lb/> <l>Nun ich ewig Dich verlor.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Deine ſanften Augen rufen</l><lb/> <l>In die Sonnenbahn mein Herz,</l><lb/> <l>Und ich muß die ſchwarzen Stufen</l><lb/> <l>Schauernd ſchreiten niederwärts.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [233/0251]
Joſeph Winter.
Und ein Blutſtein in der Bruſt,
Daß ich endlich merken mußt’,
Wie ein ſolches Bild von Steinen
Nicht kann weinen.
Alſo wirklich? Kann es ſein?
Küſſen kann ein Bild von Stein?
Lachen, wie am Maientag
Roſen lachen in dem Hag,
Lauſchen, wie da Sterne lauſchen,
Wenn im Mond die Waſſer rauſchen;
Lieblich koſen, ſchmälen, greinen —
Und nicht weinen?
Wenn ich oben wär geblieben,
Statt den Traum der Nacht zu lieben,
All den Ekel, all das Wiſſen
Hätt ich leichtlich mögen miſſen.
Und nun könnt ich mit den Andern,
Statt im dumpfen Haus zu ſtocken,
Auf den hellen Straßen wandern;
Trüg’ ein Kränzlein in den Locken
Statt der ſpitzen Dornenreiſer,
Hätt ich wollen ſein ein Weiſer. —
Flucht.
Originalbeitrag.
Lieber will ich ohne Zagen
Schreiten durch der Hölle Thor,
Als wie Deine Nähe tragen,
Nun ich ewig Dich verlor.
Deine ſanften Augen rufen
In die Sonnenbahn mein Herz,
Und ich muß die ſchwarzen Stufen
Schauernd ſchreiten niederwärts.
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Zitationshilfe: | Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/251>, abgerufen am 01.03.2025. |