Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Joseph Winter. Denn die Liebste hat kosensmüd Schlummernde Lider geschlossen. Rosenfarbe, heimlich erglüht, Ist auf ihr Antlitz gegossen. Ihr zu Füßen mein Leben ruht, Wonniges Lauschen und Sinnen! Ferne hör' ich die heilige Fluth Dieses Daseins verrinnen. Wunderseligen Wiederhall Weckt mir das ewige: Werde! Und ich segne mein Heim das All, Und den Staub dieser Erde. -- Abschied. Originalbeitrag. Und als die schwüle Nacht den Schleier hob, Da ließ von mir die tödtliche Maenade. Sie sah mich an, ein Graunbild ohne Gnade; Mein Blut ward Eis, der Rausch der Lust zerstob. Und in die Brust, d'ran ihre Lippe lag, Eingrub der Schmerz die grimmen Pantherzähne. Dumpf sank ich hin, das Auge ohne Thräne -- In's Leben aber rief der graue Tag. -- Hätt ich wollen sein ein Weiser. Originalbeitrag. Flammend stand das Mene-tekel Lang an meiner Wand geschrieben. Grimme Scham und tiefer Ekel Wär mir leicht erspart geblieben, Hätt ich wollen sein ein Weiser. Aber ich gebot als Kaiser In des Traumlands reichen Fluren. Nah war mir die ewge Ferne, Und es folgten Mond und Sterne Meinen Spuren. Joſeph Winter. Denn die Liebſte hat koſensmüd Schlummernde Lider geſchloſſen. Roſenfarbe, heimlich erglüht, Iſt auf ihr Antlitz gegoſſen. Ihr zu Füßen mein Leben ruht, Wonniges Lauſchen und Sinnen! Ferne hör’ ich die heilige Fluth Dieſes Daſeins verrinnen. Wunderſeligen Wiederhall Weckt mir das ewige: Werde! Und ich ſegne mein Heim das All, Und den Staub dieſer Erde. — Abſchied. Originalbeitrag. Und als die ſchwüle Nacht den Schleier hob, Da ließ von mir die tödtliche Maenade. Sie ſah mich an, ein Graunbild ohne Gnade; Mein Blut ward Eis, der Rauſch der Luſt zerſtob. Und in die Bruſt, d’ran ihre Lippe lag, Eingrub der Schmerz die grimmen Pantherzähne. Dumpf ſank ich hin, das Auge ohne Thräne — In’s Leben aber rief der graue Tag. — Hätt ich wollen ſein ein Weiſer. Originalbeitrag. Flammend ſtand das Mene-tekel Lang an meiner Wand geſchrieben. Grimme Scham und tiefer Ekel Wär mir leicht erſpart geblieben, Hätt ich wollen ſein ein Weiſer. Aber ich gebot als Kaiſer In des Traumlands reichen Fluren. Nah war mir die ewge Ferne, Und es folgten Mond und Sterne Meinen Spuren. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="1"> <pb facs="#f0249" n="231"/> <fw place="top" type="header">Joſeph Winter.</fw><lb/> <l>Denn die Liebſte hat koſensmüd</l><lb/> <l>Schlummernde Lider geſchloſſen.</l><lb/> <l>Roſenfarbe, heimlich erglüht,</l><lb/> <l>Iſt auf ihr Antlitz gegoſſen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Ihr zu Füßen mein Leben ruht,</l><lb/> <l>Wonniges Lauſchen und Sinnen!</l><lb/> <l>Ferne hör’ ich die heilige Fluth</l><lb/> <l>Dieſes Daſeins verrinnen.</l><lb/> <l>Wunderſeligen Wiederhall</l><lb/> <l>Weckt mir das ewige: Werde!</l><lb/> <l>Und ich ſegne mein Heim das All,</l><lb/> <l>Und den Staub dieſer Erde. —</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Abſchied.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c">Originalbeitrag.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Und als die ſchwüle Nacht den Schleier hob,</l><lb/> <l>Da ließ von mir die tödtliche Maenade.</l><lb/> <l>Sie ſah mich an, ein Graunbild ohne Gnade;</l><lb/> <l>Mein Blut ward Eis, der Rauſch der Luſt zerſtob.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Und in die Bruſt, d’ran ihre Lippe lag,</l><lb/> <l>Eingrub der Schmerz die grimmen Pantherzähne.</l><lb/> <l>Dumpf ſank ich hin, das Auge ohne Thräne —</l><lb/> <l>In’s Leben aber rief der graue Tag. —</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Hätt ich wollen ſein ein Weiſer.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c">Originalbeitrag.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Flammend ſtand das Mene-tekel</l><lb/> <l>Lang an meiner Wand geſchrieben.</l><lb/> <l>Grimme Scham und tiefer Ekel</l><lb/> <l>Wär mir leicht erſpart geblieben,</l><lb/> <l>Hätt ich wollen ſein ein Weiſer.</l><lb/> <l>Aber ich gebot als Kaiſer</l><lb/> <l>In des Traumlands reichen Fluren.</l><lb/> <l>Nah war mir die ewge Ferne,</l><lb/> <l>Und es folgten Mond und Sterne</l><lb/> <l>Meinen Spuren.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [231/0249]
Joſeph Winter.
Denn die Liebſte hat koſensmüd
Schlummernde Lider geſchloſſen.
Roſenfarbe, heimlich erglüht,
Iſt auf ihr Antlitz gegoſſen.
Ihr zu Füßen mein Leben ruht,
Wonniges Lauſchen und Sinnen!
Ferne hör’ ich die heilige Fluth
Dieſes Daſeins verrinnen.
Wunderſeligen Wiederhall
Weckt mir das ewige: Werde!
Und ich ſegne mein Heim das All,
Und den Staub dieſer Erde. —
Abſchied.
Originalbeitrag.
Und als die ſchwüle Nacht den Schleier hob,
Da ließ von mir die tödtliche Maenade.
Sie ſah mich an, ein Graunbild ohne Gnade;
Mein Blut ward Eis, der Rauſch der Luſt zerſtob.
Und in die Bruſt, d’ran ihre Lippe lag,
Eingrub der Schmerz die grimmen Pantherzähne.
Dumpf ſank ich hin, das Auge ohne Thräne —
In’s Leben aber rief der graue Tag. —
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Zitationshilfe: | Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/249>, abgerufen am 16.02.2025. |