Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Richard Kralik. Eine Sonne sah ich glänzen, Schönres wurde nie mir kund Und ihr Glänzen war wie Lächeln Von melodischestem Mund. Und der Sonne warme Strahlen Spielten mir um meine Brust, Sorgsam so wie Mutterarme Hoben sie mich auf vom Dust. Trugen mich durch leichte Lüfte Nach dem Glanz, dem Himmelslicht An das heiße Herz der Sonne, Aber ich verbrannte nicht. Unzerstörbar meine Glieder, Unversiegbar heiß mein Blut, Ohne Leiden meine Seele, Unbesiegbar hehr mein Muth; Ohne Gränzen die Gedanken, Unverschleiert war die Welt, -- Da hat eine böse Krähe Mich aus allem Traum gegellt: "Thor, was närrst du deine Seele Mit dem nächtlich eitlen Trug? Tag ist's; gehe hin und schaffe, Denn zu schaffen giebt's genug!" Und ich schlich beschämt nach Hause, Hatte wahrlich wenig Lust, Denn noch spielten Veilchendüfte Mir um meine Stirn und Brust. Ach, was ist mit allem Mühen, Was mit aller Qual gethan! Und mein Traum erschien mir wirklich Und die Wirklichkeit ein Wahn. 15
Richard Kralik. Eine Sonne ſah ich glänzen, Schönres wurde nie mir kund Und ihr Glänzen war wie Lächeln Von melodiſcheſtem Mund. Und der Sonne warme Strahlen Spielten mir um meine Bruſt, Sorgſam ſo wie Mutterarme Hoben ſie mich auf vom Duſt. Trugen mich durch leichte Lüfte Nach dem Glanz, dem Himmelslicht An das heiße Herz der Sonne, Aber ich verbrannte nicht. Unzerſtörbar meine Glieder, Unverſiegbar heiß mein Blut, Ohne Leiden meine Seele, Unbeſiegbar hehr mein Muth; Ohne Gränzen die Gedanken, Unverſchleiert war die Welt, — Da hat eine böſe Krähe Mich aus allem Traum gegellt: „Thor, was närrſt du deine Seele Mit dem nächtlich eitlen Trug? Tag iſt’s; gehe hin und ſchaffe, Denn zu ſchaffen giebt’s genug!“ Und ich ſchlich beſchämt nach Hauſe, Hatte wahrlich wenig Luſt, Denn noch ſpielten Veilchendüfte Mir um meine Stirn und Bruſt. Ach, was iſt mit allem Mühen, Was mit aller Qual gethan! Und mein Traum erſchien mir wirklich Und die Wirklichkeit ein Wahn. 15
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0243" n="225"/> <fw place="top" type="header">Richard Kralik.</fw><lb/> <lg n="4"> <l>Eine Sonne ſah ich glänzen,</l><lb/> <l>Schönres wurde nie mir kund</l><lb/> <l>Und ihr Glänzen war wie Lächeln</l><lb/> <l>Von melodiſcheſtem Mund.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Und der Sonne warme Strahlen</l><lb/> <l>Spielten mir um meine Bruſt,</l><lb/> <l>Sorgſam ſo wie Mutterarme</l><lb/> <l>Hoben ſie mich auf vom Duſt.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Trugen mich durch leichte Lüfte</l><lb/> <l>Nach dem Glanz, dem Himmelslicht</l><lb/> <l>An das heiße Herz der Sonne,</l><lb/> <l>Aber ich verbrannte nicht.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Unzerſtörbar meine Glieder,</l><lb/> <l>Unverſiegbar heiß mein Blut,</l><lb/> <l>Ohne Leiden meine Seele,</l><lb/> <l>Unbeſiegbar hehr mein Muth;</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Ohne Gränzen die Gedanken,</l><lb/> <l>Unverſchleiert war die Welt, —</l><lb/> <l>Da hat eine böſe Krähe</l><lb/> <l>Mich aus allem Traum gegellt:</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>„Thor, was närrſt du deine Seele</l><lb/> <l>Mit dem nächtlich eitlen Trug?</l><lb/> <l>Tag iſt’s; gehe hin und ſchaffe,</l><lb/> <l>Denn zu ſchaffen giebt’s genug!“</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Und ich ſchlich beſchämt nach Hauſe,</l><lb/> <l>Hatte wahrlich wenig Luſt,</l><lb/> <l>Denn noch ſpielten Veilchendüfte</l><lb/> <l>Mir um meine Stirn und Bruſt.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Ach, was iſt mit allem Mühen,</l><lb/> <l>Was mit aller Qual gethan!</l><lb/> <l>Und mein Traum erſchien mir wirklich</l><lb/> <l>Und die Wirklichkeit ein Wahn.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <fw place="bottom" type="sig">15</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [225/0243]
Richard Kralik.
Eine Sonne ſah ich glänzen,
Schönres wurde nie mir kund
Und ihr Glänzen war wie Lächeln
Von melodiſcheſtem Mund.
Und der Sonne warme Strahlen
Spielten mir um meine Bruſt,
Sorgſam ſo wie Mutterarme
Hoben ſie mich auf vom Duſt.
Trugen mich durch leichte Lüfte
Nach dem Glanz, dem Himmelslicht
An das heiße Herz der Sonne,
Aber ich verbrannte nicht.
Unzerſtörbar meine Glieder,
Unverſiegbar heiß mein Blut,
Ohne Leiden meine Seele,
Unbeſiegbar hehr mein Muth;
Ohne Gränzen die Gedanken,
Unverſchleiert war die Welt, —
Da hat eine böſe Krähe
Mich aus allem Traum gegellt:
„Thor, was närrſt du deine Seele
Mit dem nächtlich eitlen Trug?
Tag iſt’s; gehe hin und ſchaffe,
Denn zu ſchaffen giebt’s genug!“
Und ich ſchlich beſchämt nach Hauſe,
Hatte wahrlich wenig Luſt,
Denn noch ſpielten Veilchendüfte
Mir um meine Stirn und Bruſt.
Ach, was iſt mit allem Mühen,
Was mit aller Qual gethan!
Und mein Traum erſchien mir wirklich
Und die Wirklichkeit ein Wahn.
15
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |