Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Heinrich Hart. Nun schmiegte Zelle knospend sich an Zelle, Von weichen Flocken blinkte jede Welle Und zarte Haut umspinnt des Meeres Bord Und rankt sich über Fels und Klüfte fort Und reckt sich aus zu Fasern, thaugenährt, Gräbt in den Stein sich, wurzelt, keimt und ährt ... Schwül brütet Mittagshauch auf Sumpf und Au, Ein feuchter Dunst verhängt des Himmels Blau Und gelber Qualm entbrodelt jeder Kluft, Von unterird'schen Wettern rauscht die Luft, Umklammert von des Drachens Eisenspangen Wälzt brüllend sich der Elch, im Rohr gefangen. Breitfächernd wuchert rings der Farrenwald, Vom plumpen Tritt des Mastodonts durchhallt, Und glotzig ruht der Behemout im Teich, Eidechsen flattern, schwarzer Wolke gleich. Dann kommt ein Tag, blaß wird der Sonne Glanz, Schneewogen wirbeln wie im Kriegestanz, Von Norden dröhnt es krachend jede Nacht Und falbe Nebel schleifen, sturmentfacht. Erschauernd horcht die Blume, horcht das Reh -- Dumpf wälzt es sich heran, eisstarre See, Einöde, grenzenlos, nackt, blank wie Stahl, Gespenstig Trümmerfeld; Berg wird zu Thal Und Thal zu Berg, die Wälder prasseln schwer, Wie Staub hinweggefegt ist Land und Meer, Von Erd' zu Himmel eine Mauer nur, Verstummt das Leben, sterbend die Natur. Doch in der Tiefe schnaubt des Feuers Dampf, Die Sonne rafft sich auf zu grimmem Kampf, Sie wühlt und saugt und schmilzt des Eises Glast, Der Boden wankt und schüttelt seine Last. Bald rauschen durch die Wüste tausend Quellen, In Spalt und Abgrund tosen schäumende Wellen Und aus der Fluth dringt aufwärts neues Land, Jungfräulich, jugendlich, die Gluth entschwand. Aufsprießt der Blüthen Schönste, Gottgenährt, Zum Menschen wird der Erde Staub verklärt, Verklärt zum Willen wird was dunkel ringt -- Zur Sprache wird was stammelnd klingt und singt. Heinrich Hart. Nun ſchmiegte Zelle knospend ſich an Zelle, Von weichen Flocken blinkte jede Welle Und zarte Haut umſpinnt des Meeres Bord Und rankt ſich über Fels und Klüfte fort Und reckt ſich aus zu Faſern, thaugenährt, Gräbt in den Stein ſich, wurzelt, keimt und ährt … Schwül brütet Mittagshauch auf Sumpf und Au, Ein feuchter Dunſt verhängt des Himmels Blau Und gelber Qualm entbrodelt jeder Kluft, Von unterird’ſchen Wettern rauſcht die Luft, Umklammert von des Drachens Eiſenſpangen Wälzt brüllend ſich der Elch, im Rohr gefangen. Breitfächernd wuchert rings der Farrenwald, Vom plumpen Tritt des Maſtodonts durchhallt, Und glotzig ruht der Behemout im Teich, Eidechſen flattern, ſchwarzer Wolke gleich. Dann kommt ein Tag, blaß wird der Sonne Glanz, Schneewogen wirbeln wie im Kriegestanz, Von Norden dröhnt es krachend jede Nacht Und falbe Nebel ſchleifen, ſturmentfacht. Erſchauernd horcht die Blume, horcht das Reh — Dumpf wälzt es ſich heran, eisſtarre See, Einöde, grenzenlos, nackt, blank wie Stahl, Geſpenſtig Trümmerfeld; Berg wird zu Thal Und Thal zu Berg, die Wälder praſſeln ſchwer, Wie Staub hinweggefegt iſt Land und Meer, Von Erd’ zu Himmel eine Mauer nur, Verſtummt das Leben, ſterbend die Natur. Doch in der Tiefe ſchnaubt des Feuers Dampf, Die Sonne rafft ſich auf zu grimmem Kampf, Sie wühlt und ſaugt und ſchmilzt des Eiſes Glaſt, Der Boden wankt und ſchüttelt ſeine Laſt. Bald rauſchen durch die Wüſte tauſend Quellen, In Spalt und Abgrund toſen ſchäumende Wellen Und aus der Fluth dringt aufwärts neues Land, Jungfräulich, jugendlich, die Gluth entſchwand. Aufſprießt der Blüthen Schönſte, Gottgenährt, Zum Menſchen wird der Erde Staub verklärt, Verklärt zum Willen wird was dunkel ringt — Zur Sprache wird was ſtammelnd klingt und ſingt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="3"> <pb facs="#f0191" n="173"/> <fw place="top" type="header">Heinrich Hart.</fw><lb/> <l>Nun ſchmiegte Zelle knospend ſich an Zelle,</l><lb/> <l>Von weichen Flocken blinkte jede Welle</l><lb/> <l>Und zarte Haut umſpinnt des Meeres Bord</l><lb/> <l>Und rankt ſich über Fels und Klüfte fort</l><lb/> <l>Und reckt ſich aus zu Faſern, thaugenährt,</l><lb/> <l>Gräbt in den Stein ſich, wurzelt, keimt und ährt …</l><lb/> <l>Schwül brütet Mittagshauch auf Sumpf und Au,</l><lb/> <l>Ein feuchter Dunſt verhängt des Himmels Blau</l><lb/> <l>Und gelber Qualm entbrodelt jeder Kluft,</l><lb/> <l>Von unterird’ſchen Wettern rauſcht die Luft,</l><lb/> <l>Umklammert von des Drachens Eiſenſpangen</l><lb/> <l>Wälzt brüllend ſich der Elch, im Rohr gefangen.</l><lb/> <l>Breitfächernd wuchert rings der Farrenwald,</l><lb/> <l>Vom plumpen Tritt des Maſtodonts durchhallt,</l><lb/> <l>Und glotzig ruht der Behemout im Teich,</l><lb/> <l>Eidechſen flattern, ſchwarzer Wolke gleich.</l><lb/> <l>Dann kommt ein Tag, blaß wird der Sonne Glanz,</l><lb/> <l>Schneewogen wirbeln wie im Kriegestanz,</l><lb/> <l>Von Norden dröhnt es krachend jede Nacht</l><lb/> <l>Und falbe Nebel ſchleifen, ſturmentfacht.</l><lb/> <l>Erſchauernd horcht die Blume, horcht das Reh —</l><lb/> <l>Dumpf wälzt es ſich heran, eisſtarre See,</l><lb/> <l>Einöde, grenzenlos, nackt, blank wie Stahl,</l><lb/> <l>Geſpenſtig Trümmerfeld; Berg wird zu Thal</l><lb/> <l>Und Thal zu Berg, die Wälder praſſeln ſchwer,</l><lb/> <l>Wie Staub hinweggefegt iſt Land und Meer,</l><lb/> <l>Von Erd’ zu Himmel eine Mauer nur,</l><lb/> <l>Verſtummt das Leben, ſterbend die Natur.</l><lb/> <l>Doch in der Tiefe ſchnaubt des Feuers Dampf,</l><lb/> <l>Die Sonne rafft ſich auf zu grimmem Kampf,</l><lb/> <l>Sie wühlt und ſaugt und ſchmilzt des Eiſes Glaſt,</l><lb/> <l>Der Boden wankt und ſchüttelt ſeine Laſt.</l><lb/> <l>Bald rauſchen durch die Wüſte tauſend Quellen,</l><lb/> <l>In Spalt und Abgrund toſen ſchäumende Wellen</l><lb/> <l>Und aus der Fluth dringt aufwärts neues Land,</l><lb/> <l>Jungfräulich, jugendlich, die Gluth entſchwand.</l><lb/> <l>Aufſprießt der Blüthen Schönſte, Gottgenährt,</l><lb/> <l>Zum Menſchen wird der Erde Staub verklärt,</l><lb/> <l>Verklärt zum Willen wird was dunkel ringt —</l><lb/> <l>Zur Sprache wird was ſtammelnd klingt und ſingt.</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [173/0191]
Heinrich Hart.
Nun ſchmiegte Zelle knospend ſich an Zelle,
Von weichen Flocken blinkte jede Welle
Und zarte Haut umſpinnt des Meeres Bord
Und rankt ſich über Fels und Klüfte fort
Und reckt ſich aus zu Faſern, thaugenährt,
Gräbt in den Stein ſich, wurzelt, keimt und ährt …
Schwül brütet Mittagshauch auf Sumpf und Au,
Ein feuchter Dunſt verhängt des Himmels Blau
Und gelber Qualm entbrodelt jeder Kluft,
Von unterird’ſchen Wettern rauſcht die Luft,
Umklammert von des Drachens Eiſenſpangen
Wälzt brüllend ſich der Elch, im Rohr gefangen.
Breitfächernd wuchert rings der Farrenwald,
Vom plumpen Tritt des Maſtodonts durchhallt,
Und glotzig ruht der Behemout im Teich,
Eidechſen flattern, ſchwarzer Wolke gleich.
Dann kommt ein Tag, blaß wird der Sonne Glanz,
Schneewogen wirbeln wie im Kriegestanz,
Von Norden dröhnt es krachend jede Nacht
Und falbe Nebel ſchleifen, ſturmentfacht.
Erſchauernd horcht die Blume, horcht das Reh —
Dumpf wälzt es ſich heran, eisſtarre See,
Einöde, grenzenlos, nackt, blank wie Stahl,
Geſpenſtig Trümmerfeld; Berg wird zu Thal
Und Thal zu Berg, die Wälder praſſeln ſchwer,
Wie Staub hinweggefegt iſt Land und Meer,
Von Erd’ zu Himmel eine Mauer nur,
Verſtummt das Leben, ſterbend die Natur.
Doch in der Tiefe ſchnaubt des Feuers Dampf,
Die Sonne rafft ſich auf zu grimmem Kampf,
Sie wühlt und ſaugt und ſchmilzt des Eiſes Glaſt,
Der Boden wankt und ſchüttelt ſeine Laſt.
Bald rauſchen durch die Wüſte tauſend Quellen,
In Spalt und Abgrund toſen ſchäumende Wellen
Und aus der Fluth dringt aufwärts neues Land,
Jungfräulich, jugendlich, die Gluth entſchwand.
Aufſprießt der Blüthen Schönſte, Gottgenährt,
Zum Menſchen wird der Erde Staub verklärt,
Verklärt zum Willen wird was dunkel ringt —
Zur Sprache wird was ſtammelnd klingt und ſingt.
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