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Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].

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Arno Holz.

Die Damen tragen wieder lange Schleppen,
Zum Schneider eilt nun, wer sich's leisten kann;
Die Kinder spielen lärmend auf den Treppen
Und auf den Höfen singt der Leiermann.

Schon legt der Bäcker sich auf Osterkringel
Und seine Fenster putzt der Photograph,
Der blaue Milchmann mit der gelben Klingel
Stört uns tagtäglich nun den Morgenschlaf.
Mit Kupfern illustrirt die Frauenzeitung
Die neusten Frühjahrsmoden aus Paris,
Ihr Feuilleton bringt zur Geschmacksverbreitung
Den neusten Schundroman von Dumas fils.
Es tritt der Strohhut und der Sonnenknicker
Nun wieder in sein angestammtes Recht
Und coquettirend mit dem Nasenzwicker
Durchstreift den Park der Promenadenhecht.
Das ist so recht die Schmachtzeit für Blondinen
Und ach, so mancher wird das Herzlein schwer;
Ein Duft von Veilchen und von Apfelsinen
Schwingt wie im Traum sich übers Häusermeer.
Am Arm das Körbchen mit den weißen Glöckchen,
Das blonde Haar zerweht vom Frühlingswind,
Lehnt bleich und zitternd im verschossnen Röckchen
Am Prunkpalast das Proletarierkind.
Geschminkte Dämchen und gezierte Stutzer,
Doch Niemand, der ihm schenkt ein freundlich Wort;
Und naht sich Abends der Laternenputzer,
Dann schleicht es weinend sich ins Dunkel fort!
Verfolgt vom blutgen Schwarm der Manichäer,
Um irrt nun Bruder Studio wie gehetzt,
Bis er sich endlich rettet zum Hebräer
Und seinen Winterpaletot versetzt.
Der Hypochonder sinnt auf Frühjahrskuren
Und wettert auf die Stickluft der Salons,
Der Italiano formt sich Gypsfiguren
Und zieht vors Thor mit seinen Luftballons.

Arno Holz.

Die Damen tragen wieder lange Schleppen,
Zum Schneider eilt nun, wer ſich’s leiſten kann;
Die Kinder ſpielen lärmend auf den Treppen
Und auf den Höfen ſingt der Leiermann.

Schon legt der Bäcker ſich auf Oſterkringel
Und ſeine Fenſter putzt der Photograph,
Der blaue Milchmann mit der gelben Klingel
Stört uns tagtäglich nun den Morgenſchlaf.
Mit Kupfern illuſtrirt die Frauenzeitung
Die neuſten Frühjahrsmoden aus Paris,
Ihr Feuilleton bringt zur Geſchmacksverbreitung
Den neuſten Schundroman von Dumas fils.
Es tritt der Strohhut und der Sonnenknicker
Nun wieder in ſein angeſtammtes Recht
Und coquettirend mit dem Naſenzwicker
Durchſtreift den Park der Promenadenhecht.
Das iſt ſo recht die Schmachtzeit für Blondinen
Und ach, ſo mancher wird das Herzlein ſchwer;
Ein Duft von Veilchen und von Apfelſinen
Schwingt wie im Traum ſich übers Häuſermeer.
Am Arm das Körbchen mit den weißen Glöckchen,
Das blonde Haar zerweht vom Frühlingswind,
Lehnt bleich und zitternd im verſchoſſnen Röckchen
Am Prunkpalaſt das Proletarierkind.
Geſchminkte Dämchen und gezierte Stutzer,
Doch Niemand, der ihm ſchenkt ein freundlich Wort;
Und naht ſich Abends der Laternenputzer,
Dann ſchleicht es weinend ſich ins Dunkel fort!
Verfolgt vom blutgen Schwarm der Manichäer,
Um irrt nun Bruder Studio wie gehetzt,
Bis er ſich endlich rettet zum Hebräer
Und ſeinen Winterpaletot verſetzt.
Der Hypochonder ſinnt auf Frühjahrskuren
Und wettert auf die Stickluft der Salons,
Der Italiano formt ſich Gypsfiguren
Und zieht vors Thor mit ſeinen Luftballons.

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[140/0158] Arno Holz. Die Damen tragen wieder lange Schleppen, Zum Schneider eilt nun, wer ſich’s leiſten kann; Die Kinder ſpielen lärmend auf den Treppen Und auf den Höfen ſingt der Leiermann. Schon legt der Bäcker ſich auf Oſterkringel Und ſeine Fenſter putzt der Photograph, Der blaue Milchmann mit der gelben Klingel Stört uns tagtäglich nun den Morgenſchlaf. Mit Kupfern illuſtrirt die Frauenzeitung Die neuſten Frühjahrsmoden aus Paris, Ihr Feuilleton bringt zur Geſchmacksverbreitung Den neuſten Schundroman von Dumas fils. Es tritt der Strohhut und der Sonnenknicker Nun wieder in ſein angeſtammtes Recht Und coquettirend mit dem Naſenzwicker Durchſtreift den Park der Promenadenhecht. Das iſt ſo recht die Schmachtzeit für Blondinen Und ach, ſo mancher wird das Herzlein ſchwer; Ein Duft von Veilchen und von Apfelſinen Schwingt wie im Traum ſich übers Häuſermeer. Am Arm das Körbchen mit den weißen Glöckchen, Das blonde Haar zerweht vom Frühlingswind, Lehnt bleich und zitternd im verſchoſſnen Röckchen Am Prunkpalaſt das Proletarierkind. Geſchminkte Dämchen und gezierte Stutzer, Doch Niemand, der ihm ſchenkt ein freundlich Wort; Und naht ſich Abends der Laternenputzer, Dann ſchleicht es weinend ſich ins Dunkel fort! Verfolgt vom blutgen Schwarm der Manichäer, Um irrt nun Bruder Studio wie gehetzt, Bis er ſich endlich rettet zum Hebräer Und ſeinen Winterpaletot verſetzt. Der Hypochonder ſinnt auf Frühjahrskuren Und wettert auf die Stickluft der Salons, Der Italiano formt ſich Gypsfiguren Und zieht vors Thor mit ſeinen Luftballons.

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Zitationshilfe: Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/158>, abgerufen am 22.11.2024.