Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Karl August Hückinghaus. Ein Adler nun an meinem Herzen zehrt, Der Adler ist der Menschheit Wahn und Hassen; Kein Mensch, kein Gott, der dem Gewalt'gen wehrt, Das Herz mir täglich zu erfassen. Und so durchwühlt von Schmerz und Gram und Noth Erleid' ich täglich jammervollen Kreuzestod. So duld' ich bis die gold'ne Stunde kommt, In der der Mensch erkennt das Wort, das hohe. Nur Liebe, Liebe ist es, die uns frommt! Bis aller Orten glüht die heil'ge Lohe, Dann flieht der Adler, meine Kette bricht, Ich werde frei -- es tagt auf Erden und wird Licht. Memnous Lied. Originalbeitrag. Morgenstunde -- noch ist Frieden Rings im Thal der Pyramiden, Feurig durch des Ostens Thor, Flammen malen ihre Strahlen An den Riesengräbermalen, Steigt das Morgenroth empor. Und nun setzt es seinem Sohne Memnon eine güld'ne Krone Auf das Fürstenhaupt von Stein: Durch des Göttersohnes Glieder Geht ein Zittern, Klagelieder Schallen schwermuthreich landein. Mutter, tönt es von den kalten Lippen des Jahrtausendalten, Ist er noch nicht da der Gott, Der der Dunkelmänner Kronen Bricht und Schächer stürzt von Thronen Und die Großen macht zum Spott? Karl Auguſt Hückinghaus. Ein Adler nun an meinem Herzen zehrt, Der Adler iſt der Menſchheit Wahn und Haſſen; Kein Menſch, kein Gott, der dem Gewalt’gen wehrt, Das Herz mir täglich zu erfaſſen. Und ſo durchwühlt von Schmerz und Gram und Noth Erleid’ ich täglich jammervollen Kreuzestod. So duld’ ich bis die gold’ne Stunde kommt, In der der Menſch erkennt das Wort, das hohe. Nur Liebe, Liebe iſt es, die uns frommt! Bis aller Orten glüht die heil’ge Lohe, Dann flieht der Adler, meine Kette bricht, Ich werde frei — es tagt auf Erden und wird Licht. Memnous Lied. Originalbeitrag. Morgenſtunde — noch iſt Frieden Rings im Thal der Pyramiden, Feurig durch des Oſtens Thor, Flammen malen ihre Strahlen An den Rieſengräbermalen, Steigt das Morgenroth empor. Und nun ſetzt es ſeinem Sohne Memnon eine güld’ne Krone Auf das Fürſtenhaupt von Stein: Durch des Götterſohnes Glieder Geht ein Zittern, Klagelieder Schallen ſchwermuthreich landein. Mutter, tönt es von den kalten Lippen des Jahrtauſendalten, Iſt er noch nicht da der Gott, Der der Dunkelmänner Kronen Bricht und Schächer ſtürzt von Thronen Und die Großen macht zum Spott? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb n="130" facs="#f0148"/> <fw type="header" place="top">Karl Auguſt Hückinghaus.</fw><lb/> <lg n="5"> <l>Ein Adler nun an meinem Herzen zehrt,</l><lb/> <l>Der Adler iſt der Menſchheit Wahn und Haſſen;</l><lb/> <l>Kein Menſch, kein Gott, der dem Gewalt’gen wehrt,</l><lb/> <l>Das Herz mir täglich zu erfaſſen.</l><lb/> <l>Und ſo durchwühlt von Schmerz und Gram und Noth</l><lb/> <l>Erleid’ ich täglich jammervollen Kreuzestod.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>So duld’ ich bis die gold’ne Stunde kommt,</l><lb/> <l>In der der Menſch erkennt das Wort, das hohe.</l><lb/> <l>Nur Liebe, Liebe iſt es, die uns frommt!</l><lb/> <l>Bis aller Orten glüht die heil’ge Lohe,</l><lb/> <l>Dann flieht der Adler, meine Kette bricht,</l><lb/> <l>Ich werde frei — es tagt auf Erden und wird Licht.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Memnous Lied.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c">Originalbeitrag.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Morgenſtunde — noch iſt Frieden</l><lb/> <l>Rings im Thal der Pyramiden,</l><lb/> <l>Feurig durch des Oſtens Thor,</l><lb/> <l>Flammen malen ihre Strahlen</l><lb/> <l>An den Rieſengräbermalen,</l><lb/> <l>Steigt das Morgenroth empor.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Und nun ſetzt es ſeinem Sohne</l><lb/> <l>Memnon eine güld’ne Krone</l><lb/> <l>Auf das Fürſtenhaupt von Stein:</l><lb/> <l>Durch des Götterſohnes Glieder</l><lb/> <l>Geht ein Zittern, Klagelieder</l><lb/> <l>Schallen ſchwermuthreich landein.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Mutter, tönt es von den kalten</l><lb/> <l>Lippen des Jahrtauſendalten,</l><lb/> <l>Iſt er noch nicht da der Gott,</l><lb/> <l>Der der Dunkelmänner Kronen</l><lb/> <l>Bricht und Schächer ſtürzt von Thronen</l><lb/> <l>Und die Großen macht zum Spott?</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [130/0148]
Karl Auguſt Hückinghaus.
Ein Adler nun an meinem Herzen zehrt,
Der Adler iſt der Menſchheit Wahn und Haſſen;
Kein Menſch, kein Gott, der dem Gewalt’gen wehrt,
Das Herz mir täglich zu erfaſſen.
Und ſo durchwühlt von Schmerz und Gram und Noth
Erleid’ ich täglich jammervollen Kreuzestod.
So duld’ ich bis die gold’ne Stunde kommt,
In der der Menſch erkennt das Wort, das hohe.
Nur Liebe, Liebe iſt es, die uns frommt!
Bis aller Orten glüht die heil’ge Lohe,
Dann flieht der Adler, meine Kette bricht,
Ich werde frei — es tagt auf Erden und wird Licht.
Memnous Lied.
Originalbeitrag.
Morgenſtunde — noch iſt Frieden
Rings im Thal der Pyramiden,
Feurig durch des Oſtens Thor,
Flammen malen ihre Strahlen
An den Rieſengräbermalen,
Steigt das Morgenroth empor.
Und nun ſetzt es ſeinem Sohne
Memnon eine güld’ne Krone
Auf das Fürſtenhaupt von Stein:
Durch des Götterſohnes Glieder
Geht ein Zittern, Klagelieder
Schallen ſchwermuthreich landein.
Mutter, tönt es von den kalten
Lippen des Jahrtauſendalten,
Iſt er noch nicht da der Gott,
Der der Dunkelmänner Kronen
Bricht und Schächer ſtürzt von Thronen
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Zitationshilfe: | Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/148>, abgerufen am 01.03.2025. |