Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Johannes Bohne. Zur Fahrt auf der Schmerzen wildwogende See, Im Sturme des Lebens, durch Kummer und Weh, Durch die Fluthen flammender Leidenschaft Zieht uns die heil'ge besel'gende Kraft -- Aus des glühenden Weibes weißen Arm, Der so leis um den Hals sich, so weich und so warm, So fest, wie mit ehernen Banden sich schmiegt, Im dämmernden Hauche, dem alles erliegt, Der müden, duftigen Sommernacht -- Hinweg reißt's uns -- aus den Sälen der Pracht, Aus der Welt des Taumels, der üppigsten Lust, Zu Noth und Elend und Todeswust -- Aus dem jubelnden Schwarm und dem lärmenden Fest -- Zu trocknen die Thränen, die bitter erpreßt Jahrtausende lang mit blutigem Zahn, Der grimmer wie Pest -- ein elender Wahn. Der Gott, der uns nicht straucheln läßt, Der hinan uns führt, so sicher und fest Vorbei am Abgrund, auf steinigtem Pfad, Ist der Gott der Freiheit, der Gott der That, Das ist der Gott, der strafet und lohnt, Der uns im eigenen Busen wohnt, Er, der im Kampf uns aus eig'ner Hand In Wetter und Sturm sich erhub und erstand. Den Pilgerstab, die Krücke, zerbrecht An dem ewigen Felsen, dem Menschenrecht, Und was auch die Kindheit uns lockend verhieß, Hier unten ist Hölle uns und Paradies. Hier brechen wir kühn mit erhobener Brust Durch die Wogen der Schmerzen, das Meer der Lust -- Und mit uns sinkt auch die Welt in den Staub Und wird der zehrenden Flammen Raub -- Wenn das Aug' uns der letzte Strahl erst erhellt Erglänzt auch in purpurnem Sterben die Welt. Johannes Bohne. Zur Fahrt auf der Schmerzen wildwogende See, Im Sturme des Lebens, durch Kummer und Weh, Durch die Fluthen flammender Leidenſchaft Zieht uns die heil’ge beſel’gende Kraft — Aus des glühenden Weibes weißen Arm, Der ſo leis um den Hals ſich, ſo weich und ſo warm, So feſt, wie mit ehernen Banden ſich ſchmiegt, Im dämmernden Hauche, dem alles erliegt, Der müden, duftigen Sommernacht — Hinweg reißt’s uns — aus den Sälen der Pracht, Aus der Welt des Taumels, der üppigſten Luſt, Zu Noth und Elend und Todeswuſt — Aus dem jubelnden Schwarm und dem lärmenden Feſt — Zu trocknen die Thränen, die bitter erpreßt Jahrtauſende lang mit blutigem Zahn, Der grimmer wie Peſt — ein elender Wahn. Der Gott, der uns nicht ſtraucheln läßt, Der hinan uns führt, ſo ſicher und feſt Vorbei am Abgrund, auf ſteinigtem Pfad, Iſt der Gott der Freiheit, der Gott der That, Das iſt der Gott, der ſtrafet und lohnt, Der uns im eigenen Buſen wohnt, Er, der im Kampf uns aus eig’ner Hand In Wetter und Sturm ſich erhub und erſtand. Den Pilgerſtab, die Krücke, zerbrecht An dem ewigen Felſen, dem Menſchenrecht, Und was auch die Kindheit uns lockend verhieß, Hier unten iſt Hölle uns und Paradies. Hier brechen wir kühn mit erhobener Bruſt Durch die Wogen der Schmerzen, das Meer der Luſt — Und mit uns ſinkt auch die Welt in den Staub Und wird der zehrenden Flammen Raub — Wenn das Aug’ uns der letzte Strahl erſt erhellt Erglänzt auch in purpurnem Sterben die Welt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0130" n="112"/> <fw place="top" type="header">Johannes Bohne.</fw><lb/> <lg n="3"> <l>Zur Fahrt auf der Schmerzen wildwogende See,</l><lb/> <l>Im Sturme des Lebens, durch Kummer und Weh,</l><lb/> <l>Durch die Fluthen flammender Leidenſchaft</l><lb/> <l>Zieht uns die heil’ge beſel’gende Kraft —</l><lb/> <l>Aus des glühenden Weibes weißen Arm,</l><lb/> <l>Der ſo leis um den Hals ſich, ſo weich und ſo warm,</l><lb/> <l>So feſt, wie mit ehernen Banden ſich ſchmiegt,</l><lb/> <l>Im dämmernden Hauche, dem alles erliegt,</l><lb/> <l>Der müden, duftigen Sommernacht —</l><lb/> <l>Hinweg reißt’s uns — aus den Sälen der Pracht,</l><lb/> <l>Aus der Welt des Taumels, der üppigſten Luſt,</l><lb/> <l>Zu Noth und Elend und Todeswuſt —</l><lb/> <l>Aus dem jubelnden Schwarm und dem lärmenden Feſt —</l><lb/> <l>Zu trocknen die Thränen, die bitter erpreßt</l><lb/> <l>Jahrtauſende lang mit blutigem Zahn,</l><lb/> <l>Der grimmer wie Peſt — ein elender Wahn.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Der Gott, der uns nicht ſtraucheln läßt,</l><lb/> <l>Der hinan uns führt, ſo ſicher und feſt</l><lb/> <l>Vorbei am Abgrund, auf ſteinigtem Pfad,</l><lb/> <l>Iſt der Gott der Freiheit, der Gott der That,</l><lb/> <l>Das iſt der Gott, der ſtrafet und lohnt,</l><lb/> <l>Der uns im eigenen Buſen wohnt,</l><lb/> <l>Er, der im Kampf uns aus eig’ner Hand</l><lb/> <l>In Wetter und Sturm ſich erhub und erſtand.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Den Pilgerſtab, die Krücke, zerbrecht</l><lb/> <l>An dem ewigen Felſen, dem Menſchenrecht,</l><lb/> <l>Und was auch die Kindheit uns lockend verhieß,</l><lb/> <l>Hier unten iſt Hölle uns und Paradies.</l><lb/> <l>Hier brechen wir kühn mit erhobener Bruſt</l><lb/> <l>Durch die Wogen der Schmerzen, das Meer der Luſt —</l><lb/> <l>Und mit uns ſinkt auch die Welt in den Staub</l><lb/> <l>Und wird der zehrenden Flammen Raub —</l><lb/> <l>Wenn das Aug’ uns der letzte Strahl erſt erhellt</l><lb/> <l>Erglänzt auch in purpurnem Sterben die Welt.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [112/0130]
Johannes Bohne.
Zur Fahrt auf der Schmerzen wildwogende See,
Im Sturme des Lebens, durch Kummer und Weh,
Durch die Fluthen flammender Leidenſchaft
Zieht uns die heil’ge beſel’gende Kraft —
Aus des glühenden Weibes weißen Arm,
Der ſo leis um den Hals ſich, ſo weich und ſo warm,
So feſt, wie mit ehernen Banden ſich ſchmiegt,
Im dämmernden Hauche, dem alles erliegt,
Der müden, duftigen Sommernacht —
Hinweg reißt’s uns — aus den Sälen der Pracht,
Aus der Welt des Taumels, der üppigſten Luſt,
Zu Noth und Elend und Todeswuſt —
Aus dem jubelnden Schwarm und dem lärmenden Feſt —
Zu trocknen die Thränen, die bitter erpreßt
Jahrtauſende lang mit blutigem Zahn,
Der grimmer wie Peſt — ein elender Wahn.
Der Gott, der uns nicht ſtraucheln läßt,
Der hinan uns führt, ſo ſicher und feſt
Vorbei am Abgrund, auf ſteinigtem Pfad,
Iſt der Gott der Freiheit, der Gott der That,
Das iſt der Gott, der ſtrafet und lohnt,
Der uns im eigenen Buſen wohnt,
Er, der im Kampf uns aus eig’ner Hand
In Wetter und Sturm ſich erhub und erſtand.
Den Pilgerſtab, die Krücke, zerbrecht
An dem ewigen Felſen, dem Menſchenrecht,
Und was auch die Kindheit uns lockend verhieß,
Hier unten iſt Hölle uns und Paradies.
Hier brechen wir kühn mit erhobener Bruſt
Durch die Wogen der Schmerzen, das Meer der Luſt —
Und mit uns ſinkt auch die Welt in den Staub
Und wird der zehrenden Flammen Raub —
Wenn das Aug’ uns der letzte Strahl erſt erhellt
Erglänzt auch in purpurnem Sterben die Welt.
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