Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Johannes Bohne. Sang der Lebendigen. Originalbeitrag. Wer still sein Leben in altem Geleis Verschleppt und mühsam sorgendem Fleiß, Der falte die Hände nur gläubig im Schooß Und lalle und stammle von seligem Loos! Doch wir fühlen die Kraft und wir stürmen hinaus Mit dem flammenden Haupte zum Kampfe, zum Strauß, In den düsteren Augen den blitzenden Strahl, Den Donner im Mund, auf der Stirne das Mal. In Gluthen getaucht mag die Welt uns vergeh'n, Erbrausen muß sie im Sturmesweh'n, Soll'n den lebendigen Odem wir trinken, Nicht in dem lähmenden Joche mehr hinken, In dem sie zieht und schleppt und lebt Und nimmer an ew'gen Gebilden mehr webt. -- Du heilige Liebe, du hast uns gefeit, Du gabst uns allen das stahlharte Kleid, Und drunter das Herz mit dem zuckenden Schlag, Das blutet vom Dorne des Elends, der Schmach, Das Herz, das den Kreuzestod tausendmal litt -- Doch draußen die Stirn, so kalt wie Granit, So still, wie die Felsen zum Himmel starr'n, Durchfurcht von der Stürme gewalt'gem Beharr'n. Kein lockendes Eiland, von Palmen umsäumt, Wie's der Dichter in seligen Träumen sich träumt, Kein lachendes Thal von Glückseligkeit, Kein wonniges Eden der goldenen Zeit Ist's, was uns lockt in kindlichem Drang Mit der Freude süßem Sirenengesang. Johannes Bohne. Sang der Lebendigen. Originalbeitrag. Wer ſtill ſein Leben in altem Geleis Verſchleppt und mühſam ſorgendem Fleiß, Der falte die Hände nur gläubig im Schooß Und lalle und ſtammle von ſeligem Loos! Doch wir fühlen die Kraft und wir ſtürmen hinaus Mit dem flammenden Haupte zum Kampfe, zum Strauß, In den düſteren Augen den blitzenden Strahl, Den Donner im Mund, auf der Stirne das Mal. In Gluthen getaucht mag die Welt uns vergeh’n, Erbrauſen muß ſie im Sturmesweh’n, Soll’n den lebendigen Odem wir trinken, Nicht in dem lähmenden Joche mehr hinken, In dem ſie zieht und ſchleppt und lebt Und nimmer an ew’gen Gebilden mehr webt. — Du heilige Liebe, du haſt uns gefeit, Du gabſt uns allen das ſtahlharte Kleid, Und drunter das Herz mit dem zuckenden Schlag, Das blutet vom Dorne des Elends, der Schmach, Das Herz, das den Kreuzestod tauſendmal litt — Doch draußen die Stirn, ſo kalt wie Granit, So ſtill, wie die Felſen zum Himmel ſtarr’n, Durchfurcht von der Stürme gewalt’gem Beharr’n. Kein lockendes Eiland, von Palmen umſäumt, Wie’s der Dichter in ſeligen Träumen ſich träumt, Kein lachendes Thal von Glückſeligkeit, Kein wonniges Eden der goldenen Zeit Iſt’s, was uns lockt in kindlichem Drang Mit der Freude ſüßem Sirenengeſang. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0129" n="[111]"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Johannes Bohne.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Sang der Lebendigen.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c">Originalbeitrag.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">W</hi>er ſtill ſein Leben in altem Geleis</l><lb/> <l>Verſchleppt und mühſam ſorgendem Fleiß,</l><lb/> <l>Der falte die Hände nur gläubig im Schooß</l><lb/> <l>Und lalle und ſtammle von ſeligem Loos!</l><lb/> <l>Doch wir fühlen die Kraft und wir ſtürmen hinaus</l><lb/> <l>Mit dem flammenden Haupte zum Kampfe, zum Strauß,</l><lb/> <l>In den düſteren Augen den blitzenden Strahl,</l><lb/> <l>Den Donner im Mund, auf der Stirne das Mal.</l><lb/> <l>In Gluthen getaucht mag die Welt uns vergeh’n,</l><lb/> <l>Erbrauſen muß ſie im Sturmesweh’n,</l><lb/> <l>Soll’n den lebendigen Odem wir trinken,</l><lb/> <l>Nicht in dem lähmenden Joche mehr hinken,</l><lb/> <l>In dem ſie zieht und ſchleppt und lebt</l><lb/> <l>Und nimmer an ew’gen Gebilden mehr webt. —</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Du heilige Liebe, du haſt uns gefeit,</l><lb/> <l>Du gabſt uns allen das ſtahlharte Kleid,</l><lb/> <l>Und drunter das Herz mit dem zuckenden Schlag,</l><lb/> <l>Das blutet vom Dorne des Elends, der Schmach,</l><lb/> <l>Das Herz, das den Kreuzestod tauſendmal litt —</l><lb/> <l>Doch draußen die Stirn, ſo kalt wie Granit,</l><lb/> <l>So ſtill, wie die Felſen zum Himmel ſtarr’n,</l><lb/> <l>Durchfurcht von der Stürme gewalt’gem Beharr’n.</l><lb/> <l>Kein lockendes Eiland, von Palmen umſäumt,</l><lb/> <l>Wie’s der Dichter in ſeligen Träumen ſich träumt,</l><lb/> <l>Kein lachendes Thal von Glückſeligkeit,</l><lb/> <l>Kein wonniges Eden der goldenen Zeit</l><lb/> <l>Iſt’s, was uns lockt in kindlichem Drang</l><lb/> <l>Mit der Freude ſüßem Sirenengeſang.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[111]/0129]
Johannes Bohne.
Sang der Lebendigen.
Originalbeitrag.
Wer ſtill ſein Leben in altem Geleis
Verſchleppt und mühſam ſorgendem Fleiß,
Der falte die Hände nur gläubig im Schooß
Und lalle und ſtammle von ſeligem Loos!
Doch wir fühlen die Kraft und wir ſtürmen hinaus
Mit dem flammenden Haupte zum Kampfe, zum Strauß,
In den düſteren Augen den blitzenden Strahl,
Den Donner im Mund, auf der Stirne das Mal.
In Gluthen getaucht mag die Welt uns vergeh’n,
Erbrauſen muß ſie im Sturmesweh’n,
Soll’n den lebendigen Odem wir trinken,
Nicht in dem lähmenden Joche mehr hinken,
In dem ſie zieht und ſchleppt und lebt
Und nimmer an ew’gen Gebilden mehr webt. —
Du heilige Liebe, du haſt uns gefeit,
Du gabſt uns allen das ſtahlharte Kleid,
Und drunter das Herz mit dem zuckenden Schlag,
Das blutet vom Dorne des Elends, der Schmach,
Das Herz, das den Kreuzestod tauſendmal litt —
Doch draußen die Stirn, ſo kalt wie Granit,
So ſtill, wie die Felſen zum Himmel ſtarr’n,
Durchfurcht von der Stürme gewalt’gem Beharr’n.
Kein lockendes Eiland, von Palmen umſäumt,
Wie’s der Dichter in ſeligen Träumen ſich träumt,
Kein lachendes Thal von Glückſeligkeit,
Kein wonniges Eden der goldenen Zeit
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