Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Hermann Conradi. Ihr habt geschwelgt in Sünden, In Sünden sonder Zahl! Mit Rosen kränztet ihr die Stirn Zu üpp'gem Freudenmahl! Bacchantisch habt ihr Nacht und Tag Gerast bei süßem Lautenschlag -- Da kam die Stunde, die zerbrach Euch Thyrsus und Pokal! Ihr habt geschwelgt in Sünden, In Sünden sonder Zahl! Da kam die Stunde, die euch riß Vom Antlitz, todesfahl, Die Masken -- und wir sahen euch In eurer Schande nackt und bleich, Aussätz'gen Galgenschächern gleich, Bei eurem Judasmahl! Ihr habt geschwelgt in Sünden -- In Sünden sonder Zahl! Aus euren Augen grinst der Tod Und euer Wort ist schaal! Zerbrochen liegt nun all' der Tand, Aufloderte des Flitters Brand -- Nun schmeckt die Zunge dürren Sand, Ihr -- "Priester der Moral"! Wie ist der Tag so weit . . . . Originalbeitrag. Im Sclavendienst der Lüge Hab' ich den Tag verbracht ... Nun hat den Zauberschleier leis Herabgesenkt die Nacht. Es schweigt verträumt die Runde, Nur leise der Nachtwind rauscht -- Ich aber mit brennendem Munde Habe Stunde um Stunde Mit Geistern ans nächt'gem Grunde Wilde Zwiesprach getauscht. Hermann Conradi. Ihr habt geſchwelgt in Sünden, In Sünden ſonder Zahl! Mit Roſen kränztet ihr die Stirn Zu üpp’gem Freudenmahl! Bacchantiſch habt ihr Nacht und Tag Geraſt bei ſüßem Lautenſchlag — Da kam die Stunde, die zerbrach Euch Thyrſus und Pokal! Ihr habt geſchwelgt in Sünden, In Sünden ſonder Zahl! Da kam die Stunde, die euch riß Vom Antlitz, todesfahl, Die Masken — und wir ſahen euch In eurer Schande nackt und bleich, Ausſätz’gen Galgenſchächern gleich, Bei eurem Judasmahl! Ihr habt geſchwelgt in Sünden — In Sünden ſonder Zahl! Aus euren Augen grinſt der Tod Und euer Wort iſt ſchaal! Zerbrochen liegt nun all’ der Tand, Aufloderte des Flitters Brand — Nun ſchmeckt die Zunge dürren Sand, Ihr — „Prieſter der Moral“! Wie iſt der Tag ſo weit . . . . Originalbeitrag. Im Sclavendienſt der Lüge Hab’ ich den Tag verbracht … Nun hat den Zauberſchleier leis Herabgeſenkt die Nacht. Es ſchweigt verträumt die Runde, Nur leiſe der Nachtwind rauſcht — Ich aber mit brennendem Munde Habe Stunde um Stunde Mit Geiſtern ans nächt’gem Grunde Wilde Zwieſprach getauſcht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb n="103" facs="#f0121"/> <fw type="header" place="top">Hermann Conradi.</fw><lb/> <lg n="3"> <l>Ihr habt geſchwelgt in Sünden,</l><lb/> <l>In Sünden ſonder Zahl!</l><lb/> <l>Mit Roſen kränztet ihr die Stirn</l><lb/> <l>Zu üpp’gem Freudenmahl!</l><lb/> <l>Bacchantiſch habt ihr Nacht und Tag</l><lb/> <l>Geraſt bei ſüßem Lautenſchlag —</l><lb/> <l>Da kam die Stunde, die zerbrach</l><lb/> <l>Euch Thyrſus und Pokal!</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Ihr habt geſchwelgt in Sünden,</l><lb/> <l>In Sünden ſonder Zahl!</l><lb/> <l>Da kam die Stunde, die euch riß</l><lb/> <l>Vom Antlitz, todesfahl,</l><lb/> <l>Die Masken — und wir ſahen euch</l><lb/> <l>In eurer Schande nackt und bleich,</l><lb/> <l>Ausſätz’gen Galgenſchächern gleich,</l><lb/> <l>Bei eurem Judasmahl!</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Ihr habt geſchwelgt in Sünden —</l><lb/> <l>In Sünden ſonder Zahl!</l><lb/> <l>Aus euren Augen grinſt der Tod</l><lb/> <l>Und euer Wort iſt ſchaal!</l><lb/> <l>Zerbrochen liegt nun all’ der Tand,</l><lb/> <l>Aufloderte des Flitters Brand —</l><lb/> <l>Nun ſchmeckt die Zunge dürren Sand,</l><lb/> <l>Ihr — „Prieſter der Moral“!</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Wie iſt der Tag ſo weit . . . .</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c">Originalbeitrag.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Im Sclavendienſt der Lüge</l><lb/> <l>Hab’ ich den Tag verbracht …</l><lb/> <l>Nun hat den Zauberſchleier leis</l><lb/> <l>Herabgeſenkt die Nacht.</l><lb/> <l>Es ſchweigt verträumt die Runde,</l><lb/> <l>Nur leiſe der Nachtwind rauſcht —</l><lb/> <l>Ich aber mit brennendem Munde</l><lb/> <l>Habe Stunde um Stunde</l><lb/> <l>Mit Geiſtern ans nächt’gem Grunde</l><lb/> <l>Wilde Zwieſprach getauſcht.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [103/0121]
Hermann Conradi.
Ihr habt geſchwelgt in Sünden,
In Sünden ſonder Zahl!
Mit Roſen kränztet ihr die Stirn
Zu üpp’gem Freudenmahl!
Bacchantiſch habt ihr Nacht und Tag
Geraſt bei ſüßem Lautenſchlag —
Da kam die Stunde, die zerbrach
Euch Thyrſus und Pokal!
Ihr habt geſchwelgt in Sünden,
In Sünden ſonder Zahl!
Da kam die Stunde, die euch riß
Vom Antlitz, todesfahl,
Die Masken — und wir ſahen euch
In eurer Schande nackt und bleich,
Ausſätz’gen Galgenſchächern gleich,
Bei eurem Judasmahl!
Ihr habt geſchwelgt in Sünden —
In Sünden ſonder Zahl!
Aus euren Augen grinſt der Tod
Und euer Wort iſt ſchaal!
Zerbrochen liegt nun all’ der Tand,
Aufloderte des Flitters Brand —
Nun ſchmeckt die Zunge dürren Sand,
Ihr — „Prieſter der Moral“!
Wie iſt der Tag ſo weit . . . .
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Nun hat den Zauberſchleier leis
Herabgeſenkt die Nacht.
Es ſchweigt verträumt die Runde,
Nur leiſe der Nachtwind rauſcht —
Ich aber mit brennendem Munde
Habe Stunde um Stunde
Mit Geiſtern ans nächt’gem Grunde
Wilde Zwieſprach getauſcht.
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Zitationshilfe: | Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/121>, abgerufen am 01.03.2025. |