Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.diese unter Anderm, wenn Schöpsenbraten aufgetragen wird, Man hat Speisesäle und Refektorien am passendsten mit Auch der so oft gemalte, zum Hungertode verurtheilte dieſe unter Anderm, wenn Schoͤpſenbraten aufgetragen wird, Man hat Speiſeſaͤle und Refektorien am paſſendſten mit Auch der ſo oft gemalte, zum Hungertode verurtheilte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0096" n="82"/> dieſe unter Anderm, wenn Schoͤpſenbraten aufgetragen wird,<lb/> deſſen zartes Fett bei niederer Temperatur ſo leicht gerinnt,<lb/> erſtarrt und erkaltet — vermoͤgen unſaͤglich Viel zur Hebung<lb/> eines ſinnigen Genuſſes.</p><lb/> <p>Man hat Speiſeſaͤle und Refektorien am paſſendſten mit<lb/> Gemaͤlden des Abendmahls, wie <hi rendition="#g">Leonardo da Vinci</hi>, oder<lb/> anderen frommen weitlaͤuftigen Gaſtgeboten, wie <hi rendition="#g">Paul Vero-<lb/> neſe</hi>, zu zieren geglaubt. <hi rendition="#g">Goethe</hi> lobt’s. Mir kommts vor<lb/> als wie eine in eine Landſchaft gehaͤngte Landſchaft, wie ein<lb/> Theaterdonner neben einem wirklichen Donner. Es iſt, als<lb/> wenn man einen gemalten Wald mit einigen wirklichen<lb/> Tannen- und Fichtenreiſern umſteckte. Ich glaube, daß Gaͤr-<lb/> ten, Jagden, Fiſchzuͤge und anderes mehr nur auf das Eſſen<lb/> Hindeutende, als es wirklich Darſtellende, paſſender waͤre.<lb/> Geradezu unausſtehlich iſt aber das ſo oft wiederkehrende Gaſt-<lb/> mahl des reichen Mannes, mit dem cyniſchen Lazarus, dem die<lb/> Hunde die Beulen und Schwaͤren ablecken. Puh! —</p><lb/> <p>Auch der ſo oft gemalte, zum Hungertode verurtheilte<lb/> Greis, welcher an der Bruſt ſeiner Tochter ſaugt — dieſe gan-<lb/> ze Situation — iſt nicht appetitlich, obſchon die Tochter.<lb/> Waͤre ein ſittliches Motiv, wobei man zugleich, auch fuͤr den<lb/> Stockphiliſter unbedenklich, einen reizenden bloßen Buſen zur<lb/> Schau ſtellen kann, nicht gar zu erwuͤnſcht, ſo koͤnnte man<lb/> wohl aus dieſem Bilde lernen, welche Naturalia die Kunſt<lb/> nicht zu bilden, wie ſich die Kunſt zur Natur nicht zu verhal-<lb/> ten habe. Ueberhaupt hat die Malerei mit wenigem Gluͤcke<lb/> ſich unſeres Gegenſtandes zu bemaͤchtigen geſucht. Es iſt zwar<lb/> ganz gut, daß aus den Abbildungen von Eßkuͤnſtlern in Aus-<lb/> uͤbung ihrer Berufsthaͤtigkeit Karrikaturen wurden. Und doch<lb/> iſt wohl zu bedenken, daß der antike Silen keine Karrikatur iſt.<lb/><hi rendition="#g">Tieck</hi> laͤßt in ſeinen „Gemaͤlden“ den alten Herrn <hi rendition="#g">von Eiſen-<lb/> ſchlicht</hi> uͤber die Hochzeit zu Kanaan von <hi rendition="#g">Paul Veroneſe</hi> alſo<lb/> urtheilen: „Alles Eſſen wird auf Bildern langweilig, weil es<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [82/0096]
dieſe unter Anderm, wenn Schoͤpſenbraten aufgetragen wird,
deſſen zartes Fett bei niederer Temperatur ſo leicht gerinnt,
erſtarrt und erkaltet — vermoͤgen unſaͤglich Viel zur Hebung
eines ſinnigen Genuſſes.
Man hat Speiſeſaͤle und Refektorien am paſſendſten mit
Gemaͤlden des Abendmahls, wie Leonardo da Vinci, oder
anderen frommen weitlaͤuftigen Gaſtgeboten, wie Paul Vero-
neſe, zu zieren geglaubt. Goethe lobt’s. Mir kommts vor
als wie eine in eine Landſchaft gehaͤngte Landſchaft, wie ein
Theaterdonner neben einem wirklichen Donner. Es iſt, als
wenn man einen gemalten Wald mit einigen wirklichen
Tannen- und Fichtenreiſern umſteckte. Ich glaube, daß Gaͤr-
ten, Jagden, Fiſchzuͤge und anderes mehr nur auf das Eſſen
Hindeutende, als es wirklich Darſtellende, paſſender waͤre.
Geradezu unausſtehlich iſt aber das ſo oft wiederkehrende Gaſt-
mahl des reichen Mannes, mit dem cyniſchen Lazarus, dem die
Hunde die Beulen und Schwaͤren ablecken. Puh! —
Auch der ſo oft gemalte, zum Hungertode verurtheilte
Greis, welcher an der Bruſt ſeiner Tochter ſaugt — dieſe gan-
ze Situation — iſt nicht appetitlich, obſchon die Tochter.
Waͤre ein ſittliches Motiv, wobei man zugleich, auch fuͤr den
Stockphiliſter unbedenklich, einen reizenden bloßen Buſen zur
Schau ſtellen kann, nicht gar zu erwuͤnſcht, ſo koͤnnte man
wohl aus dieſem Bilde lernen, welche Naturalia die Kunſt
nicht zu bilden, wie ſich die Kunſt zur Natur nicht zu verhal-
ten habe. Ueberhaupt hat die Malerei mit wenigem Gluͤcke
ſich unſeres Gegenſtandes zu bemaͤchtigen geſucht. Es iſt zwar
ganz gut, daß aus den Abbildungen von Eßkuͤnſtlern in Aus-
uͤbung ihrer Berufsthaͤtigkeit Karrikaturen wurden. Und doch
iſt wohl zu bedenken, daß der antike Silen keine Karrikatur iſt.
Tieck laͤßt in ſeinen „Gemaͤlden“ den alten Herrn von Eiſen-
ſchlicht uͤber die Hochzeit zu Kanaan von Paul Veroneſe alſo
urtheilen: „Alles Eſſen wird auf Bildern langweilig, weil es
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |