Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.poetischer, wenn er singt: "Wie ein Rubin in feinem Golde Eine andere Frage ist aber die: ob gerade Tafelmusik Wahre Musik, wie gediegenes Essen, nimmt den ganzen Hr. von Rumohr räth eine lärmende Tafelmusik da, wo poetiſcher, wenn er ſingt: „Wie ein Rubin in feinem Golde Eine andere Frage iſt aber die: ob gerade Tafelmuſik Wahre Muſik, wie gediegenes Eſſen, nimmt den ganzen Hr. von Rumohr raͤth eine laͤrmende Tafelmuſik da, wo <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0092" n="78"/> poetiſcher, wenn er ſingt: „Wie ein Rubin in feinem Golde<lb/> leuchtet, alſo zieret ein Geſang das Mahl. Wie ein Smaragd<lb/> in ſchoͤnem Golde ſtehet, alſo zieren die Lieder bei’m guten<lb/> Wein.“</p><lb/> <p>Eine andere Frage iſt aber die: ob gerade Tafelmuſik<lb/> uͤberhaupt zweckmaͤßig und zulaͤſſig ſei. Wer von Eßkunſt und<lb/> Muſik gleich wenig verſteht, haͤlt dieſe Frage unbedingt und ge-<lb/> radezu fuͤr uͤberfluͤſſig, und ſtimmt unbedenklich fuͤr ja. Der<lb/> Kenner urtheilt anders.</p><lb/> <p>Wahre Muſik, wie gediegenes Eſſen, nimmt den ganzen<lb/> Menſchen in Anſpruch. Je beſſer das Eſſen, um ſo mehr zieht<lb/> es die Aufmerkſamkeit und das Intereſſe auf ſich und von der<lb/> Muſik ab; je vortrefflicher die Muſik, um ſo mehr ſtoͤrt ſie das<lb/> Eſſen. Eins davon iſt immer zu viel. Eine ſchlechte Muſik<lb/> aber iſt nicht nur uͤberhaupt uͤberall zu viel, ſondern erweckt<lb/> entweder gar kein Intereſſe, und dann iſt ſie um ſo uͤberfluͤſſi-<lb/> ger, oder ſie iſt ſo ſchlecht, daß einem vor Schmerz alle Eßluſt<lb/> vergeht, und dann iſt ſie geradezu zweckwidrig. Sollte aber<lb/> gar ein ſchlechtes Eſſen durch eine gute Muſik uͤbergoldet wer-<lb/> den ſollen, ſo wuͤrde kein Eſſer dadurch beſtochen werden koͤn-<lb/> nen, vielmehr das Unzulaͤſſige dieſes Verfahrens mit gerechter<lb/> Entruͤſtung zuruͤckweiſen.</p><lb/> <p>Hr. <hi rendition="#g">von Rumohr</hi> raͤth eine laͤrmende Tafelmuſik da, wo<lb/> lauter dumme und zum Mißverſtehen, Auffahren und Uebel-<lb/> nehmen geneigte Menſchen mit einander eſſen; verwirft ſie aber<lb/> in allen uͤbrigen Faͤllen als ſchaͤdlich und ſtoͤrend. — Und doch<lb/> iſt nicht zu laͤugnen, daß gewiſſe leichte Muſikgattungen viel<lb/> zur Freude der Tafel beitragen koͤnnen, z. B. um bei manchen<lb/> gegenwaͤrtigen genirten, uͤberall Verdacht ſchnuͤffelnden, un-<lb/> menſchlichen Verhaͤltniſſen des ſo laͤſtigen und verfaͤnglichen Re-<lb/> dens uͤberhoben zu ſein. Auch koͤnnte unter dem Schein ei-<lb/> ner lebhaften muſikaliſchen Theilnahme und der dadurch geſetz-<lb/> ten Selbſtvergeſſenheit ein begabterer Eſſer vielleicht beſſer ſeine<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [78/0092]
poetiſcher, wenn er ſingt: „Wie ein Rubin in feinem Golde
leuchtet, alſo zieret ein Geſang das Mahl. Wie ein Smaragd
in ſchoͤnem Golde ſtehet, alſo zieren die Lieder bei’m guten
Wein.“
Eine andere Frage iſt aber die: ob gerade Tafelmuſik
uͤberhaupt zweckmaͤßig und zulaͤſſig ſei. Wer von Eßkunſt und
Muſik gleich wenig verſteht, haͤlt dieſe Frage unbedingt und ge-
radezu fuͤr uͤberfluͤſſig, und ſtimmt unbedenklich fuͤr ja. Der
Kenner urtheilt anders.
Wahre Muſik, wie gediegenes Eſſen, nimmt den ganzen
Menſchen in Anſpruch. Je beſſer das Eſſen, um ſo mehr zieht
es die Aufmerkſamkeit und das Intereſſe auf ſich und von der
Muſik ab; je vortrefflicher die Muſik, um ſo mehr ſtoͤrt ſie das
Eſſen. Eins davon iſt immer zu viel. Eine ſchlechte Muſik
aber iſt nicht nur uͤberhaupt uͤberall zu viel, ſondern erweckt
entweder gar kein Intereſſe, und dann iſt ſie um ſo uͤberfluͤſſi-
ger, oder ſie iſt ſo ſchlecht, daß einem vor Schmerz alle Eßluſt
vergeht, und dann iſt ſie geradezu zweckwidrig. Sollte aber
gar ein ſchlechtes Eſſen durch eine gute Muſik uͤbergoldet wer-
den ſollen, ſo wuͤrde kein Eſſer dadurch beſtochen werden koͤn-
nen, vielmehr das Unzulaͤſſige dieſes Verfahrens mit gerechter
Entruͤſtung zuruͤckweiſen.
Hr. von Rumohr raͤth eine laͤrmende Tafelmuſik da, wo
lauter dumme und zum Mißverſtehen, Auffahren und Uebel-
nehmen geneigte Menſchen mit einander eſſen; verwirft ſie aber
in allen uͤbrigen Faͤllen als ſchaͤdlich und ſtoͤrend. — Und doch
iſt nicht zu laͤugnen, daß gewiſſe leichte Muſikgattungen viel
zur Freude der Tafel beitragen koͤnnen, z. B. um bei manchen
gegenwaͤrtigen genirten, uͤberall Verdacht ſchnuͤffelnden, un-
menſchlichen Verhaͤltniſſen des ſo laͤſtigen und verfaͤnglichen Re-
dens uͤberhoben zu ſein. Auch koͤnnte unter dem Schein ei-
ner lebhaften muſikaliſchen Theilnahme und der dadurch geſetz-
ten Selbſtvergeſſenheit ein begabterer Eſſer vielleicht beſſer ſeine
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