Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.auszeichnen. Es genügt ihm vollkommen, wenn er sich's sel- Der unglückliche Kunst- und Rangstreit ist ihm fremd. auszeichnen. Es genuͤgt ihm vollkommen, wenn er ſich’s ſel- Der ungluͤckliche Kunſt- und Rangſtreit iſt ihm fremd. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0087" n="73"/> auszeichnen. Es genuͤgt ihm vollkommen, wenn er ſich’s ſel-<lb/> ber recht und zu Dank gemacht.</p><lb/> <p>Der ungluͤckliche Kunſt- und Rangſtreit iſt ihm fremd.<lb/> Nicht nur ordnet er ſich beſcheiden allen anderen Kuͤnſtlern, ſelbſt<lb/> dem Tanz- und Fechtkuͤnſtler, unter, ſondern er ſchaͤtzt mit der<lb/> humanſten Toleranz alles Geſchmackvolle, gehoͤre es nun dieſer<lb/> oder jener Kunſtgattung an. Er weiß das Hiſtoriſche eines<lb/> großen in Oel gemalten Friedensmalers von <hi rendition="#g">Sandrart</hi> eben ſo<lb/> zu wuͤrdigen, als in der kleinſten radirten Skizze von <hi rendition="#g">Geßner</hi><lb/> mit Butterbrod, Milch und Kaͤſe das Idylliſche. Er fuͤhlt das<lb/> Schoͤne der Huͤhner, Gaͤnſe und Enten eines <hi rendition="#g">Hondekoeter</hi> ſo<lb/> lebhaft, wie das der Weintrauben eines <hi rendition="#g">van Aelſt</hi>, und ſtreitet<lb/> nie daruͤber, ob Wildpret von <hi rendition="#g">Weeninx</hi> oder Fruͤchte von <hi rendition="#g">Coo-<lb/> ſemans</hi> gelungener ſeien. Mit gleicher Liebe betrachtet er Ka-<lb/> ninchen von <hi rendition="#g">Koning</hi>, Rebhuͤhner von <hi rendition="#g">Fyt</hi> und Schnepfen von<lb/><hi rendition="#g">Sintzenich</hi>. Indem er einen Haaſen von <hi rendition="#g">Sneyders</hi> bewun-<lb/> dert, findet er die einladende Reinlichkeit der blinkenden Kry-<lb/> ſtall- und Perlmuttergefaͤße eines <hi rendition="#g">Kalf</hi> nicht minder ſchoͤn.<lb/> Selbſt irgend ein Gurkenſchild als einen Keimpunkt von Still-<lb/> leben betrachtet er mit Antheil. Ueberhaupt verweilt er bei den<lb/> Stillleben mit einiger Vorliebe, nur kann er die Todtenkoͤpfe<lb/> eines <hi rendition="#g">van Streeck</hi> nicht ausſtehen, und er bedauert es ſehr, daß<lb/> dieſe lieblichen Stillleben gegenwaͤrtig ſo wenig mehr gelten.<lb/> Weniger als ein auf der Zerſtoͤrung von Jeruſalem ſitzender<lb/> Jeremias, ſagt er, macht auf uns gar keinen Eindruck mehr.<lb/> Unſere dumme, zerriſſene Zeit findet an dem friedlich unſchuldig<lb/> lieblichen Kunſtzweig keinen Geſchmack. Da forciren ſich die<lb/> Leute, die Qualen und Martern der Spaniſchen Schule ſchoͤn<lb/> zu finden, glauben widrige Kreuzabnahmen und pergamentar-<lb/> tig ausgemergelte eckige altdeutſche Steckenmichel angaffen und<lb/> loben zu muͤſſen, und ſchauen den Stern einer angeſchnittenen<lb/> Citrone, wo die Kerne ſo zart und aufrichtig durch’s ſaftige<lb/> Fleiſch ſchimmern, und ein ſchoͤn geformtes lichtbeglaͤnztes<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [73/0087]
auszeichnen. Es genuͤgt ihm vollkommen, wenn er ſich’s ſel-
ber recht und zu Dank gemacht.
Der ungluͤckliche Kunſt- und Rangſtreit iſt ihm fremd.
Nicht nur ordnet er ſich beſcheiden allen anderen Kuͤnſtlern, ſelbſt
dem Tanz- und Fechtkuͤnſtler, unter, ſondern er ſchaͤtzt mit der
humanſten Toleranz alles Geſchmackvolle, gehoͤre es nun dieſer
oder jener Kunſtgattung an. Er weiß das Hiſtoriſche eines
großen in Oel gemalten Friedensmalers von Sandrart eben ſo
zu wuͤrdigen, als in der kleinſten radirten Skizze von Geßner
mit Butterbrod, Milch und Kaͤſe das Idylliſche. Er fuͤhlt das
Schoͤne der Huͤhner, Gaͤnſe und Enten eines Hondekoeter ſo
lebhaft, wie das der Weintrauben eines van Aelſt, und ſtreitet
nie daruͤber, ob Wildpret von Weeninx oder Fruͤchte von Coo-
ſemans gelungener ſeien. Mit gleicher Liebe betrachtet er Ka-
ninchen von Koning, Rebhuͤhner von Fyt und Schnepfen von
Sintzenich. Indem er einen Haaſen von Sneyders bewun-
dert, findet er die einladende Reinlichkeit der blinkenden Kry-
ſtall- und Perlmuttergefaͤße eines Kalf nicht minder ſchoͤn.
Selbſt irgend ein Gurkenſchild als einen Keimpunkt von Still-
leben betrachtet er mit Antheil. Ueberhaupt verweilt er bei den
Stillleben mit einiger Vorliebe, nur kann er die Todtenkoͤpfe
eines van Streeck nicht ausſtehen, und er bedauert es ſehr, daß
dieſe lieblichen Stillleben gegenwaͤrtig ſo wenig mehr gelten.
Weniger als ein auf der Zerſtoͤrung von Jeruſalem ſitzender
Jeremias, ſagt er, macht auf uns gar keinen Eindruck mehr.
Unſere dumme, zerriſſene Zeit findet an dem friedlich unſchuldig
lieblichen Kunſtzweig keinen Geſchmack. Da forciren ſich die
Leute, die Qualen und Martern der Spaniſchen Schule ſchoͤn
zu finden, glauben widrige Kreuzabnahmen und pergamentar-
tig ausgemergelte eckige altdeutſche Steckenmichel angaffen und
loben zu muͤſſen, und ſchauen den Stern einer angeſchnittenen
Citrone, wo die Kerne ſo zart und aufrichtig durch’s ſaftige
Fleiſch ſchimmern, und ein ſchoͤn geformtes lichtbeglaͤnztes
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