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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

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und bilden die beliebtesten Speisen. Reisende versichern, daß
die gemästeten Katzen, die sich auf der Tafel der Reichsten fin-
den, gar nicht übel schmeckten. Dagegen konnten dieselben den
gedämpften Nachteulen und gekochten bebrüteten Eiern keinen
rechten Geschmack abgewinnen. Wie bei uns passionirte Au-
sternesser, giebt es dort eigentliche Hunde-Gourmands. Doch
wird Schweinefleisch im Allgemeinen jedem Andern vorgezogen
und bildet immer die Basis ihrer Ragoauts. Nach den Zeug-
nissen der Reisenden läßt sich nichts Schmackhafteres finden, als
ein Chinesischer Schinken, wie denn überhaupt ihr Schweine-
fleisch, durch ihr treffliche Mastung, viel besser sein soll als das
Unsrige. -- Daß wir ihnen den Zucker verdanken, ist bekannt. --
Die Chinesen sind sehr geschickte Köche und wissen mit einigen
Bohnen, Reis, Korn und ein paar Gewürzen und Kräutern
eine Menge, wie es heißt: wohlschmeckende Gerichte zu berei-
ten. Wie der Thee das Getränk par excellence, so ist die gewöhn-
lichste allgemeinste Speise der Reis. In Kanton wird eine Art
Hohlhippen von Weizen gemacht, die mit verschiedenen Kräu-
tern, welche den Appetit erwecken, zugerichtet, sehr gut schme-
cken. Eine der wohlfeilsten und beliebtesten Seisen besteht in
großen (5 -- 6 Zoll dicken) Kuchen von Bohnenteig, welche
roh, oder in Wasser mit Kräutern gekocht, oder in Butter ge-
braten, auch getrocknet und geräuchert mit Kümmel bestreut,
verspeiset zu werden pflegen. Man zieht sie selbst jungen Hüh-
nern vor. --

Die gewöhnlichsten Formen sind Ragoauts von gehacktem
Fleisch mit Kräutern und Hülsenfrüchten, Suppen von Schwein-
schmalz mit Kraftbrühen von Schweinen, Enten, Hühnern
und Hachees von, je nach der Jahreszeit, verschiedenen Kräu-
tern. Das vorzüglichste von allen Chinesischen Gerichten,
welches bei großen Gastereien nie fehlen darf, sind Hirsch-
sehnen und die berühmten Vogel- oder Schwalbennester. Er-
stere werden in der Sonne getrocknet, in Pfeffer und Muskat

und bilden die beliebteſten Speiſen. Reiſende verſichern, daß
die gemaͤſteten Katzen, die ſich auf der Tafel der Reichſten fin-
den, gar nicht uͤbel ſchmeckten. Dagegen konnten dieſelben den
gedaͤmpften Nachteulen und gekochten bebruͤteten Eiern keinen
rechten Geſchmack abgewinnen. Wie bei uns paſſionirte Au-
ſterneſſer, giebt es dort eigentliche Hunde-Gourmands. Doch
wird Schweinefleiſch im Allgemeinen jedem Andern vorgezogen
und bildet immer die Baſis ihrer Ragoûts. Nach den Zeug-
niſſen der Reiſenden laͤßt ſich nichts Schmackhafteres finden, als
ein Chineſiſcher Schinken, wie denn uͤberhaupt ihr Schweine-
fleiſch, durch ihr treffliche Maſtung, viel beſſer ſein ſoll als das
Unſrige. — Daß wir ihnen den Zucker verdanken, iſt bekannt. —
Die Chineſen ſind ſehr geſchickte Koͤche und wiſſen mit einigen
Bohnen, Reis, Korn und ein paar Gewuͤrzen und Kraͤutern
eine Menge, wie es heißt: wohlſchmeckende Gerichte zu berei-
ten. Wie der Thee das Getraͤnk par excellence, ſo iſt die gewoͤhn-
lichſte allgemeinſte Speiſe der Reis. In Kanton wird eine Art
Hohlhippen von Weizen gemacht, die mit verſchiedenen Kraͤu-
tern, welche den Appetit erwecken, zugerichtet, ſehr gut ſchme-
cken. Eine der wohlfeilſten und beliebteſten Seiſen beſteht in
großen (5 — 6 Zoll dicken) Kuchen von Bohnenteig, welche
roh, oder in Waſſer mit Kraͤutern gekocht, oder in Butter ge-
braten, auch getrocknet und geraͤuchert mit Kuͤmmel beſtreut,
verſpeiſet zu werden pflegen. Man zieht ſie ſelbſt jungen Huͤh-
nern vor. —

Die gewoͤhnlichſten Formen ſind Ragoûts von gehacktem
Fleiſch mit Kraͤutern und Huͤlſenfruͤchten, Suppen von Schwein-
ſchmalz mit Kraftbruͤhen von Schweinen, Enten, Huͤhnern
und Hacheés von, je nach der Jahreszeit, verſchiedenen Kraͤu-
tern. Das vorzuͤglichſte von allen Chineſiſchen Gerichten,
welches bei großen Gaſtereien nie fehlen darf, ſind Hirſch-
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ſtere werden in der Sonne getrocknet, in Pfeffer und Muskat

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[43/0057] und bilden die beliebteſten Speiſen. Reiſende verſichern, daß die gemaͤſteten Katzen, die ſich auf der Tafel der Reichſten fin- den, gar nicht uͤbel ſchmeckten. Dagegen konnten dieſelben den gedaͤmpften Nachteulen und gekochten bebruͤteten Eiern keinen rechten Geſchmack abgewinnen. Wie bei uns paſſionirte Au- ſterneſſer, giebt es dort eigentliche Hunde-Gourmands. Doch wird Schweinefleiſch im Allgemeinen jedem Andern vorgezogen und bildet immer die Baſis ihrer Ragoûts. Nach den Zeug- niſſen der Reiſenden laͤßt ſich nichts Schmackhafteres finden, als ein Chineſiſcher Schinken, wie denn uͤberhaupt ihr Schweine- fleiſch, durch ihr treffliche Maſtung, viel beſſer ſein ſoll als das Unſrige. — Daß wir ihnen den Zucker verdanken, iſt bekannt. — Die Chineſen ſind ſehr geſchickte Koͤche und wiſſen mit einigen Bohnen, Reis, Korn und ein paar Gewuͤrzen und Kraͤutern eine Menge, wie es heißt: wohlſchmeckende Gerichte zu berei- ten. Wie der Thee das Getraͤnk par excellence, ſo iſt die gewoͤhn- lichſte allgemeinſte Speiſe der Reis. In Kanton wird eine Art Hohlhippen von Weizen gemacht, die mit verſchiedenen Kraͤu- tern, welche den Appetit erwecken, zugerichtet, ſehr gut ſchme- cken. Eine der wohlfeilſten und beliebteſten Seiſen beſteht in großen (5 — 6 Zoll dicken) Kuchen von Bohnenteig, welche roh, oder in Waſſer mit Kraͤutern gekocht, oder in Butter ge- braten, auch getrocknet und geraͤuchert mit Kuͤmmel beſtreut, verſpeiſet zu werden pflegen. Man zieht ſie ſelbſt jungen Huͤh- nern vor. — Die gewoͤhnlichſten Formen ſind Ragoûts von gehacktem Fleiſch mit Kraͤutern und Huͤlſenfruͤchten, Suppen von Schwein- ſchmalz mit Kraftbruͤhen von Schweinen, Enten, Huͤhnern und Hacheés von, je nach der Jahreszeit, verſchiedenen Kraͤu- tern. Das vorzuͤglichſte von allen Chineſiſchen Gerichten, welches bei großen Gaſtereien nie fehlen darf, ſind Hirſch- ſehnen und die beruͤhmten Vogel- oder Schwalbenneſter. Er- ſtere werden in der Sonne getrocknet, in Pfeffer und Muskat

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Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/57>, abgerufen am 24.11.2024.