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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

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geworfen, und zum Schluß lauter, auf die mannigfaltigste Art
zugerichtete Papageienzungen aufgetragen. -- Ein altrömischer
Nachklang! -- Es ist klar, daß der Diener wohl den Herrn
nicht überbot. Durch ein neuerfundenes Ragoaut konnte man
sich bei Leo in die höchste Gunst setzen. Er selbst erfand eine
Gattung kleiner Würste, über deren Kostbarkeit sein Nachfolger,
Hadrian VI., der den Posten in den Rechnungen fand, er-
schrack. Obgleich dieser den Fisch Merlus so über die Maßen
liebte, daß derselbe, zur Lust der Römischen Fischer, bald nach
seinem Antritt des Pontifikats im Preiße stieg, war Hadrian
doch sonst frugal. Leo aber war es in keiner Beziehung. Er
brauchte Geld. Der Commis voyageur Tetzel machte nur
zu gute Geschäfte, bis die weltgeschichtliche Katastrophe anbrach.

Für die Geschichte der Eßkunst ist das Wichtigste dieser
Epoche die Erfindung der Gabeln, welche für sie ebenfalls eine
Epoche bezeichnet. Sie kommen in Frankreich zuerst um diese
Zeit, in England viel später vor. Die reizende Maria Stu-
art
bediente sich noch der Finger statt der Gabel. Sie wurden
von Eisen und zwar Anfangs nur zweizackig gefertigt. Es ist
augenfällig, daß die späteren drei- oder vierzackigen Eßgabeln
zweckmäßiger sind. Dagegen deuten die neueren ganz silbernen
Gabeln, mit denen man nichts fest anstechen kann, mit denen
nur mit Gefahr unter Wegs umzuwerfen, etwas zum Mund
zu führen ist und deren man sich nur mehr wie löcheriger
Schaufeln bedienen kann, offenbar auf einen Rückschritt.

Gleichzeitig mit den Gabeln fanden die Servietten allge-
meinere Aufnahme, welche als eigentliche Servietten zuerst zu
Rheims in Frankreich gemacht wurden.

Was aber für die Wissenschaften die Erfindung der Buch-
druckerkunst, und für die Kriegskunst die des Schießpulvers,
das ist für die Eßkunst die Erfindung der Gabeln und Servietten.

Wie nun von dem kunstsinnigen Italien aus die feinere
Koch- und Eßkunst durch die Mediceischen Prinzessinnen an

geworfen, und zum Schluß lauter, auf die mannigfaltigſte Art
zugerichtete Papageienzungen aufgetragen. — Ein altroͤmiſcher
Nachklang! — Es iſt klar, daß der Diener wohl den Herrn
nicht uͤberbot. Durch ein neuerfundenes Ragoût konnte man
ſich bei Leo in die hoͤchſte Gunſt ſetzen. Er ſelbſt erfand eine
Gattung kleiner Wuͤrſte, uͤber deren Koſtbarkeit ſein Nachfolger,
Hadrian VI., der den Poſten in den Rechnungen fand, er-
ſchrack. Obgleich dieſer den Fiſch Merlus ſo uͤber die Maßen
liebte, daß derſelbe, zur Luſt der Roͤmiſchen Fiſcher, bald nach
ſeinem Antritt des Pontifikats im Preiße ſtieg, war Hadrian
doch ſonſt frugal. Leo aber war es in keiner Beziehung. Er
brauchte Geld. Der Commis voyageur Tetzel machte nur
zu gute Geſchaͤfte, bis die weltgeſchichtliche Kataſtrophe anbrach.

Fuͤr die Geſchichte der Eßkunſt iſt das Wichtigſte dieſer
Epoche die Erfindung der Gabeln, welche fuͤr ſie ebenfalls eine
Epoche bezeichnet. Sie kommen in Frankreich zuerſt um dieſe
Zeit, in England viel ſpaͤter vor. Die reizende Maria Stu-
art
bediente ſich noch der Finger ſtatt der Gabel. Sie wurden
von Eiſen und zwar Anfangs nur zweizackig gefertigt. Es iſt
augenfaͤllig, daß die ſpaͤteren drei- oder vierzackigen Eßgabeln
zweckmaͤßiger ſind. Dagegen deuten die neueren ganz ſilbernen
Gabeln, mit denen man nichts feſt anſtechen kann, mit denen
nur mit Gefahr unter Wegs umzuwerfen, etwas zum Mund
zu fuͤhren iſt und deren man ſich nur mehr wie loͤcheriger
Schaufeln bedienen kann, offenbar auf einen Ruͤckſchritt.

Gleichzeitig mit den Gabeln fanden die Servietten allge-
meinere Aufnahme, welche als eigentliche Servietten zuerſt zu
Rheims in Frankreich gemacht wurden.

Was aber fuͤr die Wiſſenſchaften die Erfindung der Buch-
druckerkunſt, und fuͤr die Kriegskunſt die des Schießpulvers,
das iſt fuͤr die Eßkunſt die Erfindung der Gabeln und Servietten.

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[38/0052] geworfen, und zum Schluß lauter, auf die mannigfaltigſte Art zugerichtete Papageienzungen aufgetragen. — Ein altroͤmiſcher Nachklang! — Es iſt klar, daß der Diener wohl den Herrn nicht uͤberbot. Durch ein neuerfundenes Ragoût konnte man ſich bei Leo in die hoͤchſte Gunſt ſetzen. Er ſelbſt erfand eine Gattung kleiner Wuͤrſte, uͤber deren Koſtbarkeit ſein Nachfolger, Hadrian VI., der den Poſten in den Rechnungen fand, er- ſchrack. Obgleich dieſer den Fiſch Merlus ſo uͤber die Maßen liebte, daß derſelbe, zur Luſt der Roͤmiſchen Fiſcher, bald nach ſeinem Antritt des Pontifikats im Preiße ſtieg, war Hadrian doch ſonſt frugal. Leo aber war es in keiner Beziehung. Er brauchte Geld. Der Commis voyageur Tetzel machte nur zu gute Geſchaͤfte, bis die weltgeſchichtliche Kataſtrophe anbrach. Fuͤr die Geſchichte der Eßkunſt iſt das Wichtigſte dieſer Epoche die Erfindung der Gabeln, welche fuͤr ſie ebenfalls eine Epoche bezeichnet. Sie kommen in Frankreich zuerſt um dieſe Zeit, in England viel ſpaͤter vor. Die reizende Maria Stu- art bediente ſich noch der Finger ſtatt der Gabel. Sie wurden von Eiſen und zwar Anfangs nur zweizackig gefertigt. Es iſt augenfaͤllig, daß die ſpaͤteren drei- oder vierzackigen Eßgabeln zweckmaͤßiger ſind. Dagegen deuten die neueren ganz ſilbernen Gabeln, mit denen man nichts feſt anſtechen kann, mit denen nur mit Gefahr unter Wegs umzuwerfen, etwas zum Mund zu fuͤhren iſt und deren man ſich nur mehr wie loͤcheriger Schaufeln bedienen kann, offenbar auf einen Ruͤckſchritt. Gleichzeitig mit den Gabeln fanden die Servietten allge- meinere Aufnahme, welche als eigentliche Servietten zuerſt zu Rheims in Frankreich gemacht wurden. Was aber fuͤr die Wiſſenſchaften die Erfindung der Buch- druckerkunſt, und fuͤr die Kriegskunſt die des Schießpulvers, das iſt fuͤr die Eßkunſt die Erfindung der Gabeln und Servietten. Wie nun von dem kunſtſinnigen Italien aus die feinere Koch- und Eßkunſt durch die Mediceiſchen Prinzeſſinnen an

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Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/52>, abgerufen am 22.11.2024.