Bei uns, wenn eine Kleinigkeit vorfällt, z. B. einer Frau der Mann stirbt, glaubt sie, es schickt sich nicht, wenn sie zu Mittag ißt, und sie trinkt blos ein paar Tassen Kaffee.
Das beste Geschenk, welches Prometheus den Menschen, nachdem er sie gemacht hatte, geben zu können glaubte, war das Feuer, das er den Göttern stahl. Nun konnten die Sterb- lichen braten, kochen, backen und dämpfen, und die Götter hat- ten wenig mehr vor ihnen voraus. Die Furchtbarkeit der Strafe, womit Prometheus belegt wurde, beweist hinlänglich, welches Gewicht die Götter auf das Feuer, als Conditio sine qua keine Koch- und Eßkunst gedenkbar ist, legten.
Es ist zum Erbarmen, wenn man die Schilderungen über das Elend der Menschen liest, als sie noch kein Feuer hatten und ehe Vesta sie gelehrt, sich auf dem heiligen Heerde die nährende Kost zu bereiten. So nährten sich nach dem Zeug- niß das Aelianus die alten Arkadier hauptsächlich von Ei- cheln, die Athenienser von Feigen, die Tirynthier von Holz- äpfeln, die Indier von Rohr, die Caramanen von Halmen, die Möotier und Sauromaten von Hirse. -- Welche thierischen Zustände!
Aber selbst mit der Gabe des Feuers war's noch nicht ge- than, so lange man nicht an's Fleischessen ging. Wie die Viehzucht überhaupt einen Fortschritt der Menschheit bezeichnet, welche vorher nur ackerbauend und herbivorisch lebte, eben so verhält es sich mit dem Uebergang zum Fleischessen. Leider hielt der ultra-conservative Triptolemus durch ein Verbot das Volk von diesem Fortschritt lange genug zurück, bis die Menschen so klug wurden, sich an jenes Verbot nicht mehr zu kehren.
Hiermit fängt eine neue Epoche der Civilisation an. Lust, Kraft und Muth erwacht, eine heitere Morgenröthe beleuchtet die Fluren, die Helden essen Ochsen- und Lammsbraten und Homer beginnt zu singen.
Bei uns, wenn eine Kleinigkeit vorfaͤllt, z. B. einer Frau der Mann ſtirbt, glaubt ſie, es ſchickt ſich nicht, wenn ſie zu Mittag ißt, und ſie trinkt blos ein paar Taſſen Kaffee.
Das beſte Geſchenk, welches Prometheus den Menſchen, nachdem er ſie gemacht hatte, geben zu koͤnnen glaubte, war das Feuer, das er den Goͤttern ſtahl. Nun konnten die Sterb- lichen braten, kochen, backen und daͤmpfen, und die Goͤtter hat- ten wenig mehr vor ihnen voraus. Die Furchtbarkeit der Strafe, womit Prometheus belegt wurde, beweiſt hinlaͤnglich, welches Gewicht die Goͤtter auf das Feuer, als Conditio sine qua keine Koch- und Eßkunſt gedenkbar iſt, legten.
Es iſt zum Erbarmen, wenn man die Schilderungen uͤber das Elend der Menſchen lieſt, als ſie noch kein Feuer hatten und ehe Veſta ſie gelehrt, ſich auf dem heiligen Heerde die naͤhrende Koſt zu bereiten. So naͤhrten ſich nach dem Zeug- niß das Aelianus die alten Arkadier hauptſaͤchlich von Ei- cheln, die Athenienſer von Feigen, die Tirynthier von Holz- aͤpfeln, die Indier von Rohr, die Caramanen von Halmen, die Moͤotier und Sauromaten von Hirſe. — Welche thieriſchen Zuſtaͤnde!
Aber ſelbſt mit der Gabe des Feuers war’s noch nicht ge- than, ſo lange man nicht an’s Fleiſcheſſen ging. Wie die Viehzucht uͤberhaupt einen Fortſchritt der Menſchheit bezeichnet, welche vorher nur ackerbauend und herbivoriſch lebte, eben ſo verhaͤlt es ſich mit dem Uebergang zum Fleiſcheſſen. Leider hielt der ultra-conſervative Triptolemus durch ein Verbot das Volk von dieſem Fortſchritt lange genug zuruͤck, bis die Menſchen ſo klug wurden, ſich an jenes Verbot nicht mehr zu kehren.
Hiermit faͤngt eine neue Epoche der Civiliſation an. Luſt, Kraft und Muth erwacht, eine heitere Morgenroͤthe beleuchtet die Fluren, die Helden eſſen Ochſen- und Lammsbraten und Homer beginnt zu ſingen.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0038"n="24"/><p>Bei uns, wenn eine Kleinigkeit vorfaͤllt, z. B. einer Frau<lb/>
der Mann ſtirbt, glaubt ſie, es ſchickt ſich nicht, wenn ſie zu<lb/>
Mittag ißt, und ſie trinkt blos ein paar Taſſen Kaffee.</p><lb/><p>Das beſte Geſchenk, welches <hirendition="#g">Prometheus</hi> den Menſchen,<lb/>
nachdem er ſie gemacht hatte, geben zu koͤnnen glaubte, war<lb/>
das Feuer, das er den Goͤttern ſtahl. Nun konnten die Sterb-<lb/>
lichen braten, kochen, backen und daͤmpfen, und die Goͤtter hat-<lb/>
ten wenig mehr vor ihnen voraus. Die Furchtbarkeit der<lb/>
Strafe, womit <hirendition="#g">Prometheus</hi> belegt wurde, beweiſt hinlaͤnglich,<lb/>
welches Gewicht die Goͤtter auf das Feuer, als <hirendition="#aq">Conditio sine<lb/>
qua</hi> keine Koch- und Eßkunſt gedenkbar iſt, legten.</p><lb/><p>Es iſt zum Erbarmen, wenn man die Schilderungen uͤber<lb/>
das Elend der Menſchen lieſt, als ſie noch kein Feuer hatten<lb/>
und ehe <hirendition="#g">Veſta</hi>ſie gelehrt, ſich auf dem heiligen Heerde die<lb/>
naͤhrende Koſt zu bereiten. So naͤhrten ſich nach dem Zeug-<lb/>
niß das <hirendition="#g">Aelianus</hi> die alten Arkadier hauptſaͤchlich von Ei-<lb/>
cheln, die Athenienſer von Feigen, die Tirynthier von Holz-<lb/>
aͤpfeln, die Indier von Rohr, die Caramanen von Halmen, die<lb/>
Moͤotier und Sauromaten von Hirſe. — Welche thieriſchen<lb/>
Zuſtaͤnde!</p><lb/><p>Aber ſelbſt mit der Gabe des Feuers war’s noch nicht ge-<lb/>
than, ſo lange man nicht an’s Fleiſcheſſen ging. Wie die<lb/>
Viehzucht uͤberhaupt einen Fortſchritt der Menſchheit bezeichnet,<lb/>
welche vorher nur ackerbauend und herbivoriſch lebte, eben ſo<lb/>
verhaͤlt es ſich mit dem Uebergang zum Fleiſcheſſen. Leider<lb/>
hielt der ultra-conſervative <hirendition="#g">Triptolemus</hi> durch ein Verbot<lb/>
das Volk von dieſem Fortſchritt lange genug zuruͤck, bis die<lb/>
Menſchen ſo klug wurden, ſich an jenes Verbot nicht mehr zu<lb/>
kehren.</p><lb/><p>Hiermit faͤngt eine neue Epoche der Civiliſation an. Luſt,<lb/>
Kraft und Muth erwacht, eine heitere Morgenroͤthe beleuchtet<lb/>
die Fluren, die Helden eſſen Ochſen- und Lammsbraten und<lb/><hirendition="#g">Homer</hi> beginnt zu ſingen.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[24/0038]
Bei uns, wenn eine Kleinigkeit vorfaͤllt, z. B. einer Frau
der Mann ſtirbt, glaubt ſie, es ſchickt ſich nicht, wenn ſie zu
Mittag ißt, und ſie trinkt blos ein paar Taſſen Kaffee.
Das beſte Geſchenk, welches Prometheus den Menſchen,
nachdem er ſie gemacht hatte, geben zu koͤnnen glaubte, war
das Feuer, das er den Goͤttern ſtahl. Nun konnten die Sterb-
lichen braten, kochen, backen und daͤmpfen, und die Goͤtter hat-
ten wenig mehr vor ihnen voraus. Die Furchtbarkeit der
Strafe, womit Prometheus belegt wurde, beweiſt hinlaͤnglich,
welches Gewicht die Goͤtter auf das Feuer, als Conditio sine
qua keine Koch- und Eßkunſt gedenkbar iſt, legten.
Es iſt zum Erbarmen, wenn man die Schilderungen uͤber
das Elend der Menſchen lieſt, als ſie noch kein Feuer hatten
und ehe Veſta ſie gelehrt, ſich auf dem heiligen Heerde die
naͤhrende Koſt zu bereiten. So naͤhrten ſich nach dem Zeug-
niß das Aelianus die alten Arkadier hauptſaͤchlich von Ei-
cheln, die Athenienſer von Feigen, die Tirynthier von Holz-
aͤpfeln, die Indier von Rohr, die Caramanen von Halmen, die
Moͤotier und Sauromaten von Hirſe. — Welche thieriſchen
Zuſtaͤnde!
Aber ſelbſt mit der Gabe des Feuers war’s noch nicht ge-
than, ſo lange man nicht an’s Fleiſcheſſen ging. Wie die
Viehzucht uͤberhaupt einen Fortſchritt der Menſchheit bezeichnet,
welche vorher nur ackerbauend und herbivoriſch lebte, eben ſo
verhaͤlt es ſich mit dem Uebergang zum Fleiſcheſſen. Leider
hielt der ultra-conſervative Triptolemus durch ein Verbot
das Volk von dieſem Fortſchritt lange genug zuruͤck, bis die
Menſchen ſo klug wurden, ſich an jenes Verbot nicht mehr zu
kehren.
Hiermit faͤngt eine neue Epoche der Civiliſation an. Luſt,
Kraft und Muth erwacht, eine heitere Morgenroͤthe beleuchtet
die Fluren, die Helden eſſen Ochſen- und Lammsbraten und
Homer beginnt zu ſingen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/38>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.