Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.den Doctrinen um ihrer selbst willen mehr, sondern überall un- Als ich examinirt wurde, standen weingefüllte blinkende Ob ich nun gleich solche traurige Rezidive im Culturgang Wie hoch aber die seligen Götter das Essen schätzten, den Doctrinen um ihrer ſelbſt willen mehr, ſondern uͤberall un- Als ich examinirt wurde, ſtanden weingefuͤllte blinkende Ob ich nun gleich ſolche traurige Rezidive im Culturgang Wie hoch aber die ſeligen Goͤtter das Eſſen ſchaͤtzten, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0036" n="22"/> den Doctrinen um ihrer ſelbſt willen mehr, ſondern uͤberall un-<lb/> geduldiges Zappeln und Ueberpurzeln, uͤberall ein unſeliges un-<lb/> ruhiges Rennen, Streben und Trachten, uͤberall Unzufrieden-<lb/> heit und Eſſenwollen ſtatt friedlichen Eſſens ſelber!</p><lb/> <p>Als ich examinirt wurde, ſtanden weingefuͤllte blinkende<lb/> Glaͤſer, appetitlich aufgeſchnittene Schinken, Zungen und Cer-<lb/> velatwuͤrſte, Torten und Kuchen auf der ehrwuͤrdigen Tafel.<lb/> Es mahnte an die dem Cerberus dargebotenen Kuchen. Eſſende<lb/> Examinatoren ſind nicht halb ſo ernſt und furchtbar. Wie<lb/> freundlich war das Alles! Das encouragirte, das hob und ver-<lb/> ſchoͤnerte das ganze, ſonſt laͤſtige, Geſchaͤft, und man entwickelte<lb/> die tiefſten und umfaſſendſten Kenntniſſe auf die leichteſte und<lb/> anmuthigſte Weiſe. Freilich bei den gegenwaͤrtig uͤblichen Ge-<lb/> ſinnungs-Examinibus haben weder Examinatoren noch Exami-<lb/> nanden mehr rechten Appetit.</p><lb/> <p>Ob ich nun gleich ſolche traurige Rezidive im Culturgang<lb/> des Menſchengeſchlechts nicht umhin kann zuzugeſtehen, ſehe ich<lb/> doch meine froͤhliche Ueberzeugung von einem Fortſchreiten im<lb/> Allgemeinen und Ganzen auch bei Erwaͤgung des Gegenſtandes,<lb/> uͤber welchen ich hier vorzutragen die Ehre habe, auf das Glaͤn-<lb/> zendſte beſtaͤtigt. Iſt ja doch gegenwaͤrtig irgend ein reiſender<lb/> Handlungsdiener beſſer bedient, als die Goͤtter Griechenlands,<lb/> die nicht einmal Gabeln und Servietten kannten.</p><lb/> <p>Wie hoch aber die ſeligen Goͤtter das Eſſen ſchaͤtzten,<lb/> lehrt ihr Verkehr mit dem Menſchenvolk, mochte er ſich nun<lb/> liebend oder zuͤrnend aͤußern. Welche Gnaden verdienten ſich<lb/><hi rendition="#g">Philemon</hi> und <hi rendition="#g">Baucis</hi> von <hi rendition="#g">Zeus</hi> fuͤr einen Gansbraten,<lb/> wie dankbar war <hi rendition="#g">Ceres</hi> gegen <hi rendition="#g">Celeus</hi> fuͤr ein Abendeſſen! Ei-<lb/> nes der ſegensvollſten Geſchenke, welche den Bewohnern von<lb/> Delos fuͤr ihre Gaſtfreundſchaft gegen <hi rendition="#g">Latona</hi> zu Theil wur-<lb/> de, war die Entdeckung, Huͤhner zu maͤſten und fett zu machen.<lb/><hi rendition="#g">Ariſtaͤus</hi>, ein Sohn des <hi rendition="#g">Apollo</hi> und der <hi rendition="#g">Cyrene</hi>, war Er-<lb/> finder des Kaͤſes. Die Menſchheit wußte das zu wuͤrdigen und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [22/0036]
den Doctrinen um ihrer ſelbſt willen mehr, ſondern uͤberall un-
geduldiges Zappeln und Ueberpurzeln, uͤberall ein unſeliges un-
ruhiges Rennen, Streben und Trachten, uͤberall Unzufrieden-
heit und Eſſenwollen ſtatt friedlichen Eſſens ſelber!
Als ich examinirt wurde, ſtanden weingefuͤllte blinkende
Glaͤſer, appetitlich aufgeſchnittene Schinken, Zungen und Cer-
velatwuͤrſte, Torten und Kuchen auf der ehrwuͤrdigen Tafel.
Es mahnte an die dem Cerberus dargebotenen Kuchen. Eſſende
Examinatoren ſind nicht halb ſo ernſt und furchtbar. Wie
freundlich war das Alles! Das encouragirte, das hob und ver-
ſchoͤnerte das ganze, ſonſt laͤſtige, Geſchaͤft, und man entwickelte
die tiefſten und umfaſſendſten Kenntniſſe auf die leichteſte und
anmuthigſte Weiſe. Freilich bei den gegenwaͤrtig uͤblichen Ge-
ſinnungs-Examinibus haben weder Examinatoren noch Exami-
nanden mehr rechten Appetit.
Ob ich nun gleich ſolche traurige Rezidive im Culturgang
des Menſchengeſchlechts nicht umhin kann zuzugeſtehen, ſehe ich
doch meine froͤhliche Ueberzeugung von einem Fortſchreiten im
Allgemeinen und Ganzen auch bei Erwaͤgung des Gegenſtandes,
uͤber welchen ich hier vorzutragen die Ehre habe, auf das Glaͤn-
zendſte beſtaͤtigt. Iſt ja doch gegenwaͤrtig irgend ein reiſender
Handlungsdiener beſſer bedient, als die Goͤtter Griechenlands,
die nicht einmal Gabeln und Servietten kannten.
Wie hoch aber die ſeligen Goͤtter das Eſſen ſchaͤtzten,
lehrt ihr Verkehr mit dem Menſchenvolk, mochte er ſich nun
liebend oder zuͤrnend aͤußern. Welche Gnaden verdienten ſich
Philemon und Baucis von Zeus fuͤr einen Gansbraten,
wie dankbar war Ceres gegen Celeus fuͤr ein Abendeſſen! Ei-
nes der ſegensvollſten Geſchenke, welche den Bewohnern von
Delos fuͤr ihre Gaſtfreundſchaft gegen Latona zu Theil wur-
de, war die Entdeckung, Huͤhner zu maͤſten und fett zu machen.
Ariſtaͤus, ein Sohn des Apollo und der Cyrene, war Er-
finder des Kaͤſes. Die Menſchheit wußte das zu wuͤrdigen und
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