Großvätern und Großmüttern die Wichtigkeit unseres Gegen- standes einleuchtend werden.
Ueber die Bedeutung der Kochkunst (welche hier mit der der Eßkunst zusammenfällt) in agrikoler, staatswirthschaftlicher, commerzieller und andrer Beziehung hat Hr. von Rumohr Treff- liches gesagt, welches jedoch schon deßhalb hier nicht wiederholt sein soll, weil dieser um die Kunst überhaupt, wie um die Koch- und (also auch Eß-) Kunst so sehr verdiente Schriftsteller, im Verlaufe dieser Vorträge, gehörigen Orts, noch vielfach zur Sprache kommen wird. Den Werth der Lebensmittel für den Staat, als dessen Grundlage, haben Quesnay, Turgot, Gar- nier und Schmalz bereits in eignen (physiokratischen) Syste- men in's hellste Licht gestellt, und schon Voltaire hat gesagt, daß die ungeheuren Aegyptischen Pyramiden nichts gekostet hät- ten, als Zwiebeln.
Als Kunst wird sich aber die Eßkunst zunächst durch Fol- gendes legitimiren.
Die Zeiten scheinen -- Gottlob, wenn sie es in der That auch wären! -- vorbei, wo man (z. B. Sulzer und Beattie) darüber stritt, ob der Zweck der Kunst das Angenehme oder das Nützliche sei. Selbst von diesem niedrigen und beschränkten Standpunkte aus betrachtet sind die Ansprüche der Eßkunst gerechtfertigt, da gerade in ihr das Utile mit dem Dulci auf das Innigste versöhnt, vermischt, vereint ist. Das Horazische "Delectare" -- nahe verwandt mit dem Eßterminus "Deli- cat" -- überbietet der Eßkünstler im hohen Grade. Während nämlich Poeten gar oft durch Vorlesen ihrer Sonette, Oden und Trauerspiele zwar sich selber bestens delectiren, diejenigen aber, welche zuhören müssen, auf das Peinigendste annuyren, wird ein Mensch, welcher mit zierlichem Behagen, mit Geschmack und Liebe zu essen weiß, jedem gesunden Sinne einen angenehm ergötzlichen Anblick gewähren.
Man hat (z. B. Kausch) den Punkt, wo alle schönen
Großvaͤtern und Großmuͤttern die Wichtigkeit unſeres Gegen- ſtandes einleuchtend werden.
Ueber die Bedeutung der Kochkunſt (welche hier mit der der Eßkunſt zuſammenfaͤllt) in agrikoler, ſtaatswirthſchaftlicher, commerzieller und andrer Beziehung hat Hr. von Rumohr Treff- liches geſagt, welches jedoch ſchon deßhalb hier nicht wiederholt ſein ſoll, weil dieſer um die Kunſt uͤberhaupt, wie um die Koch- und (alſo auch Eß-) Kunſt ſo ſehr verdiente Schriftſteller, im Verlaufe dieſer Vortraͤge, gehoͤrigen Orts, noch vielfach zur Sprache kommen wird. Den Werth der Lebensmittel fuͤr den Staat, als deſſen Grundlage, haben Quesnay, Turgot, Gar- nier und Schmalz bereits in eignen (phyſiokratiſchen) Syſte- men in’s hellſte Licht geſtellt, und ſchon Voltaire hat geſagt, daß die ungeheuren Aegyptiſchen Pyramiden nichts gekoſtet haͤt- ten, als Zwiebeln.
Als Kunſt wird ſich aber die Eßkunſt zunaͤchſt durch Fol- gendes legitimiren.
Die Zeiten ſcheinen — Gottlob, wenn ſie es in der That auch waͤren! — vorbei, wo man (z. B. Sulzer und Beattie) daruͤber ſtritt, ob der Zweck der Kunſt das Angenehme oder das Nuͤtzliche ſei. Selbſt von dieſem niedrigen und beſchraͤnkten Standpunkte aus betrachtet ſind die Anſpruͤche der Eßkunſt gerechtfertigt, da gerade in ihr das Utile mit dem Dulci auf das Innigſte verſoͤhnt, vermiſcht, vereint iſt. Das Horaziſche „Delectare“ — nahe verwandt mit dem Eßterminus „Deli- cat“ — uͤberbietet der Eßkuͤnſtler im hohen Grade. Waͤhrend naͤmlich Poeten gar oft durch Vorleſen ihrer Sonette, Oden und Trauerſpiele zwar ſich ſelber beſtens delectiren, diejenigen aber, welche zuhoͤren muͤſſen, auf das Peinigendſte annuyren, wird ein Menſch, welcher mit zierlichem Behagen, mit Geſchmack und Liebe zu eſſen weiß, jedem geſunden Sinne einen angenehm ergoͤtzlichen Anblick gewaͤhren.
Man hat (z. B. Kauſch) den Punkt, wo alle ſchoͤnen
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[16/0030]
Großvaͤtern und Großmuͤttern die Wichtigkeit unſeres Gegen-
ſtandes einleuchtend werden.
Ueber die Bedeutung der Kochkunſt (welche hier mit der
der Eßkunſt zuſammenfaͤllt) in agrikoler, ſtaatswirthſchaftlicher,
commerzieller und andrer Beziehung hat Hr. von Rumohr Treff-
liches geſagt, welches jedoch ſchon deßhalb hier nicht wiederholt
ſein ſoll, weil dieſer um die Kunſt uͤberhaupt, wie um die Koch-
und (alſo auch Eß-) Kunſt ſo ſehr verdiente Schriftſteller, im
Verlaufe dieſer Vortraͤge, gehoͤrigen Orts, noch vielfach zur
Sprache kommen wird. Den Werth der Lebensmittel fuͤr den
Staat, als deſſen Grundlage, haben Quesnay, Turgot, Gar-
nier und Schmalz bereits in eignen (phyſiokratiſchen) Syſte-
men in’s hellſte Licht geſtellt, und ſchon Voltaire hat geſagt,
daß die ungeheuren Aegyptiſchen Pyramiden nichts gekoſtet haͤt-
ten, als Zwiebeln.
Als Kunſt wird ſich aber die Eßkunſt zunaͤchſt durch Fol-
gendes legitimiren.
Die Zeiten ſcheinen — Gottlob, wenn ſie es in der That
auch waͤren! — vorbei, wo man (z. B. Sulzer und Beattie)
daruͤber ſtritt, ob der Zweck der Kunſt das Angenehme oder das
Nuͤtzliche ſei. Selbſt von dieſem niedrigen und beſchraͤnkten
Standpunkte aus betrachtet ſind die Anſpruͤche der Eßkunſt
gerechtfertigt, da gerade in ihr das Utile mit dem Dulci auf
das Innigſte verſoͤhnt, vermiſcht, vereint iſt. Das Horaziſche
„Delectare“ — nahe verwandt mit dem Eßterminus „Deli-
cat“ — uͤberbietet der Eßkuͤnſtler im hohen Grade. Waͤhrend
naͤmlich Poeten gar oft durch Vorleſen ihrer Sonette, Oden
und Trauerſpiele zwar ſich ſelber beſtens delectiren, diejenigen
aber, welche zuhoͤren muͤſſen, auf das Peinigendſte annuyren,
wird ein Menſch, welcher mit zierlichem Behagen, mit Geſchmack
und Liebe zu eſſen weiß, jedem geſunden Sinne einen angenehm
ergoͤtzlichen Anblick gewaͤhren.
Man hat (z. B. Kauſch) den Punkt, wo alle ſchoͤnen
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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/30>, abgerufen am 16.02.2025.
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