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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

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Thatsache bereichere, so will ich es nicht zurückhalten, sondern
laut aussprechen und verbreiten: Auch ich habe, ohne mich zu
rühmen, eine interessante, und für die Eßkunst hochwichtige
Erfindung gemacht. Ich habe eine neue Wurst erfunden. Ich
habe diese neue, von mir erfundene, Wurst auch getauft, -- und,
da es billig ist, daß sie den Namen ihres Erfinders und Schöpfers
trägt, so habe ich sie Antonius-Wurst getauft. Hätte ich sie
nicht selber gleich so getauft, so wäre ich in Gefahr, der Ehre
der Erfindung verlustig zu werden. Auch habe ich sie eigens
für diese letzte Vorlesung erfunden, damit etwas darinnen sei.

Diese Wurst, -- also ist es mir im tiefsten Gemüth auf-
gegangen, also hat der Geist es mir offenbaret, -- diese meine
Wurst besteht:

1) aus den Ingredienzen einer gewöhnlichen, jedoch knoblauch-
losen, Salami oder Braunschweiger Wurst. -- Dieß ist
blos die rohe Unterlage, die irdische Basis meiner Wurst,
wie Kind's Text des Freischütz zu Weber's göttlicher
Musik, -- der gemeine Boden, in dem das Höhere kei-
men und Wurzel schlagen kann.
2) Aus rohem Westphälischen Schinken. -- Dieser Zusatz
repräsentirt zunächst das, dem Digestionsapparat wahl-
verwandteste nutritive Prinzip.
3) Aus Sardellen. -- Darin steckt vorzüglich die eßkünst-
lerische Feinheit.
4) Aus Pfeffer, Piement, Zitronenschaale, und wenig, wenig
Gewürznelken und Ingwer. Punktum. Durch einen
Zusatz von Salzburger geräucherter Rindszunge, den ich
Anfangs beabsichtigte, wäre der männliche Styl, die
klassische Simplicität dieser Construktion schon überschrit-
ten, weßhalb ich sie, nach reiflicherem Nachdenken,
wegließ.

Wer die erhabene Idee dieser Zusammensetzung zu fassen
im Stande ist, wird im innerlichsten Gemüthe durchdrungen

18

Thatſache bereichere, ſo will ich es nicht zuruͤckhalten, ſondern
laut ausſprechen und verbreiten: Auch ich habe, ohne mich zu
ruͤhmen, eine intereſſante, und fuͤr die Eßkunſt hochwichtige
Erfindung gemacht. Ich habe eine neue Wurſt erfunden. Ich
habe dieſe neue, von mir erfundene, Wurſt auch getauft, — und,
da es billig iſt, daß ſie den Namen ihres Erfinders und Schoͤpfers
traͤgt, ſo habe ich ſie Antonius-Wurſt getauft. Haͤtte ich ſie
nicht ſelber gleich ſo getauft, ſo waͤre ich in Gefahr, der Ehre
der Erfindung verluſtig zu werden. Auch habe ich ſie eigens
fuͤr dieſe letzte Vorleſung erfunden, damit etwas darinnen ſei.

Dieſe Wurſt, — alſo iſt es mir im tiefſten Gemuͤth auf-
gegangen, alſo hat der Geiſt es mir offenbaret, — dieſe meine
Wurſt beſteht:

1) aus den Ingredienzen einer gewoͤhnlichen, jedoch knoblauch-
loſen, Salami oder Braunſchweiger Wurſt. — Dieß iſt
blos die rohe Unterlage, die irdiſche Baſis meiner Wurſt,
wie Kind’s Text des Freiſchuͤtz zu Weber’s goͤttlicher
Muſik, — der gemeine Boden, in dem das Hoͤhere kei-
men und Wurzel ſchlagen kann.
2) Aus rohem Weſtphaͤliſchen Schinken. — Dieſer Zuſatz
repraͤſentirt zunaͤchſt das, dem Digeſtionsapparat wahl-
verwandteſte nutritive Prinzip.
3) Aus Sardellen. — Darin ſteckt vorzuͤglich die eßkuͤnſt-
leriſche Feinheit.
4) Aus Pfeffer, Piement, Zitronenſchaale, und wenig, wenig
Gewuͤrznelken und Ingwer. Punktum. Durch einen
Zuſatz von Salzburger geraͤucherter Rindszunge, den ich
Anfangs beabſichtigte, waͤre der maͤnnliche Styl, die
klaſſiſche Simplicitaͤt dieſer Conſtruktion ſchon uͤberſchrit-
ten, weßhalb ich ſie, nach reiflicherem Nachdenken,
wegließ.

Wer die erhabene Idee dieſer Zuſammenſetzung zu faſſen
im Stande iſt, wird im innerlichſten Gemuͤthe durchdrungen

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[273/0287] Thatſache bereichere, ſo will ich es nicht zuruͤckhalten, ſondern laut ausſprechen und verbreiten: Auch ich habe, ohne mich zu ruͤhmen, eine intereſſante, und fuͤr die Eßkunſt hochwichtige Erfindung gemacht. Ich habe eine neue Wurſt erfunden. Ich habe dieſe neue, von mir erfundene, Wurſt auch getauft, — und, da es billig iſt, daß ſie den Namen ihres Erfinders und Schoͤpfers traͤgt, ſo habe ich ſie Antonius-Wurſt getauft. Haͤtte ich ſie nicht ſelber gleich ſo getauft, ſo waͤre ich in Gefahr, der Ehre der Erfindung verluſtig zu werden. Auch habe ich ſie eigens fuͤr dieſe letzte Vorleſung erfunden, damit etwas darinnen ſei. Dieſe Wurſt, — alſo iſt es mir im tiefſten Gemuͤth auf- gegangen, alſo hat der Geiſt es mir offenbaret, — dieſe meine Wurſt beſteht: 1) aus den Ingredienzen einer gewoͤhnlichen, jedoch knoblauch- loſen, Salami oder Braunſchweiger Wurſt. — Dieß iſt blos die rohe Unterlage, die irdiſche Baſis meiner Wurſt, wie Kind’s Text des Freiſchuͤtz zu Weber’s goͤttlicher Muſik, — der gemeine Boden, in dem das Hoͤhere kei- men und Wurzel ſchlagen kann. 2) Aus rohem Weſtphaͤliſchen Schinken. — Dieſer Zuſatz repraͤſentirt zunaͤchſt das, dem Digeſtionsapparat wahl- verwandteſte nutritive Prinzip. 3) Aus Sardellen. — Darin ſteckt vorzuͤglich die eßkuͤnſt- leriſche Feinheit. 4) Aus Pfeffer, Piement, Zitronenſchaale, und wenig, wenig Gewuͤrznelken und Ingwer. Punktum. Durch einen Zuſatz von Salzburger geraͤucherter Rindszunge, den ich Anfangs beabſichtigte, waͤre der maͤnnliche Styl, die klaſſiſche Simplicitaͤt dieſer Conſtruktion ſchon uͤberſchrit- ten, weßhalb ich ſie, nach reiflicherem Nachdenken, wegließ. Wer die erhabene Idee dieſer Zuſammenſetzung zu faſſen im Stande iſt, wird im innerlichſten Gemuͤthe durchdrungen 18

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Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/287>, abgerufen am 22.11.2024.