Es sind viele Mittel zur Verhütung und Beseitigung der Trunkenheit vorgeschlagen worden. Aristoteles, Hippokra- tes, Galen u. A. empfehlen den Knoblauch. Plutarch führt an, daß Drusus, der Sohn des Tiberius, einige bittere Mandeln verzehrte, wenn er sich zu einem Gelag begab. An- dere empfehlen Oel, Kohl und dergleichen. Africanus in seinen Commentaren räth gebratene Ziegenlunge, Avicenna Weineissig und Granatapfelsaft. Rantzovius erzählt sehr ge- müthvoll, er trage zu diesem Behufe einen großen Amethyst auf der Brust, und er glaube, daß dieser einiges nütze. -- Welcher Künstler von nur einigem Natur- und Wahrheitssinn wird solches Zeug nicht in tiefer Seele verachten!
In welchen Fällen es übrigens erlaubt, ohne Sünde, ja räthlich sei, in Baccho über die Schnur zu hauen, hat Pri- merosius in seinem Buche de vulgi erroribus in medicina (dritten Buches 18tes Kapitel) sehr gelehrt und schön aus ein- ander gesetzt.
Der Eßkünstler soll aber nicht blos schön essen, er soll auch schön trinken. Durch Unterlassung letzterer Regel wird er sich aller Verdienste berauben, welche er sich in erster Kategorie erwarb.
Hier ist denn der Ort, das mitzutheilen, was der schon belobte Zobel so klar als deutlich hierüber im Folgenden sagt:
"Trinke weder allzulangsam, noch zu geschwinde, sondern sein erbar und sittsam, nicht wie die Säufer, die den Wein oder Bier nur in sich gießen; siehe auch unter dem Trinken nicht viel umher, sondern in das Glas oder anderes Geschirr hinein.
Trinke nicht, wenn du das Maul voll Brod, oder anderer Speise hast; auch mache im Schlingen keinen unanständigen Laut mit der Gurgel, daß man alle Schluck zählen kann. Son- dern warte lieber, bis du hinunter gegessen hast, und das Ge- tränke desto leichter durch die Gurgel laufen kann. Thue auch,
Es ſind viele Mittel zur Verhuͤtung und Beſeitigung der Trunkenheit vorgeſchlagen worden. Ariſtoteles, Hippokra- tes, Galen u. A. empfehlen den Knoblauch. Plutarch fuͤhrt an, daß Druſus, der Sohn des Tiberius, einige bittere Mandeln verzehrte, wenn er ſich zu einem Gelag begab. An- dere empfehlen Oel, Kohl und dergleichen. Africanus in ſeinen Commentaren raͤth gebratene Ziegenlunge, Avicenna Weineiſſig und Granatapfelſaft. Rantzovius erzaͤhlt ſehr ge- muͤthvoll, er trage zu dieſem Behufe einen großen Amethyſt auf der Bruſt, und er glaube, daß dieſer einiges nuͤtze. — Welcher Kuͤnſtler von nur einigem Natur- und Wahrheitsſinn wird ſolches Zeug nicht in tiefer Seele verachten!
In welchen Faͤllen es uͤbrigens erlaubt, ohne Suͤnde, ja raͤthlich ſei, in Baccho uͤber die Schnur zu hauen, hat Pri- meroſius in ſeinem Buche de vulgi erroribus in medicina (dritten Buches 18tes Kapitel) ſehr gelehrt und ſchoͤn aus ein- ander geſetzt.
Der Eßkuͤnſtler ſoll aber nicht blos ſchoͤn eſſen, er ſoll auch ſchoͤn trinken. Durch Unterlaſſung letzterer Regel wird er ſich aller Verdienſte berauben, welche er ſich in erſter Kategorie erwarb.
Hier iſt denn der Ort, das mitzutheilen, was der ſchon belobte Zobel ſo klar als deutlich hieruͤber im Folgenden ſagt:
„Trinke weder allzulangſam, noch zu geſchwinde, ſondern ſein erbar und ſittſam, nicht wie die Saͤufer, die den Wein oder Bier nur in ſich gießen; ſiehe auch unter dem Trinken nicht viel umher, ſondern in das Glas oder anderes Geſchirr hinein.
Trinke nicht, wenn du das Maul voll Brod, oder anderer Speiſe haſt; auch mache im Schlingen keinen unanſtaͤndigen Laut mit der Gurgel, daß man alle Schluck zaͤhlen kann. Son- dern warte lieber, bis du hinunter gegeſſen haſt, und das Ge- traͤnke deſto leichter durch die Gurgel laufen kann. Thue auch,
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Es ſind viele Mittel zur Verhuͤtung und Beſeitigung der
Trunkenheit vorgeſchlagen worden. Ariſtoteles, Hippokra-
tes, Galen u. A. empfehlen den Knoblauch. Plutarch fuͤhrt
an, daß Druſus, der Sohn des Tiberius, einige bittere
Mandeln verzehrte, wenn er ſich zu einem Gelag begab. An-
dere empfehlen Oel, Kohl und dergleichen. Africanus in
ſeinen Commentaren raͤth gebratene Ziegenlunge, Avicenna
Weineiſſig und Granatapfelſaft. Rantzovius erzaͤhlt ſehr ge-
muͤthvoll, er trage zu dieſem Behufe einen großen Amethyſt
auf der Bruſt, und er glaube, daß dieſer einiges nuͤtze. —
Welcher Kuͤnſtler von nur einigem Natur- und Wahrheitsſinn
wird ſolches Zeug nicht in tiefer Seele verachten!
In welchen Faͤllen es uͤbrigens erlaubt, ohne Suͤnde, ja
raͤthlich ſei, in Baccho uͤber die Schnur zu hauen, hat Pri-
meroſius in ſeinem Buche de vulgi erroribus in medicina
(dritten Buches 18tes Kapitel) ſehr gelehrt und ſchoͤn aus ein-
ander geſetzt.
Der Eßkuͤnſtler ſoll aber nicht blos ſchoͤn eſſen, er ſoll auch
ſchoͤn trinken. Durch Unterlaſſung letzterer Regel wird er ſich
aller Verdienſte berauben, welche er ſich in erſter Kategorie
erwarb.
Hier iſt denn der Ort, das mitzutheilen, was der ſchon
belobte Zobel ſo klar als deutlich hieruͤber im Folgenden ſagt:
„Trinke weder allzulangſam, noch zu geſchwinde, ſondern
ſein erbar und ſittſam, nicht wie die Saͤufer, die den Wein
oder Bier nur in ſich gießen; ſiehe auch unter dem Trinken
nicht viel umher, ſondern in das Glas oder anderes Geſchirr
hinein.
Trinke nicht, wenn du das Maul voll Brod, oder anderer
Speiſe haſt; auch mache im Schlingen keinen unanſtaͤndigen
Laut mit der Gurgel, daß man alle Schluck zaͤhlen kann. Son-
dern warte lieber, bis du hinunter gegeſſen haſt, und das Ge-
traͤnke deſto leichter durch die Gurgel laufen kann. Thue auch,
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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/272>, abgerufen am 16.02.2025.
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